Verrückter Börsencoup aus dem wahren Leben: Das sind die Kino-Highlights der Woche

Keith Gill (Paul Dano), eine der zentralen Figuren in "Dumb Money - Dummes Geld", foppt von seinem Schreibtisch aus die Wall-Street-Zampanos. (Bild: Leonine)
Keith Gill (Paul Dano), eine der zentralen Figuren in "Dumb Money - Dummes Geld", foppt von seinem Schreibtisch aus die Wall-Street-Zampanos. (Bild: Leonine)

"Anatomie eines Falls", "Mein Sohn, der Soldat" und "Dumb Money - Schnelles Geld", eine irre Börsensatire um den starken Kursanstieg der GameStop-Akte aus dem Jahr 2021: Das sind die Kino-Neustarts am 2. November.

Geschichten aus dem wahren Leben scheinen US-Filmemacher Craig Gillespie zu reizen. Mit "I, Tonya" (2017) legte er eine Mockumentary über das turbulente Leben der amerikanischen Eiskunstläuferin Tonya Harding vor, und in der Miniserie "Pam & Tommy" (2022) beleuchtete er die skandalträchtige Ehe von Pamela Anderson und Ex-Mann Tommy Lee. Auch sein neues Werk "Dumb Money - Schnelles Geld" basiert auf realen Ereignissen, die sich 2021 rund um die Aktie der Einzelhandelskette GameStop abspielten. Wie Kleinanleger Börsenzampanos gewaltig ärgerten - davon erzählt Gillespies satirisch aufgeladener Film, der mit einigen bekannten Gesichtern punkten kann.

Außerdem neu im Kino: Sandra Hüller brilliert im Krimidrama "Anatomie eines Falls", das 2023 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, und in "Mein Sohn, der Soldat" kämpfen ein von Omar Sy gespielter Vater und sein 17-jähriger Sohn im Ersten Weltkrieg ums Überleben.

Hedgefonds-Manager Steve Cohen (Vincent D'Onofrio) hat nach Keith Gills Coup nichts zu lachen. (Bild: Leonine)
Hedgefonds-Manager Steve Cohen (Vincent D'Onofrio) hat nach Keith Gills Coup nichts zu lachen. (Bild: Leonine)

Dumb Money - Schnelles Geld

Die Börse mit ihrem Zahlenwirrwarr und ihren undurchsichtigen Transaktionen ist eigentlich kein besonders filmisches Umfeld. Und doch hat sie Drehbuchautoren und Regisseure immer wieder inspiriert. Unvergessen: Michael Douglas als Finanzhai Gordon "Gier ist gut!" Gekko in Oliver Stones Klassiker "Wall Street" (1987). Dass das Parkett des großen Geldes keineswegs staubtrocken sein muss, bewiesen in den letzten Jahren mehrere Kinoarbeiten. Fesselnd wie ein Thriller beschrieb "Der große Crash - Margin Call" (2011) die Anfänge der 2007 ausbrechenden Weltfinanzkrise. Martin Scorsese wiederum sezierte in seinem lustvoll-ausufernden Biopic "The Wolf of Wall Street" (2013) den Fall des Betrügers Jordan Belfort.

"Dumb Money - Schnelles Geld" erinnert nun vor allem an Adam McKays Börsensatire "The Big Short" (2015), die Fachtermini und hochkomplexe Prozesse zackig und unterhaltsam aufbereitete. Auch Craig Gillespies Film (Buchvorlage: Ben Mezrich, Drehbuch: Lauren Schuker Blum, Rebecca Angelo) setzt auf einen humorigen Tonfall, viel Dynamik und hebt, wo immer es geht, die absurden Seiten seiner unglaublichen wahren Geschichte hervor.

Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist der von Paul Dano verkörperte YouTuber Keith Gill. Ein leicht nerdiger Finanzanalyst, der sich "Roaring Kitty" nennt, also "brüllendes Kätzchen". Im Gegensatz zu vielen anderen Experten befindet er die Aktie von GameStop, einer Videospielladenkette, für massiv unterbewertet - und investiert Anfang 2021 kurzerhand all seine Ersparnisse in das Wertpapier.

Anschließend kommt es, wie es in einer David-gegen-Goliath-Story wie dieser kommen muss: Gill löst mit seinen in den sozialen Netzwerken geposteten Aktionen einen Hype aus. Zahlreiche Menschen sehen in ihm plötzlich einen hellsichtigen Guru und folgen seinem Vorbild. Schmerzhaft sind die schon bald regnenden Gewinne der vielen Kleinanleger für die abgezockten Hedgefonds-Manager Gabe Plotkin (Seth Rogen), Steven Cohen (Vincent D'Onofrio) und Ken Griffin (Nick Offerman), die alle auf die Insolvenz von GameStop gewettet haben. Statt saftiger Erträge hagelt es nun dicke Verluste. Für reichlich Feuer dürfte gesorgt sein. Denn natürlich lassen die Wall-Street-Big-Player das Ganze nicht auf sich sitzen ...

Was hat Sandra (Sandra Hüller) mit dem Todessturz ihres Ehemannes zu tun? (Bild: LesFilmsPelleas/LesFilmsDePierre)
Was hat Sandra (Sandra Hüller) mit dem Todessturz ihres Ehemannes zu tun? (Bild: LesFilmsPelleas/LesFilmsDePierre)

Anatomie eines Falls

Internationale Bekanntheit erlangte Sandra Hüller mit ihrer Darbietung in Maren Ades gefeierter Tragikomödie "Toni Erdmann" (2016). Einen deutschen Kinostar würden sie wahrscheinlich aber nur wenige nennen. Warum eigentlich? Immerhin gehört sie zu den aufregendsten Schauspielerinnen der Gegenwart. Vielleicht liegt es ganz einfach daran, dass sie sich nicht in den Vordergrund drängt, völlig unprätentiös auftritt, in den Klatschspalten praktisch nie stattfindet und ihr Privatleben sorgsam abschirmt.

Überzeugen kann man sich von ihren vorzüglichen Fähigkeiten einmal mehr im französischen Krimidrama "Anatomie eines Falls" von Justine Triet (Drehbuch, Regie). Die zweite Zusammenarbeit der beiden Frauen - ihre erste war "Sibyl - Therapie zwecklos" (2019) - wurde 2023 bei den Filmfestspielen von Cannes mit dem Hauptpreis, der Goldenen Palme, ausgezeichnet und von der Kritik einhellig gefeiert.

Vielfach gelobt dabei: Hüllers fein austarierte Interpretation einer deutschen Schriftstellerin namens Sandra, die mit ihrem Ehemann Samuel (Samuel Theis) und ihrem seit einem Unfall erblindeten Sohn Daniel (Milo Machado Graner) in den französischen Alpen wohnt. Als Samuel eines Tages am Fuß ihres Hauses tot aufgefunden wird, gerät Sandra ins Visier der Justiz, die sie für eine Mörderin hält. Das ist die Prämisse eines Films, der Gerichts- und Beziehungsdrama geschickt verbindet - und dabei so manche bittere Wahrheit zutage fördert.

Sandra (Sandra Hüller, links) und Sohn Daniel (Milo Machado Graner) stehen vor der Leiche von Samuel (Samuel Theis). Was ist bloß geschehen? (Bild: LesFilmsPelleas/LesFilmsDePierre)
Sandra (Sandra Hüller, links) und Sohn Daniel (Milo Machado Graner) stehen vor der Leiche von Samuel (Samuel Theis). Was ist bloß geschehen? (Bild: LesFilmsPelleas/LesFilmsDePierre)

Mein Sohn, der Soldat

Seinen großen Durchbruch feierte Omar Sy mit dem auf Tatsachen beruhenden Leinwandhit "Ziemlich beste Freunde" (2011), in dem er als unkonventioneller Pfleger eines an den Rollstuhl gefesselten Adeligen für Furore sorgte. Jüngeren Zuschauern dürfte er vor allem als Meisterdieb Lupin in der beliebten Netflix-Serie "Lupin" (seit 2021) bekannt sein.

Dass ihn nicht nur leichte, heitere Stoffe interessieren, beweist der 1978 geborene Sy in Mathieu Vadepieds Kriegsdrama "Mein Sohn, der Soldat". Dort im Fokus: ein eher unbekanntes, düsteres Kapitel der französischen Kolonialgeschichte. Worum es geht, deutet bereits der Originaltitel "Tirailleurs" an. Gemeint sind damit Schützenverbände, in diesem Fall Einheiten im Senegal, die unter anderem während des Ersten Weltkriegs an der Front in Europa kämpfen mussten. Als Sohn eines Senegalesen dürfte Omar Sy das Thema besonders am Herzen liegen.

Der von echten Tirailleurs-Schicksalen inspirierte Film nutzt eine fiktive Vater-Sohn-Geschichte, um vom Schrecken dieser kolonialen Ausbeutung zu erzählen: Weil das französische Heer 1917 dringend Nachschub benötigt, werden in Westafrika kampffähige Männer zwangsrekrutiert, darunter auch der 17-jährige Thierno Diallo (Alassane Diong). Sein von Sy gespielter Vater Bakary meldet sich daraufhin freiwillig und will seinen Sohn aus den Fängen der Armee befreien. Gemeinsam kommen sie nach Frankreich, wo Thierno jedoch in den Bann des Lieutenants Chambreau (Jonas Bloquet) gerät. Ob beide das Grauen des Krieges überleben und in die Heimat zurückkehren können?

Bakary Diallo (Omar Sy, hinten) will seinen zwangsrekrutierten Sohn Thierno (Alassane Diong) vom Schlachtfeld retten. (Bild: Unité/Korokoro/Gaumont/France 3 Cinéma/Mille Soleils/Sypossible Africa/Marie-Clémence David)
Bakary Diallo (Omar Sy, hinten) will seinen zwangsrekrutierten Sohn Thierno (Alassane Diong) vom Schlachtfeld retten. (Bild: Unité/Korokoro/Gaumont/France 3 Cinéma/Mille Soleils/Sypossible Africa/Marie-Clémence David)