Warum diese Insel zum Zentrum von Hai-Attacken wurde

Zwischen 2011 und 2019 kam es plötzlich zu einem rasanten Anstieg von Hai-Angriffen vor der Insel Réunion. Ein neuer Podcast geht dem Phänomen nun auf den Grund.

Bullenhaie gehören zu den aggressiveren Hai-Arten.
Bullenhaie gehören zu den aggressiveren Hai-Arten. (Bild: Joseph Prezioso/Anadolu Agency via Getty Images)

Réunion ist eine wahrlich paradiesische Insel im indischen Ozean. Weiße Strände säumen das türkisblaue Meer, Palmen spenden den Tourist*innen Schatten. Und diese kommen in Scharen. Denn als "Übersee-Department" Frankreichs gehört die Insel nach wie vor zur Europäischen Union. Im Jahr 2017 verzeichnete die Tourismusbehörde dort mit einer halben Millionen Gäste einen neuen Besucherrekord. Doch das Paradies hat eine dunkle Seite: Seit 2011 sind elf Personen durch Hai-Angriffe getötet worden, acht weitere wurden schwer verletzt.

Angriffe durch Bullenhaie

Die meisten der Attacken gehen vermutlich auf das Konto von Bullenhaien. Die bis zu zweieinhalb Meter langen Haie verdanken ihren Namen dem bulligen Körperbau. Sie gelten als unberechenbar und aggressiv. Meist attackieren sie ihre Opfer im flachen Gewässer. Sie kommen in warmen Küstengewässern vor und schwimmen vom Meer aus teilweise viele Kilometer in Flüsse und Seen.

In dem Podcast "Réunion Island: Shark Attacks in Paradise" untersucht Dan Duane die Vorkommnisse der letzten Jahre. Wie viele der Haie rund um Réunion leben ist nicht sicher. Duane, der für seinen Podcast lange recherchiert hat, spricht im Interview mit der "New York Post" vom Zahlen zwischen 300 und 3.000 Tieren.

Die statistische Wahrscheinlichkeit, vor Réunion von einem Hai attackiert zu werden, ist zwar größer, als überall anders auf der Welt. Sie liegt aber dennoch nur bei 8,28 zu einer Million. Dennoch haben die tödlichen Attacken und die teils reißerische Berichterstattung weltweiter Medien einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Tourismus-Industrie. Wer möchte schon seinen Strandurlaub auf einer Insel die als "Nr. 1 der Hai-Angriffe" gebrandmarkt ist verbringen?

Proteste der Insel-Bewohner*innen

Die Berichte von Zeugen und Überlebenden hören sich tatsächlich schaurig an. Denn die Angriffe der Bullenhaie sind äußerst brutal, wer das Glück hat, sich ans Ufer zu retten, verliert häufig Gliedmaßen. Für die etwa 860.000 Bewohner*innen von Réunion sind die Hai-Angriffe nicht nur eine Lebensgefahr, sie gefährden auch ihr Einkommen, das für viele der Menschen mit dem Tourismus verbunden ist.

Auf der Insel kommt es immer wieder zu Demonstrationen der Bewohner*innen wegen der zahlreichen Hai-Angriffe.
Auf der Insel kommt es immer wieder zu Demonstrationen der Bewohner*innen wegen der zahlreichen Hai-Angriffe. (Bild: REUTERS/Laurent Capmas/Files )

Gründe für die gehäuften Angriffe

Réunion liegt auf dem sogenannten "Shark Highway", der Hai-Autobahn durch den indischen Ozean, der Australien mit Südafrika verbindet. Wissenschaftler vermuten, dass die rapide Zunahme an Hai-Angriffen auch mit veränderten Lebensumständen der Tiere zu tun haben könnte. So könnte wärmeres Wasser und eine Überfischung der natürlichen Bestände dafür gesorgt haben, dass die Haie ihr Verhalten im letzten Jahrzehnt verändert hätten glaubt etwa der Marine Ökologe Michael Heithaus. Zusätzlich könnte von der Vulkaninsel herab gespülter Staub für schlechte Unterwasser-Sicht und somit für bessere Jagdverhältnisse für die Bullenhaie sorgen.

Zeigen die Maßnahmen Wirkung?

Mittlerweile versucht die Insel gegen die Bedrohung vorzugehen. Eingezäunte Schwimmbereiche sollen den Tourist*innen Sicherheit versprechen. Die Einwohner*innen gehen mit rabiateren Mitteln vor. Mit sogenannten Trommellinien versuchen sie die Haie zu fangen. Rund um die Uhr überwacht ein Fischer die Fallen. Innerhalb von 90 Minuten erreicht er die mitgeteilten Koordinaten und entscheidet dann, ob es ein harmloser Fang oder ein Bullenhai ist. Die Bullenhai werden erschossen, andere Fische freigelassen. Seit 2014 haben die lokalen Fischer mit der umstrittenen Praxis bereits 135 Haie getötet, heißt es in dem Podcast. Seit 2019 gab es keinen tödlichen Angriff mehr. Ob dies ein Resultat der eingeleiteten Maßnahmen oder der reduzierten Anzahl an Tourist*innen ist, lässt sich schwer belegen.

Im Video: Mann schlug auf Raubfisch ein: Hai attackiert Rettungsschwimmer in New York