Was die Sprache der Mitglieder über die AfD verrät

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Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Mitglied der AfD durch rechtspopulistische Äußerungen auffällt. Ganz weit vorne liegt derzeit Partei-Vize Alexander Gauland. “Ich bin natürlich kein Rassist“, behauptet er im aktuellen “Spiegel”. Und tut doch alles, um das genaue Gegenteil zu beweisen. Seine Sprache zeigt eindeutig, wie er und seine Parteigenossen wirklich ticken. Eine Analyse …

Die Sprachwissenschaftlerin Dr. Constanze Spieß von der Universität Graz hat untersucht, welche Metaphern den Diskurs über Flüchtlinge prägen. Da gibt es zuerst Sprachbilder, die auf Naturkatastrophen verweisen: Flüchtlingsstrom, Flüchtlingszustrom, Flüchtlingswelle, Flüchtlingsflut, Flüchtlingstsunami und Flüchtlingslawine. „Alles, was wir mit Naturkatastrophen in Verbindung bringen, also beispielsweise Gefahr, Tod, Verwüstung, Zerstörung oder Unkontrolliertheit, wird unbewusst mit dem Bereich der Migration gekoppelt“, so die Wissenschaftlerin im Interview mit Yahoo! Deutschland.

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„Ein solches Sprechen erzeugt dann Ängste und ist zumeist in Argumentationsketten eingebettet, die vor zu großen Migrationsbewegungen warnen und darin Gefahren sehen.“ Ganz neu ist ein Begriff, der dem AfD-Vize Alexander Gauland kürzlich bei seinem Auftritt im brandenburgischen Elsterwerda über die Lippen kam, wo er die „Politik der menschlichen Überflutung“ anprangerte. Und dann auf ein Plakat zeigte, auf dem zu lesen stand: „Heute sind wir tolerant - morgen fremd im eignen Land.“ Ein Zitat aus dem Lied Tolerant und geisteskrank, gesungen von der Neonazi-Band Gigi & Die Braunen Stadtmusikanten. „In diesem Kontext kann man davon sprechen, dass hier die Naturkatastrophenmetaphorik auf eine extrem diskriminierende Weise durch die AfD Verwendung findet. Die flüchtenden Menschen werden depersonalisiert und es werden Ängste geschürt, weil Migrationsbewegungen nochmals deutlicher und drastischer mit Gefahren in Verbindung gebracht werden. Denn wer fühlt sich schon gern fremd im eigenen Land?“

Mit Kriegsbegriffen gegen Migranten

Neben der Naturkatastrophenmetaphorik wird die Flüchtlingsthematik auch anhand von Sprachbildern aus dem Krieg diskutiert. Darunter fallen Begriffe wie Flüchtlingsansturm oder Flüchtlingsinvasion, aber auch die so genannte „Festung“ Europa, die es zu verteidigen gilt. Schon die Nazis bedienten sich dieses Begriffs, der 1942 nur deswegen außer Mode kam, weil er die deutschen Angreifer als zu defensiv darstellte. Frauke Petry und ihr Lebensgefährte Marcus Pretzell haben sich bereits als Anhänger der Kriegsmetaphorik geoutet. Petry mit ihrer weit beachteten Äußerung, Polizisten an der Grenze müssten notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen, und Pretzell mit seiner Forderung, die deutsche Grenze sei „mit Waffengewalt als Ultima Ratio“ zu verteidigen

Der Populismus der AfD – wissenschaftlich bewiesen

Von Frauke Petry bis Björn Höcke weist die AfD den Vorwurf des Rechtspopulismus immer wieder weit von sich, bezichtigt entweder die Medien oder die Wissenschaftler, sich nicht ausreichend mit ihren Inhalten zu beschäftigen oder gar willentlich zu lügen. Eine Untersuchung des Linguistik-Professors Joachim Scharloth von der Technischen Universität Dresden beweist das Gegenteil. Der Sprachwissenschaftler hat sich die Wahlprogramme und öffentlichen Mitteilungen sowohl des Landesverbands der AfD als auch der CDU, FDP, der Grünen, Der Linken, der SPD und der NPD in Rheinland-Pfalz vorgenommen und analysiert.

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„Die politikwissenschaftliche Debatte unterscheidet zwischen Populismus als Politikstil und Populismus als Ideologie“, erklärt Prof. Scharloth im Interview mit Yahoo! Deutschland. „Was den Politikstil betrifft, geht es vor allem um Skandalisierung, also Kritik am herrschenden Sprachgebrauch.“ Konkret äußert sich diese in Wörtern wie Blindheit, Blödheit, Bodenlosigkeit, Chaos, Desaster, Irrsinn, Katastrophe, abartig, aberwitzig oder abstoßend. Die AfD benutzt solche Skandalisierer um 36 Prozent häufiger als der Durchschnitt aller anderen Parteien. Und sie bedient sich auch gerne sprachlichen Intensivierern wie absolut, grundlegend, restlos, vollkommen, zutiefst, im höchsten Maße, bestmöglich oder unbeschreiblich. Der Sinn dahinter: „Sie sollen die Rigorosität des Sprechers verdeutlichen und das Gesagte zusätzlich emotional aufladen.“ Dazu gehören auch Kommunikationsverben, die auf Konflikte verweisen: ablehnen etwa, diffamieren, geifern oder rüffeln. Hier verzeichnet die AfD ein Plus von 26 Prozent.

Der Volksbegriff und der Angriff auf das Establishment

Der Populismus als Ideologie zeichnet sich per Definition durch zwei Merkmale aus: den Begriff des Volkes nicht im Sinne eines Staatsvolks, sondern im Sinne einer homogenen Einheit. Und eine Frontstellung gegen die gesellschaftlichen Eliten. Indem die AfD vielen Wörtern den Zusatz „Volks“- verpasst (Volksherrschaft, Volksinitiative, Volkssouveränität) will sie eine größere Beteiligungsmöglichkeit der deutschen Staatsbürger betonen: „Sie erklärt den Volkswillen für zentral und zieht eine Grenze zwischen dem Volk auf der einen und Migranten und Asylsuchenden auf der anderen Seite“, so Prof. Scharloth.

“Bei der AfD haben Tabus eine besondere Qualität”

Der Angriff auf das Establishment und vor allem die akademischen Eliten lässt sich sprachlich ganz einfach dadurch darstellen, dass man Wörter wie Freiheit, Wissenschaftler oder Experte in Anführungszeichen setzt oder von einer so genannten Demokratie oder so genannten Flüchtlingen spricht. Andere Parteien wertet die AfD pauschal und vor allem durch den Begriff Altpartei ab. Dass Joseph Goebbels und andere Nazis in hohen Positionen oft und gerne von Altparteien sprachen – für die AfD ist das kein Hinderungsgrund.

Die Studie beweist also, dass sich zumindest der Landesverband Rheinland-Pfalz mit einer populistischen Kampagne an potenzielle Wähler richtet. „Die AfD fährt hier eine Strategie, die durch sprachliche Radikalität versucht, auch die Menschen am ganz rechten Spektrum zu erreichen“, sagt Prof. Scharloth und fügt hinzu: „Dass Politiker skandalisieren und Tabus brechen, um zu sehen, wie bestimmte Äußerungen in der Bevölkerung ankommen, ist normal. Bei der AfD hat das aber eine besondere Qualität und bewegt sich immer scharf an der Grenze zu dem, was bei uns noch sagbar ist.“

(Autorin & Interviews: Ann-Catherin Karg / Bilder: Getty Images)

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