"Es war mir eine Ehre": So verabschiedete sich Anne Will vom ARD-Publikum
Sie hat in 553 Talk-Ausgaben mehr als 1.300 Gesprächsgäste begrüßt. Nun verabschiedete sich Anne Will nach 16 Jahren als ARD-Polittalkerin - und fasste in ihrer letzten Sendung zusammen, "was in diesem Jahr an großen Krisen passiert ist". Lob gab es unter anderem von Vizekanzler Robert Habeck.
Ihr konnte man als Gast kaum mit einem menschlichen Ablenkungsmanöver imponieren: Ob ein kleiner Scherz am Rande, ausweichende Floskeln oder eine abwehrende Haltung - Anne Will entlockte schließlich allen eine sachliche Einschätzung. Die 57-Jährige - eine der wohl bedeutendsten Journalistinnen im deutschen Fernsehen - verabschiedete sich am Sonntag nach 16 Jahren mit einer letzten Polittalk-Runde "Anne Will". Eine klare Richtung war der ARD-Talkerin immer wichtig. Ausgerechnet in der letzten Ausgabe ihres Formats suchte man danach jedoch vergeblich.
Gekleidet ganz in Schwarz, wohl ein Symbol der globalen Krisenstimmung, warf Anne Will zu Beginn eine fast philosophische Frage in den Raum: "Die Welt in Unordnung: Ist Deutschland den Herausforderungen gewachsen?". Die Gäste des Abends wurden damit in einen schier endlosen intellektuellen Diskussionsraum geworfen.
Habeck blieb Anne Will eine konkrete Antwort schuldig
So arbeiteten Vizekanzler Robert Habeck (Grüne), der Direktor des Deutschen Historischen Museums, Raphael Gross, der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani und die Politikwissenschaftlerin Florence Gaub alle großen Themen ab: Krieg in der Ukraine, der deutsche Haushalt, Israel und die Hamas sowie, so Gaub, "eine neue Weltordnung seitens Russlands und China".
Fast schon enttäuschend waren die wenig konkreten Aussagen der Gäste. "Eine wohlige Naivität können wir uns nicht mehr leisten", mahnte Habeck etwa im Zusammenhang mit dem Krieg im Osten Europas. Auch hinsichtlich der Milliardenlöcher im Haushalt hielt sich der Wirtschaftsminister bedeckt: "Wir werden Schritt für Schritt analysieren", versprach er. Trotz Wills vergleichbar schwachen Versuch, eine deutlichere Antwort aus Habeck herauszukitzeln, blieb dieser der Talkmasterin eine Antwort schuldig: "Ich werde das heute Abend nicht konkret machen."
Robert Habeck lobte Anne Will: "Das war schon stilprägend"
Eindeutiger waren indes die warmen Worte, die die Anwesenden schlussendlich für ihre Gastgeberin fanden. Zum Ende der Ära Will im Ersten sparte der Vizekanzler nicht mit Lob: "16 Jahre Aufklärung, das war schon stilprägend". Dem schloss sich Kermani an: "Ich glaube, alle haben sich wohlgefühlt, sonst wären die anderen nicht wiedergekommen".
Anne Will richtete final selbst das Wort an das Publikum und dankte für "das große Vertrauen und das große Interesse". Den Tränen nahe erklärte die Journalistin: "Auch wenn das jetzt pathetisch klingt: Es war mir eine Ehre!"
Zum Abschied: Ein Rückblick auf 16 Jahre "Anne Will"
Nach Wills Abschied sorgte Jessy Wellmer von den "Tagesthemen" für einen Hauch Nostalgie. Sie präsentierte einen kurzen Rückblick, der die Polittalkerin unter anderem in ihrer ersten Sendung, im Eifer hitziger Debatten und im Gespräch mit politischen Schwergewichten zeigte.
"Anne Will" galt lange als das wichtigste, weil quotenstärkste Format. Auch dank des starken Sonntagabend-Krimis, der stets unmittelbar vor der Sendung läuft - und diesmal einer Hommage an die Talkmasterin gleichkam: Vor der nach ihr benannten Sendung lief doch glatt ein "Tatort" aus Köln, dem Geburtsort der Moderatorin.