Wahlen in Russland: Willkommen im Resort von Wladimir Putin

Diese Wahl ist die absurdeste seit dem Zerfall der Sowjetunion

Einer der ersten Wähler: Ein Kadett an einer Wahlurne in Wladiwostok (Bild: REUTERS/Tatiana Meel)
Einer der ersten Wähler: Ein Kadett an einer Wahlurne in Wladiwostok (Bild: REUTERS/Tatiana Meel)

Ein großes Land, Wahlen über Zeitzonen hinweg: In Russland bittet der Präsident zum Urnengang. Das Ergebnis steht freilich schon fest. Denn dem Volk stellt sich Wladimir Putin nicht wirklich. Das sollten wir uns genau anschauen und uns fragen: Wollen wir sowas auch?

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die Spannung steigt im Kreml. Innerlich angespannt blickt der politische Apparat auf die Präsidentschaftswahlen, die heute beginnen und bis Sonntag andauern werden. Doch die Schweißperlen auf der Stirn entstehen im engeren Umkreis von Amtsinhaber Putin nicht ob der Frage, ob er das Votum gewinnen wird. Die wahre Frage lautet, ob es zu einer hohen Wahlbeteiligung kommt. Denn die braucht Putin, um seine Legitimation zu untermauern.

So läuft das in miesen Diktaturen, und in Russland herrscht eine. Hektisch werden Angestellte in Staatsbetrieben von ihren Chefs an die Urnen getrieben werden, es gibt Geschichten von Handybildern, die dann vorgelegt werden sollen. Der Apparat pusht. Denn das Ergebnis steht schon fest, mit 80 Prozent der Stimmen kann Putin rechnen. Und je mehr in SEINEM Reich abstimmen, desto mehr Gewicht wird der Kremlherrscher aus dem Ergebnis abzuleiten versuchen.

Diese Wahl ist die absurdeste seit dem Zerfall der Sowjetunion. Noch nie zuvor hat ein Präsident Russland derart auf Linie gebracht wie Putin – selbst der nicht in den 24 Jahren seiner Herrschaft. Putin legt den Wählern kein Programm vor, er selbst ist das Programm. Er inszeniert sich als Garant des Status quo, den er selbst schuf. Als Arbeitgeber, als Aufpasser, als oberster Papa der Nation. Als Befeuerer feuchter nationalistischer Träume. Echte politische Debatten gibt es in Russland nicht mehr. Die Opposition wurde mit Gewalt ausgeschaltet, echten Kandidaten der Eintrag auf dem Wahlzettel verwehrt.

Ja, es gibt offiziell Gegenkandidaten. Aber die kommen aus der regierungstreuen Ecke – und selbst in ihren Marionettenparteien sahen sich die Mächtigeren nicht zu einer Kandidatur bereit, weil sie sich dadurch nichts versprachen. Daher sind nun No-Names Putins Herausforderer, aus Parteien, die ihm devot dienen. Diese Farce hat mit einer Wahl an sich nichts zu tun.

Wladimir Putin. (Bild: Sputnik/Mikhail Metzel/Pool via REUTERS)
Wladimir Putin. (Bild: Sputnik/Mikhail Metzel/Pool via REUTERS)

Big Putin is watching you

Wäre sie von heute auf morgen total demokratisch, ohne irgendeine Manipulation, würde sie Putin auch gewinnen. Er hat Rückhalt in der Bevölkerung. Man schätzt die Zahl seiner glühenden Anhänger auf ungefähr so groß wie die seiner eindeutigen Gegner. Die Mehrheit dagegen steht unpolitisch da, oder eben distanziert. Von Politik kann man sich in Russland nichts mehr kaufen. Und Putin hat in seinen Diktatorenjahren dafür gesorgt, dass man sich besser keine Gedanken über ihn öffentlich macht. Und irgendwann hört man damit auch im Inneren auf. Bringt ja doch nichts. Das ist Russland im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts. Ein Trauerspiel.

Natürlich sind aus dem Ausland keine Wahlbeobachter der OSZE zugelassen. Das ist eine verstetigte Staatenkonferenz zur Friedenssicherung, und sie hat Erfahrung in der Überprüfung von Urnengängen. Doch Russlands Regierung geht lieber den Weg der nützlichen Idioten, und da sind wir bei der deutschen AfD.

Drei Abgeordnete des bayerischen Landtags haben sich nach Russland aufgemacht. Die AfD-Politiker sagen, sie seien als „Experten für Demokratie“ eingeladen worden. Sie labern dann noch von Diplomatie und so; dabei waren sie zum Teil schon 2018 vor Ort und lobten die Pseudowahl als geheim und frei. Wie man dort hinschaut und zu solch einem Ergebnis kommt, bleibt mir schleierhaft, besonders, wenn man ein „Experte für Demokratie“ ist. Der Bundesverband der AfD ist übrigens nicht erfreut über diese Reise. Das ist dann doch eine Spur zu viel. Aber vorsorglich hat Russland die AfD-Parlamentarier privat eingeladen.

Maßstäbe im Schlechten

Von daher sollten wir alle genau hinschauen. Wollen wir solche Urnengänge auch hierzulande? Es gibt sie ja, die Putin-Fanboys in westeuropäischen Staaten. Da wären Matteo Salvini in Italien, Viktor Orbán in Ungarn oder Geert Wilders in den Niederlanden. Allen drei gemeinsam ist, dass sie gern wie Putin „für das Volk“ oder „im Namen des Volkes“ sprechen, und dies dann mit gespaltener Zunge. Insgeheim finden sie an Putin toll, wie der seine Wähler auf seinen vorgegebenen Mainstream erfolgreich eingeschworen hat und sich deshalb echter demokratischer Kontrolle nicht mehr stellen muss. Das hätten die wohl auch gern.

Und daher hört man aus diesen Ecken wenig Kritik an all den mannigfaltigen Manipulationsversuchen der russischen Regierung in den westlichen Ländern. Da streuen russische Staatsmedien Lügen über Lügen, werden Trollarmeen beschäftigt, welche die Sozialen Medien zu kapern versuchen. Putin als ehemaliger Geheimagent zieht Macht aus Spaltung. Er will alle um sich herum verunsichern, auch die Nachbarstaaten. Und uns bleibt die Wahl: Entweder lassen wir ihn weiterspielen. Oder wir setzen Grenzen auf.