Warum die Forderung nach Grenzschließungen nichts bringt

Grenzen dicht: Das ist das propagierte Allheilmittel der Kritiker von Angela Merkels Flüchtlingskurs. Damit scheiterten sie nicht nur menschlich. Sondern schaden Deutschland.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die CSU fordert es im Tagestakt, die AfD sowieso – und SPD und FDP verstecken sich dahinter und schauen, wie sie von der Schwäche der Angegriffenen profitieren können: Die Politik der offenen Grenzen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) steht gerade nicht hoch im Kurs. Kurzfristig gesehen. Merkel wird allerorten kritisiert, sie steht als Getriebene da, als passiv und nur stark in ihrer Meinung.

Doch manchmal kommt, was gut für das Land ist, nicht im Heldengewand daher. Merkel für die Aufnahme der Flüchtlinge, die nicht spürbar weniger werden, zu kritisieren: Das ist leicht und wohlfeil. Zu Ende gedacht wäre aber die zentrale Forderung ihrer Zweifler, die Schließung der bundesdeutschen Grenzen, ein Elend für Deutschland und in Europa.

Was ist wirklich machbar?

Zuallererst wäre menschlich zu argumentieren, mit dem Anstand. Aber da das Wort „Gutmensch“ aus unerfindlichen Gründen bei einigen Zeitgenossen Ausschlag auslöst, hier einmal eine rein ökonomisch-strategische Sichtweise auf den Slogan „Grenzen dicht“.

Da wären ein dramatisches Außenbild und eine Kettenreaktion. Würde der Schlagbaum nach Österreich wieder gesenkt, würden die Flüchtlinge an der Grenze bleiben. Dorthin kommen sie ja eh. Sie lassen sich nicht wegdenken. Sie würden bei den eisigen Temperaturen vor Bundeswehrsoldaten stehen, flehen, sich vielleicht ein Katz- und Mausspiel mit ihnen liefern. Wer will das? Außerdem würden in einem zweiten Schritt viele Flüchtlinge in die Länder zurückgedrängt werden, von denen sie gerade gern fern gehalten werden – nach Tschechien, in die Slowakei, nach Ungarn. Das wäre ein ehrliches Ende der unehrlichen Politik dieser Regierungen. Deren Kalkül geht nur auf, wenn ein anderer die Rechnung begleicht; eine klare Zechprellermentalität, wie sie unter Nationalisten üblich ist. Und schließlich würden in einem dritten Schritt Staaten wie Griechenland und Italien wieder stärker unter Druck kommen: Jene Länder, die jahrelang von der EU und von Deutschland allein gelassen worden sind und auf sich gestellt Menschen auf hoher See retten mussten und sie aufnahmen.

Die Kosten einer Schließung wären enorm hoch

Oder der Pendlerverkehr. Autoschlangen würden sich an den Grenzen bilden. CSU-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, Wahlkreis Weilheim an der Grenze zu Österreich, würde sich bei seinen Wählern nicht gerade beliebt machen. In den Radiosendungen, die sie im Stau hören, hätte er viel Zeit zu erklären, warum sie so viel warten müssen. Wirtschaftlich wäre eine Grenzschließung eine enorme Belastung: Deutschland exportiert und importiert nicht nur herausragend Waren, das Land ist auch eine Drehscheibe der Logistik. Wären die Grenzen dicht, müsste jeder Lkw kontrolliert werden, der Warenstrom verlangsamte sich, die Verkehrskosten nähmen zu. Ja, früher gab es auch Grenzkontrollen. Aber früher gab es auch keinen Warenaustausch wie heute.

Keine Frage, die Flüchtlingseinwanderung nach Europa kann nur europäisch gelöst werden. Das klingt nach einem Kalauer, auch kraftlos. Einen Blumentopf gewinnt man damit heute nicht – aber es stimmt. Daher hat Merkel Recht, wenn sie Grenzschließungen verwirft. Und darauf wartet, dass ihre Kritiker mit einem Vorschlag um die Ecke kommen, der lösungsorientiert wäre.

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