Verschwörungstheorien bei Anne Will? SPD-Vize Scholz vergleicht Sahra Wagenknecht mit US-Präsident Trump

Sahra Wagenknecht, Olaf Scholz, Anne Will und Armin Laschet (von links) Foto: Screenshot ARD
Sahra Wagenknecht, Olaf Scholz, Anne Will und Armin Laschet (von links) Foto: Screenshot ARD

Die SPD muss verzweifelt sein. Sehr verzweifelt. Angesichts der Umfragewerte ist das nicht überraschend. Aber wenn sogar der SPD-Vize und Erste Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz, verbal um sich schlägt, dann muss es schlimm stehen um die altehrwürdige Sozialdemokratie. Denn normalerweise spricht Scholz so ruhig und gelassen, wie ein Yoga-Lehrer vom Prenzlauer Berg. Am Sonntagabend indes, in der ARD-Talkshow von Anne Will, schoss Scholz ungewohnt scharf. Und das ausgerechnet gegen einen möglichen Koalitionspartner: Die Linkspartei.

Nun muss man die Linkspartei nicht mögen. Wer – wie 2016 in Berlin geschehen – mit aller Macht einen Mann zum Staatssekretär ernennen will, der seine frühere hauptamtliche Tätigkeit beim Ministerium für Staatssicherheit verschwiegen hat, ist für manche Wähler eine Zumutung. Einige Berliner dürften auch nicht vergessen haben, dass der Linkspartei-Vorläufer PDS als Teil einer rot-roten Landesregierung dafür verantwortlich war, dass das Sozialticket für den Nahverkehr abgeschafft und das Blindengeld gekürzt wurde. Doch wie Olaf Scholz, dessen SPD sich sozialpolitisch ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckert hat (Stichwort „Agenda 2010”), die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht anging, war ein seltsames Schauspiel.

„Reden SPD und Die Linke das Land schlecht?”, wollte Will wissen. Es wurde eine der unterhaltsamsten Gesprächsrunden seit langer Zeit. Wagenknecht erinnerte daran, dass in Deutschland jeder fünfte Beschäftigte im Niedriglohnbereich arbeitet. Sie sagte: „Ich finde es skandalös, dass soviel Menschen einen Abstieg erleben, obwohl die Wirtschaft brummt.” Deutschland habe den größten Niedriglohnsektor Europas und dafür sei die SPD mitverantwortlich.

Scholz vergleicht Sahra Wagenknecht mit Donald Trump

Da platzte Scholz der Kragen. „Sie verbreiten Verschwörungstheorien”, giftete er gegen Wagenknecht und legte nach: „Überall gibt es Leute mit Verschwörungstheorien, Herrn Trump in den USA und Frau Wagenknecht in Deutschland.”

Ein erstaunlicher Vergleich. Denn im Gegensatz zu Trump, der behauptet, der Klimawandel wäre eine Erfindung der Chinesen, ist belegbar, dass viele Menschen trotz Vollzeitjob immer weniger Geld in der Tasche haben. Anne Will sah das ähnlich und griff ihrerseits Scholz an: „Ist das ihr neuer Stil, Herr Scholz”, fragte die Moderatorin, „Sie unterstellen Frau Wagenknecht etwas, ohne es zu begründen?”

Scholz spielte die eingeschnappte Leberwurst. „Wagenknecht denunziert ständig die SPD, aber wir müssen uns von niemanden beleidigen lassen, der in Umfragen auf 7 Prozent der Wählerstimmen kommt.” Kritik als Majestätsbeleidigung? Das kennt man bislang nur von Leuten wie Erdogan oder eben Donald Trump. „Ist die Einführung des Niedriglohnsektors in Deutschland eine Verschwörungstheorie?”, fragte Anne Will. Das sei alles „eine Mär”, brummelte ein offenbar völlig überforderter Scholz und erntete dafür Buh-Rufe aus dem Publikum.

Wenn zwei sich streiten, freut sich Armin Laschet

Einer in der Runde hielt sich auffallend zurück: Armin Laschet. Der CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen sah still und glücklich dabei zu, wie sich die politische Konkurrenz aneinander abarbeitete, statt Wahlkampf gegen seine Chefin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, zu machen. Wenn Laschet etwas sagte, dann solche Sätze: „Die Menschen in Deutschland empfinden es so, dass es gut läuft.” Einerseits eine steile These, angesichts von Umfragen, in denen eine Mehrheit über fehlende Gerechtigkeit klagt. Andererseits wohl genau die richtige Taktik, um die Wahl in vier Wochen zu gewinnen. Am Ende sorgte ausgerechnet Olaf Scholz für eine Überraschung. Der Mann bewies Humor. Er rechne damit, so Scholz, dass Martin Schulz Bundeskanzler wird.

Fazit der Sendung: Sozialdemokraten glauben an Wunder, ihr Hauptgegner ist nicht Merkel, sondern die Linkspartei und deshalb ist eine rot-rot-grüne Koalition ziemlich unwahrscheinlich. Soviel Erkenntnisgewinn ist selten für eine Talkshow. (Autor: Frank Brunner)

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