Der erstaunliche Wandel des FC Barcelona

Ein schneller Blick auf die Zahlen lässt vermuten: Barca is back!

Der FC Barcelona ist nach dreijähriger Durststrecke endlich wieder auf Meisterschaftskurs. Nach 25 Spielen hat die Xavi-Elf ein sattes Polster auf Real Madrid.

Dazu gewannen die Katalanen jüngst das Clásico-Hinspiel im Pokalhalbfinale gegen den Dauerrivalen und unterstrichen ihre aktuelle Vormachtstellung in Spanien.

Ein genauer Blick in die Statistik wirft jedoch die Frage auf: Was ist mit Barca passiert?

Barcas Bollwerk bricht Rekord um Rekord

Aus der einstigen Tiki-Taka-Zauberelf ist ein Defensivbollwerk geworden - das bewies auch der jüngste 1:0-Erfolg bei Athletic Bilbao am Sonntagabend. Acht (!) Gegentore in 25 Spielen - das gab es in der spanischen Liga noch nie. Barca stellt unter den europäischen Top-5-Ligen mit weitem Abstand die beste Abwehr.

Die Zahl spricht eine klare Sprache über die neue Grundhaltung, die Xavi seinem Team eingeimpft hat: Verteidigung ist der beste Angriff!

Rund um den seit Wochen überragenden Torhüter Marc-André ter Stegen hat sich ein stabiles Konstrukt gebildet, das die Offensivstars um Robert Lewandowski in den Schatten stellt. Bis auf den früheren Bayern-Stürmer (15 Tore) traf in La Liga kein Barca-Spieler mehr als sechs Mal.

Doch das ist nicht schlimm. Dank der herausragenden Arbeit in der Defensive reicht Barca in der Liga ein mäßiger Angriff, um sich Real Madrid in der Liga vom Hals zu halten.

Clásico-Catenaccio

Eine Blaupause für den Barca-Pragmatismus lieferte das 1:0 bei den Königlichen im Pokal. Statt dominantem Kurzpassspiel überließen die Gäste im Hinspiel des Copa-Halbfinals Real den Ball und setzten auf Umschaltmomente.

Nach einem Real-Fehler im Aufbau und dem daraus resultierenden Slapstick-Eigentor durch Eder Militao führte Barca nach 30 Minuten auf einmal 1:0. Danach igelte sich Xavis Team im Abwehrdrittel ein und brachte die Führung mit dem geringsten Ballbesitzanteil seit zehn Jahren über die Zeit.

Aber: Wie unter anderem Lewandowski weiß, ist der neue Ansatz bei Weitem kein schlechtes Signal.

„Die Barca-DNA besagt, dass wir schönen Fußball spielen müssen“, erklärte der Torjäger in einem Gespräch mit dem eigenen Klubmagazin: „Wir müssen aber auch anerkennen, dass sich der Fußball verändert hat.“

„Die Art und Weise, wie Barca vor zehn Jahren gespielt hat, funktioniert heute vielleicht nicht mehr. Wir müssen uns dem Fußball anpassen und das Beste zeigen, was wir haben“, fügte der Ex-Bayern-Star hinzu.

Barca-Abwehrriegel entnervt Real Madrid

Die Real-Stars waren nach der Pleite im Kracher derart entnervt von der blau-roten Betontaktik, dass sie sich nach dem Spiel zu giftiger Kritik hinreißen ließen. Die Madrilenen, die 2022 mit einer ähnlichen Herangehensweise Champions-League-Sieger geworden waren, wurden mit ihren eigenen Waffen geschlagen.

Nicht einen einzigen Torschuss bekam ter Stegen im Pokal-Clásico auf seinen Kasten. Drei Tage später gegen Valencia war es nur ein Torschuss, den der Nationaltorhüter abwehren musste. Und das, obwohl Innenverteidiger Ronald Araújo schon nach 60 Minuten mit Rot vom Platz geflogen war.

Barca gewann mal wieder 1:0 - zum inzwischen neunten Mal in La Liga. Noch nie zuvor hat der Rekord-Pokalsieger das in einer Spielzeit geschafft. Für ter Stegen war es das 19. von 24 Ligaspielen ohne Gegentor.

Sollte er diese unfassbare Quote weiter halten, winkt der All-Time-Ligarekord von 26 Weißen Westen in einer Spielzeit. Erstmals nach neun Jahren bei Barca kann der Ex-Gladbacher womöglich die Zamora-Trophäe für die wenigsten Gegentore in einer Saison entgegennehmen.

Offensive leidet unter neuem Spielstil

Doch fernab dieser beeindruckenden Zahlen bleibt natürlich ein großes Aber!

Nach dem ermauerten Clásico-Sieg musste sich Xavi für die Spielweise seines Teams rechtfertigen. „Das ist nicht das Spiel, das wir wollen“, räumte der ehemalige Kreativspieler ein.

Seine Taktik wählte Xavi anscheinend nicht aus innerer Überzeugung, sondern weil diese Ausrichtung dem entspricht, was sein Kader momentan hergibt. Mit Ousmane Dembélé, Lewandowski und Pedri fehlte Barca in Madrid beispielsweise seine gesamte offensive Dreierreihe.

Aus in der Europa League gegen Manchester United

Im Rückspiel gegen Manchester United in der Europa League, als Xavi auf Gavi, Pedri und Dembélé verzichten musste, ging den einst gefürchteten Katalanen die offensive Kreativität und Torgefahr spürbar ab.

Um ein Haar wäre die zurückhaltende Spielweise erneut belohnt worden. Doch nach der schmeichelhaften Führung durch Lewandowski drehte United in der zweiten Halbzeit das Spiel verdient in seine Richtung und warf Barca in den Playoffs raus.

„Ich denke, wir waren großartig gegen Manchester United“, sagte Xavi im Anschluss und gab damit einen Hinweis auf das neue Selbstverständnis der Blaugrana. Anstelle des fast testamentarisch hohen Anspruchs backt Xavi mit Barcelona mittlerweile kleine Brötchen.

Platz drei in der Champions-League-Gruppenphase und das Aus in der Europa-League-Zwischenrunde wollte der Weltmeister von 2010 partout nicht negativ bewerten: „Wir haben gegen Bayern, Inter und Manchester gut gespielt. (…) Dieses Jahr haben wir gezeigt, dass wir in Europa konkurrieren können. Wir werden nächste Saison noch stärker zurückkommen.“

Barca-Star Lewandowski fordert Geduld ein

Und auch Lewandowski weiß um Barcas langen Weg zurück in Europas Beletage. „In meinem ersten Monat hier konnte ich sehen, wie viel Potenzial vorhanden war“, sagte der Stürmer und ergänzte: „Aber im Fußball ist es schwer, Dinge in wenigen Wochen oder Monaten zu verändern.“

Man müsse geduldig bleiben. „Barca hat junge Spieler mit großem Leistungsvermögen. Mit ihnen ist die Zukunft des Vereins gesichert“, stellte Lewandowski klar.

Allerdings sei die fehlende Erfahrung innerhalb des Teams auch ein Grund für das frühe Scheitern in der Königsklasse und Europa League. Die jungen Akteure „brauchen Zeit, um Dinge zu lernen und die richtige Einstellung zu bekommen“, betonte der 34-Jährige.

„Wir haben Fehler gemacht, und wenn man die Champions League gewinnen will, darf man solche Fehler nicht machen“, verdeutlichte der Pole im gleichen Zug.

Lewandowski selbst glaubt aber an eine erfolgreiche Zukunft beim FC Barcelona und verschwendet keinen Gedanken an einen baldigen Abschied: „Ich hoffe, ich kann noch viele Jahre hier bleiben.“