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Es war nicht alles schlecht: Das sind die TV-Highlights des Jahres 2022

Das TV-Jahr 2022 geht zu Ende: An welche Filme, Serien oder Doku-Events erinnern wir uns - und warum?

Krisen und Krieg, Talks und bad News ohne Ende sowie eine Fußball-WM, die aus deutscher Sicht aus unterschiedlichen Gründen wenig ruhmreich war - so wird vielen vermutlich das Jahr 2022 in Erinnerung bleiben. Doch was das scharf kritisierte Fernsehen angeht, gab es auch viel Gutes. Wir blicken auf die TV-Highlights 2022 zurück - es begann im Januar mit einer sehr talentierten Schauspielerin, die früher mal Tänzerin werden wollte: Svenja Jung übernahm in

Das Fernsehjahr 2022 war eines, in dem - wie erwartet - Streaming-Dienste und Pay-TV weiter aufrüsteten und den etablierten TV-Sendern vor allem im Bereich Fiction zu schaffen machten. Zudem war das Fernsehen im Jahr 2022 erneut geprägt von weltweiten Krisen und nicht zuletzt auch vom Krieg in der Ukraine, dazu bestimmten die heftig diskutierten sportlichen Großevents, Olympia in Peking und Fußball-Weltmeisterschaft in Katar, das Programm. Das Informationsangebot der Sender war entsprechend stark nachgefragt - bad News und große Kontroversen allenthalben. Trotzdem gab es in den vergangenen zwölf Monaten im Rückblick auch überraschend viele TV-Highlights zu bestaunen, die nicht nur, aber eben auch dem Eskapismus in anstrengenden Zeiten dienten. Alles in allem zeigte das vielfach kritisierte deutsche Fernsehen auch 2022, was es kann. Wir blicken noch einmal auf die 20 besten Programme - die Sendungen, die Sie im vergangenen Jahr gesehen haben sollten.

Im ZDF-Dreiteiler
Im ZDF-Dreiteiler "Der Palast" kämpfen die Friedrichstadt-Palast-Tänzerinnen Chris (Svenja Jung, links) und Bettina (Luise Befort) um eine Hauptrolle. Doch bald wird Chris Teil einer noch größeren "Show": Die junge DDR-Künstlerin entdeckt, dass sie eine Zwillingsschwester im Westen hat. (Bild: ZDF / Julia Terjung)

Der Palast (ZDF)

Event-Fernsehen mit historischem Anspruch - das hatte auch 2022 Konjunktur im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Das Jahr begann mit dem ZDF-Dreiteiler "Der Palast", in dem lediglich die Jahre 1988 und 1989 des Friedrichstadt-Palasts erzählt wurden, als ein neuer Wind und das Ende der alten DDR im Programm des "Las Vegas des Ostens" bereits zu spüren war. Die Story kulminierte um Chris Steffen (Svenja Jung), Tänzerin in der berühmten "Girl Line" im Friedrichstadt-Palast. Sie steht plötzlich ihrer unbekannten Zwillingsschwester aus Westdeutschland gegenüber: Unternehmertochter Marlene Wenninger (ebenfalls Svenja Jung) ist aus Bamberg nach Ost-Berlin gekommen, um für ihr Familienunternehmen Verhandlungen mit dem DDR-Außenhandelsministerium zu führen.

Reinhard Heydrich, brillant gespielt von Philipp Hochmair, war Chef des Reichssicherheitshauptamts, der Sicherheitspolizei und des SD. Er sitzt

Die Wannseekonferenz (ZDF, noch bis 24. Januar in der Mediathek)

Der vielleicht beste und - noch ein bisschen mehr - wichtigste Fernsehfilm des Jahres lief bereits früh: am 24. Januar 2022. Matti Geschonneck inszenierte nach Original-Gesprächsprotokollen des 20. Januars 1942 eine "Kaffeerunden des Bösen": 15 Männer, Nazi-Funktionäre und deutsche Verwalter, saßen zusammen, um die "Endlösung der Judenfrage" zu erörtern. Vom später als Wannseekonferenz berühmt gewordenen Treffen überlebte ein Protokoll und damit ein Zeugnis des menschenverachtenden Orga-Treffens. Zum 80. Jahrestag erschuf das ZDF eine kühl-präzise Neuverfilmung des schon mehrfach adaptierten Reality-Stoffes, dessen enorme Wucht ganz ohne melodramatische Mittel lange nachhallt.

Nach seinem Tour-de-France-Sieg schrieb Jan Ullrich nur noch selten positive Schlagzeilen. Die brillante ARD-Dokuserie
Nach seinem Tour-de-France-Sieg schrieb Jan Ullrich nur noch selten positive Schlagzeilen. Die brillante ARD-Dokuserie "Being Jan Ullrich" beschrieb im Sommer 2022 Aufstieg und Fall des deutschen Radhelden. (Bild: Phil Cole / Allsport / Getty Images)

Being Jan Ullrich (ARD, noch in der Mediathek)

Im Sommer 2022 veröffentlichte das Erste die wohl beste Doku-Serie des Jahres - in der Mediathek. Allein in den ersten zwei Wochen wurden die fünf Folgen à 45 Minuten über Aufstieg und tiefen Fall des deutschen Radsport-Helden 2,5 Millionen-mal gestreamt. Danach schauten noch mal 1,4 Millionen linear zu - bei einer nächtlichen Ausstrahlung! Die Geschichte des einzigen deutschen Tour de France-Siegers (1997) ist klug erzählt und menschlich zutiefst berührend. Interessant ist am Rande auch, dass Jan Ullrich selbst für die Serie keine Interviews gab. Der erzählt seine Lebens-Story nun lieber bei Amazon. Das Problem: Besser als "Being Jan Ullrich" kann eine Doku nicht mehr werden. Und das gilt sogar, wenn man sich bisher null für Radsport oder die Figur Jan Ullrich interessierte. Doku-Fernsehen, das völlig neue Perspektiven öffnet!

David Nawraths sechsmal 45 Minuten langes Meisterwerk
David Nawraths sechsmal 45 Minuten langes Meisterwerk "Euer Ehren" zeigte Sebastian Koch (rechts) in den österreichischen Bergen als ehrenwerten Richter. Wegen eines vertuschten Autounfalls seines Sohnes (Taddeo Kufus) kommt er vom rechten Weg ab. (Bild: ARD Degeto / ORF / SquareOne Productions/Mona Film / Andreas H. Bitesnich)

Euer Ehren (ARD)

Sie finden, es gab zu viele deutsche Krimis 2022? Sicher richtig, aber zumindest einen deutschen Krimi sollte man unbedingt gesehen haben: David Nawraths sechsmal 45 Minuten langes Meisterwerk "Euer Ehren", das Sebastian Koch in den österreichischen Bergen als ehrenwerten Richter zeigt. Wegen eines vertuschten Autounfalls seines Sohnes kommt er vom rechten Weg ab und löst ein - in sich absolut schlüssiges - Ereignis-Kaleidoskop im Stile einer griechischen Tragödie aus. Manche Kritiker befanden sogar, die deutsch-österreichische Produktion mit weiteren tollen Stars wie Tobias Moretti und Paula Beer war besser als die - auch nicht schlechte - amerikanische Adaption " Your Honour" mit "Breaking Bad"-Star Bryan Cranston dieser ursprünglich aus Israel stammenden Plot-Idee. Muss man erst mal schaffen!

Carlo Ljubek und Judith Bohle als Psychotherapeuten in Caroline Links erster TV-Arbeit, der ZDFneo-Serie
Carlo Ljubek und Judith Bohle als Psychotherapeuten in Caroline Links erster TV-Arbeit, der ZDFneo-Serie "Safe". Darin wird der Alltag einer Berliner Praxis für Kinder- und Jugendpsychotherapie beschrieben. Vier jungen Patientinnen und Patienten zwischen sechs und 15 Jahren werden abwechselnd begleitet. (Bild: ZDF / Julia von Vietinghoff)

Safe (ZDFneo, noch in der Mediathek)

Die Psychotherapie-Erzählung "Safe" (ZDFneo und ZDF Mediathek) war die vielleicht beste "kleine" Serie des Jahres. Ein wahres Wunderwerk an Authentizität und Wärme, in dem Caroline Link ("Der Junge muss an die frische Luft") über achtmal 45 Minuten von vier jungen Patienten zwischen sechs und 15 Jahren aus einer Berliner Praxis im Grünen erzählt. Hier wird Kindern und Jugendlichen von zwei Psychotherapeuten (Carlo Ljubek und Judith Bohle) geholfen. Klingt problembeladen, deprimierend? Das Gegenteil ist der Fall: Die erste TV-Arbeit der Oscar-Preisträgerin ("Nirgendwo in Afrika") beobachtet mit viel Ruhe und Zeit den liebevollen Umgang von Menschen miteinander und ist damit ein echtes Lebensbejahungs-Programm. Dazu kommt: Noch nie hat man Kinder und Jugendliche in einem fiktionalen Programm authentischer vor der Kamera gesehen. Eine ungewöhnliche und faszinierende Serie, von dem jeder mal "gekostet" haben sollte.

Schockabgang des Jahres 2022: Anna Schudts Dortmunder

Der beste "Tatort" des Jahres 2022? (ARD und in der Mediathek)

Über Geschmack lässt sich schlecht streiten. Demzufolge dürfe auch die Frage nach dem besten "Tatort" des Jahres objektiv nur schwer zu beantworten sein. Hier ein Ranking nach der Meinung unserer "Tatort"-Redaktion - aus Sicht des Filmkritikers: Mark Waschkes irre ausgedachter Solo-Trip "Das Opfer" (Berlin, 18.12.), die spannende Studie einer ungewöhnlichen Frau "Die Blicke der Anderen (Schwarzwald, 6.11.), die grandiose Autounfall-Schuldgeschichte "Der Mörder in mir" (Stuttgart, 18.9,), der ungewöhnliche Demenz-Krimi "Flash" (München, 19.6.), Meret Beckers Abschiedsfolge "Das Mädchen, das allein nach Haus' geht" (Berlin, 22.5.), der wunderbar traurige Faschingsfilm "Kehraus" (München, 27.2.), "Liebe mich!" (Dortmund, 20.2.) wegen Anna Schudts Schock-Abgang und schließlich, ganz vorne auf der Liste, der grandios stimmungsvolle Schauspielermord-Fall "Vier Jahre" (6.2., Köln) - das waren die vielleicht filmisch besten Folgen des deutschen Krimiklassikers im abgelaufenen Jahr.

Düsterer Blick in eine nicht allzu ferne Zukunft: Der Journalist Johann Hellström (Tobias Moretti) wurde mit einem Schreibverbot belegt. (Bild: ARTE / Wüste Medien / Andreas Schlieter)
Düsterer Blick in eine nicht allzu ferne Zukunft: Der Journalist Johann Hellström (Tobias Moretti) wurde mit einem Schreibverbot belegt. (Bild: ARTE / Wüste Medien / Andreas Schlieter)

Das Haus (ARD)

Düsterer Blick in eine nicht allzu ferne Zukunft: Der Fernsehfilm spielt im Jahr 2029. Sieben Jahre noch also, dann könnte unsere Welt so aussehen wie jene, die sich die Drehbuchschreiber Patrick Brunken und Rick Ostermann sowie der Journalist Dirk Kurbjuweit ausgedacht haben. Man will es nicht hoffen. Auch wenn das Setting zunächst einmal unfassbar attraktiv erscheint: Wie so oft im deutschen Fernsehen steht auch hier ein Traum von einem Designer-Haus aus Sichtbeton für das nahende Grauen. Große Fenster, Pool, Sauna - und dann diese Lage! Aber das Haus ist eben auch von einer Betonkälte geprägt, die die Emotionen ihrer Bewohner aufgesogen zu haben scheint. Johann Hellström (Tobias Moretti) hat sich mit seiner Frau Lucia (Valery Tscheplanowa) hierher geflüchtet, weitab von jeglicher Zivilisation. Johann ist Journalist, beziehungsweise er war es, denn man hat ihn mit einem Schreibverbot belegt. Deutschland im Jahre 2029, das ist ein Land fest im Griff einer rechten Regierung, die sämtliche Flüchtlinge rückwirkend abschieben möchte und die nun, bei den anstehenden Wahlen, auf eine absolute Mehrheit zusteuert ...

Die Flugschau-Katastrophe von Ramstein 1988: Amerikanische Soldaten bemühen sich, die Verletzten so schnell wie möglich in Kliniken zu bringen. Doch vieles ist damals schief gegangen. (Bild: SWR / FFP New Media / Marc Bossaert)
Die Flugschau-Katastrophe von Ramstein 1988: Amerikanische Soldaten bemühen sich, die Verletzten so schnell wie möglich in Kliniken zu bringen. Doch vieles ist damals schief gegangen. (Bild: SWR / FFP New Media / Marc Bossaert)

Ramstein - Das durchstoßene Herz (ARD, noch bis 26. Februar in der Mediathek)

Am Sonntag, 28. August 1988, kamen im pfälzischen Ramstein 70 Menschen auf der gleichnamigen US Air Base während einer Flugschau ums Leben. Eine italienische Kunstflugstaffel war nur 50 Metern über den Zuschauern zusammengestoßen. Hunderte wurden verletzt, viele von ihnen schwer. Dass der ARD-Film "Ramstein - Das durchstoßene Herz" wenig Raum für Helden bot, entpuppte sich als große Stärke. Mosaikhaft wurden Geschichten von Opfern, Hinterbliebenen, Augenzeugen und Helfern erzählt. Trystan Pütter und Elisa Schlott verkörperten zwei deutsche Ermittler, die versuchten, in Gesprächen mit Verantwortlichen Details und mögliche Fehler zu klären. Jan Krauter spielte einen Notarzt, der die Opfer behandelte. Die SWR-Meditation über menschliches Leid wirft Zuschauende auf existenzielle Fragen des Lebens zurück: Was bleibt, wenn alles anders ist? Wie können wir uns nach schwersten Schicksalsschlägen selbst helfen und helfen lassen?

Margot und Erich Honecker, gespielt von Edgar Selge und Barbara Schnitzler, bitten um Asyl im Pfarrhaus.
 (Bild: ZDF/Conny Klein)
Margot und Erich Honecker, gespielt von Edgar Selge und Barbara Schnitzler, bitten um Asyl im Pfarrhaus. (Bild: ZDF/Conny Klein)

Honecker und der Pastor (ZDF, noch in der Mediathek)

Es ist eine der bemerkenswertesten Episoden der Wendezeit - und war bislang doch weitgehend unbekannt: Nachdem der Mauerfall 1989 das Ende der DDR besiegelt hatte, fanden sich der ehemalige Machthaber Erich Honecker und seine Frau Margot plötzlich auf der Straße wieder. Die Funktionärssiedlung in Wandlitz war aufgelöst, die SED-Genossen um Hans Modrow wollten dem Ehepaar keine sichere Unterkunft bereitstellen. Nur einer zeigte Erbarmen, wortwörtlich: Ausgerechnet ein evangelischer Pastor gewährte im Januar 1990 jenen Unterkunft, die jahrzehntelang auch für die Unterdrückung der Kirche verantwortlich waren. Wie die gläubige Familie die überzeugten Sozialisten im brandenburgischen Pfarrhaus aufnahm und damit vor dem weltgeschichtlichen Chaos draußen beschützte, hat kein Geringerer als Jan Josef Liefers in der ZDF/ARTE-Koproduktion "Honecker und der Pastor" verfilmt. Margot und Erich Honecker wurden von Edgar Selge und Barbara Schnitzler gespielt.

Julia Franz Richter spielt eine junge Polizistin, die sich in ihrem Eifer nicht von der Lösung des traurigen Falles lösen kann. Richter gewann 2020 den Schauspielpreis bei der österreichischen Filmschau
Julia Franz Richter spielt eine junge Polizistin, die sich in ihrem Eifer nicht von der Lösung des traurigen Falles lösen kann. Richter gewann 2020 den Schauspielpreis bei der österreichischen Filmschau "Diagonale" für ihre Rolle in dem Vergewaltigungsdrama "Der Taucher". (Bild: ZDF / Julia Dragosits)

Vier (ZDF)

In diesem Im zweiten ORF-"Landkrimi" aus Niederösterreich ermitteln die strenge LKA-Kommissarin Marion Reiter (Regina Fritsch) und die unerfahrene Ortspolizistin Ulli Herzog (Julia Franz Richter) in einem besonders gruseligen Fall. Das Hochwasser in Krumau schwemmt in einem Keller drei Kinderskelette hervor. Das grausige Szenario legt die Basis für einen fulminanten Thriller, der zu Jahresbeginn im ZDF ausgestrahlt wurde. Die Leichen mussten vor zehn bis 15 Jahren vergraben worden sein. Die Dorfbewohner berichten denn auch von einer ungelittenen Familie, deren Mutter eines Tages verschwand, als sich der Vater erhängte ... - So viel Tragisches kann in einem Krimi leicht zu viel werden und aus dem Ruder laufen. Doch die Autorenregisseurin Marie Kreutzer umgeht mit subtiler Dialogführung und in sensiblen Bildern jede Peinlichkeit. So fesselnd kann Fernsehen sein!

Julia (Barbara Auer) und ihr Mann Patrick (Fritz Karl) versuchen, ihre Ehe zu retten. (Bild: SWR, Bernd Spauke, Hager Moss Film GmbH)
Julia (Barbara Auer) und ihr Mann Patrick (Fritz Karl) versuchen, ihre Ehe zu retten. (Bild: SWR, Bernd Spauke, Hager Moss Film GmbH)

Sugarlove (ARD)

Auch nach 32 gemeinsamen Jahren führen Patrick (Fritz Karl) und Julia (Barbara Auer) eine Vorzeigeehe. Zumindest auf den ersten Blick. Denn Liebe allein reicht Patrick nicht, er braucht Sex. Auf den muss er jedoch meistens verzichten, weil Julia schlichtweg keine Lust mehr hat. "Das Begehren verändert sich nun mal mit den Jahren. Beim einen mehr, beim anderen weniger", weiß Julia als Psychotherapeutin. Doch davon will ihr Mann nichts hören. Für Julia steht fest: Ein Plan muss her, die Beziehung gerettet werden. Eine Webseite mit dem Titel "Sugarlove", welchen auch dieser im Auftrag vom SWR produzierte Thriller (Erstausstrahlung: April 2022) trägt, scheint schließlich die ideale Lösung zu bieten: Patrick soll sich ein "Sugarbaby" suchen...

In Thilo Mischkes (links) Reportage zählt auch Ex-Bundeswehrsoldat Sven zu den Protagonisten. Bei seiner Rückkehr nach Afghanistan muss er erkennen, dass seine Einsätze sinnlos waren. (Bild: ProSieben)
In Thilo Mischkes (links) Reportage zählt auch Ex-Bundeswehrsoldat Sven zu den Protagonisten. Bei seiner Rückkehr nach Afghanistan muss er erkennen, dass seine Einsätze sinnlos waren. (Bild: ProSieben)

ProSieben THEMA. Afghanistan im Griff der Taliban (ProSieben und bei Joyn)

Von Jenke von Willmsdorff bis Günther Wallraff: Reportage-Fernsehen mit persönlichem "Presenter"-Ansatz hatte 2022 mehr denn je Konjunktur. Ein Genre, in dem sich auch in diesem Jahr der ProSieben-Investigativ-Journalist Thilo Mischke besonders hervortag. Im August legte er unter dem Titel "Afghanistan im Griff der Taliban" ein packendes Stück über die Verhältnisse in einem gebeutelten Land vor und machte dabei deutlich, was all das auch mit uns zu tun hat. Afghanen, die von einem stabilen, modernen Staat träumten, wurden vor den Augen der Welt im Stich gelassen. Die religiösen Kämpfer der Taliban mischen alte afghanische Traditionen mit einer eigenwilligen Deutung des Islam. Frauenrechte sind längst passé, Kritiker werden mundtot gemacht. Mischke und sein Team fuhren im Neunsitzer durchs Land - ohne kugelsichere Westen, ohne gepanzerten Wagen. Der Reporter geht der Frage nach, wie sich die Lebensrealität der Einheimischen seit dem Machtwechsel verändert hat und begleitet einen Ex-Bundeswehrsoldaten bei seiner Rückkehr. An Checkpoints bekam er öfter die Worte "Vor einem Jahr hätte ich dich abgeknallt" zu hören.

Als die Nationalsozialisten das Rheinhotel zu einem ihrer Stützpunkte erklären, muss Emil (Jonathan Berlin, links) seine eigenen Prinzipien verraten. Historisches Event-Fernsehen hatte auch 2022 Konjunktur. (Bild: ARD Degeto/SWR/WDR/Zeitsprung Film/Krzysztof Wiktor)
Als die Nationalsozialisten das Rheinhotel zu einem ihrer Stützpunkte erklären, muss Emil (Jonathan Berlin, links) seine eigenen Prinzipien verraten. Historisches Event-Fernsehen hatte auch 2022 Konjunktur. (Bild: ARD Degeto/SWR/WDR/Zeitsprung Film/Krzysztof Wiktor)

Das Weiße Haus am Rhein (ARD, nur noch kurz in der Mediathek)

Bis heute zählt das Rheinhotel Dreesen zu den bekanntesten Gasthäusern Bonns. Das Erste erzählte die geschichtsträchtige Vergangenheit der Familie Dreesen in einem bewegenden Zweiteiler nach. Es schmerzte beim bloßen Zusehen, wie der von Jonathan Berlin brillant verkörperte Juniorchef des Hauses, in dem auch Hitler verkehrte, zunehmend seine eigenen Prinzipien aufgibt. Event-Fernsehen mit historischem Anspruch - das war, ist und bleibt eine große Stärke des öffentlichen-rechtlichen Fernsehens.

In Güstrow sucht die ARD-Journalistin Jessy Wellmer das Gespräch mit ihren Eltern: Wie denken sie über Putin und seinen Angriff auf die Ukraine? (Bild: NDR / Jan Müller)
In Güstrow sucht die ARD-Journalistin Jessy Wellmer das Gespräch mit ihren Eltern: Wie denken sie über Putin und seinen Angriff auf die Ukraine? (Bild: NDR / Jan Müller)

Die Story im Ersten: Russland, Putin und wir Ostdeutsche" (ARD, noch in der Mediathek)

Es war ein Fernsehabend wie aus dem Lehrbuch für informatives öffentlich-rechtliches Doku-Fernsehen: Für "Die Story im Ersten: Russland, Putin und wir Ostdeutsche" begab sich die bekannte "Sportschau"-Moderatorin Jessy Wellmer auf eine persönliche Recherchereise: In ihrer Heimatstadt Güstrow und anderen Städten wollte sie herausfinden, wie die Ostdeutschen wirklich über den Ukraine-Krieg denken. Die im Oktober im Ersten gesendete Story brachte vielleicht nichts Neues ans Licht, aber hier wurde endlich einmal genauer hingesehen und hingehört bei der Frage, woher all die Wut kommt. "Viele Ostdeutsche haben den Eindruck, dass ihnen seit 30 Jahren niemand zuhört", sagte Wellmer im Interview. Direkt nach der Ausstrahlung diskutierte Wellmer auch in Frank Plasbergs "Hart aber fair"-Talk zum Thema "Eine Frage der Herkunft: Warum sehen Ost- und Westdeutsche Russlands Krieg so anders?" mit. Auch hier ging es nicht um Konfrontotion, sondern um Erklärungsversuche und Antworten. So muss das sein - auch wenn es nicht immer leicht fällt.

Jede hat mehr Geheimnisse, als ihr guttun: Anke Ritter (Anneke Kim Sarnau), Sarah Reimers (Mina Tander), Karen Holt (Franziska Hartmann), Marie Klein (Peri Baumeister) (von links). (Bild: ZDF / Georges Pauly)
Jede hat mehr Geheimnisse, als ihr guttun: Anke Ritter (Anneke Kim Sarnau), Sarah Reimers (Mina Tander), Karen Holt (Franziska Hartmann), Marie Klein (Peri Baumeister) (von links). (Bild: ZDF / Georges Pauly)

Neuland (ZDF, noch in der Mediathek)

Eine Soldatin als Ersatzmutter? Und das in ihrem Heimatort, wo jeder vorgibt, etwas zu sein, was er gar nicht ist? - Berufssoldatin Karen Holt (Franziska Hartmann) kommt, aus Mali zurück, um in einem norddeutschen Provinznest, den Dingen auf den Grund zu gehen. "Neuland" erzählt in moderner Serienmanier von alltäglichen Abgründen und immer wieder auch von Dingen, die beim genauen Hinsehen etwas anders sind, als man glaubt - und jeder, der zusieht, fühlt sich auf die ein oder andere Art berührt, wenn nicht sogar ertappt. Für Autor Orkun Ertener waren vor allem die Fragen entscheidend, wie sich unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten verändert hat, welche neuen Rollenbilder entstanden sind und was der immer stärker werdende Drang zur Perfektion gerade auch unter den wachenden Augen der Social Media für Auswirkungen hat. "Fehler zu machen, wird schwieriger", resümiert er. Inszeniert wurde das komplett in Hamburg gedrehte "Neuland", das ein ganz klein wenig an die guten alten ZDF-Weihnachtssechsteiler erinnert, von Jens Wischnewski ("Gefährliche Wahrheit").

Die Wertschätzung für die Arbeit der deutschen Soldatinnen und Soldaten ist wieder stark gestiegen. Kabel Eins schaute umfassend hinter die Kulissen. (Bild: Kabel Eins / Adobe Stock)
Die Wertschätzung für die Arbeit der deutschen Soldatinnen und Soldaten ist wieder stark gestiegen. Kabel Eins schaute umfassend hinter die Kulissen. (Bild: Kabel Eins / Adobe Stock)

Unsere Bundeswehr: Missionen, Menschen, Emotionen (Kabel Eins und bei Joyn)

Das Bild der Bundeswehr wandelt sich. Und in Zeiten akuter Krisen und Bedrohungen hat sich zuletzt auch die Wertschätzung für "die Truppe" stark erhöht. So lässt sich womöglich auch die neue Offenheit erklären, die zur exklusiven Zusammenarbeit bei der vierteiligen Kabel Eins-Dokumentation "Unsere Bundeswehr: Missionen, Menschen, Emotionen" geführt hat. Das Format gewährte Einblicke in den Alltag von deutschen Soldatinnen und Soldaten und erzählte von der Notwendigkeit der angestoßenen Modernisierungsprozesse, die die Landesverteidigung rasch wieder schlagkräftiger machen sollen. Auf das neue Dokuprojekt ist Kabel-Eins-Senderchef Marc Rasmus besonders stolz. "Wir drehen seit Jahren mit allen möglichen Polizei- Einheiten", sagte er im Vorfeld der Ausstrahlung. "Aber man geht eben nicht einfach zur Bundeswehr, um dort zu drehen! Das war praktisch ein Blindflug, wir konnten keine Treatments abnehmen oder vorab ein Casting sehen. Umso stolzer bin ich, dass wir das gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von Story House so gut hinbekommen haben." Das Format kam im Herbst genau zur richtigen Zeit.

In der ARD-Dokumentation
In der ARD-Dokumentation "Trump, Biden, meine US-Familie und ich" besucht Ingo Zamperoni unter anderem die berühmte Mauer, mit der Donald Trump die USA vor illegalen Einwanderern aus Mexiko schützen wollte. (Bild: NDR / Martin Kobold)

Trump, Biden, meine US-Familie und ich (ARD, noch in der Mediathek)

Zwei Jahre nach seiner letzten USA-Dokumentation bereiste Ingo Zamperoni das Land erneut. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Zwischenwahlen fragte er in der im Herbst ausgestrahlten ARD-Dokumentation "Trump, Biden, meine US-Familie und ich": Ist die amerikanische Demokratie in Gefahr? Die Antwort lautet: Es ist kompliziert. "Es ist eine Zwickmühle", bilanzierte Ingo Zamperoni nach den 45 Minuten: "Was meinen New Yorker Freunden viel zu wenig Fortschritt ist, ist anderen in meiner amerikanischen Familie viel zu viel." An das Ende der amerikanischen Demokratie wollte er dennoch nicht glauben: "Vielleicht ist sie nicht am Ende, sondern einfach nur unvollendet."

Kaum zu ertragen, und doch absolut sehenswert: Andreas V., einer der Täter von Lügde, kaufte ein Pferd, um das Vertrauen der Kinder für sich zu gewinnen. Das Vertrauen der Behörden hatte er trotz früherer Akteneinträge aber auch. (Bild: ZDF / Mona Eing)
Kaum zu ertragen, und doch absolut sehenswert: Andreas V., einer der Täter von Lügde, kaufte ein Pferd, um das Vertrauen der Kinder für sich zu gewinnen. Das Vertrauen der Behörden hatte er trotz früherer Akteneinträge aber auch. (Bild: ZDF / Mona Eing)

Die Kinder von Lügde - Alle haben weggesehen (ZDF, noch in der Mediathek)

Gleich vier Teile für ein Dokuthema - das ist auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine absolute Seltenheit. Aber der Mehrteiler "Die Kinder von Lügde - Alle haben weggesehen", der im Herbst im ZDF ausgestrahlt wurde und noch in der Mediathek zu finden ist, ist um keine Minute zu lang - auch wenn das Ganze schwer erträglich ist. Es geht um den Prozess, der Wellen schlug - auch weil im Zuge der Verhandlung immer mehr über die Hintergründe einer unfassbaren Tat bekannt wurde: Im September 2019 wurden vor dem Landgericht Detmold zwei Männer wegen "schweren sexuellen Kindesmissbrauchs in 200 Fällen" zu langen Freiheitsstrafen verurteilt. Die Angeklagten hatten mehrheitlich im abgeschirmten Wohnmobil eines Dauercampers auf dem Campingplatz Eichenau bei Lügde zumeist Kinder im Kindergarten- und Vorschulalter missbraucht und vergewaltigt. Schon 2008 hatte es erste Hinweise gegeben, so kam bei der Arbeit eines 2019 einberufenen parlamentarischen Untersuchungsausschusses heraus. "Nach wie vor fällt es schwer, das Geschehen in Worte zu fassen", sagte die Vorsitzende Richterin in ihrer Urteilsbegründung, auch Worte wie "abscheulich, monströs, widerwärtig" genügten nicht, um das Geschehene zu beschreiben. Es bleibe nur noch Fassungslosigkeit. Die Produktion geht der Frage nach, wie es möglich sein konnte, dass zwei Männer auf einem öffentlichen Campingplatz inmitten anderer Camper über viele Jahre hinweg mindestens 32 Kinder vergewaltigen und dabei zum Teil filmen konnten.

Auf ihrer Reise für die Dokumentation
Auf ihrer Reise für die Dokumentation "Arabiens Traum von der Zukunft" trifft Golineh Atai einheimische Künstler wie Hisham Binjabi. (Bild: ZDF / Nadja Kölling)

Arabiens Traum von der Zukunft (ZDF, noch in der Mediathek)

Es war ohne Frage die umstrittenste Fußball-Weltmeisterschaft aller Zeiten: Die Entscheidung der FIFA, eines der wichtigsten Sportereignisse der Welt ausgerechnet in dem islamisch geprägten Wüstenstaat Katar stattfinden zu lassen, sorgte bereits Monate vor der offiziellen Eröffnungszeremonie für laute Kritik aus vielen Teilen der Welt: Je näher die Eröffnungsfeier am 20. November rückte, umso mehr wurde über fehlende Menschenrechte, insbesondere in Bezug auf Angehörige der LGBTQI+-Gesellschaft berichtet. Vor dem Hintergrund dieser Kritik leistete der zweiteilige Beitrag der ZDF-Korrespondentin Golineh Atai Herausragendes, weil er sich eben nicht nur auf die WM und die Verhältnisse im Gastgeberland fokussierte, sondern jede Menge Kontext und Hintergrund mitlieferte. Atai wollte nach eigenem Bekunden mehr über das Leben in Katar und den angrenzenden Ländern erfahren. Für ihre ZDF-Dokumentation "Arabiens Traum von der Zukunft" reiste sie deshalb zunächst in den Oman und weiter nach Saudi-Arabien. Anschließend über Kuwait bis nach Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Unterwegs traf sie Einheimische, die in verschiedenen Wirtschaftssektoren der mehr und mehr florierenden Staaten arbeiten. Es entstand ein Film, der bei aller Kritik auch voller Herzlichkeit und aufschlussreichen Perspektiven war.

Henning Baum als Matti Adler in der Miniserie
Henning Baum als Matti Adler in der Miniserie "Der König von Palma" bei RTL. Der 49-Jährige spielt einen "Goldgräber" des Jahres 1990 am Strand von El Arenal. Kurz nach der deutschen Wiedervereinigung will der von seinem Leben in Deutschland gelangweilte Familienvater als Ballermann-Wirt und Partymacher durchstarten. (Bild: RTL / Pep Bonet)

Der König von Palma (RTL und bei RTL+)

"Der letzte Bulle" hat wieder zugeschlagen: Henning Baum erschuf als Matti Adler in der Miniserie "Der König von Palma" bei RTL wieder einmal eine echte Marke. Der inzwischen 50-Jährige spielt einen "Goldgräber" des Jahres 1990 am Strand von El Arenal. Kurz nach der deutschen Wiedervereinigung will der von seinem Leben in Deutschland gelangweilte Familienvater als Ballermann-Wirt und Partymacher durchstarten ... Gute Nachricht für alle Fans des eigenwilligen Kneipiers: Die Dreharbeiten für Staffel 2 von "Der König von Palma" laufen.