Den Wasserdieben in Spanien auf der Spur
Zwei Drittel Spaniens sind von Verwüstung und Versteppung bedroht, hier fängt der Klimawandel an. Die intensive Treibhaus-Landwirtschaft im Süden Spaniens verbraucht Unmengen Wasser.
Die Spur der Schläuche
EuronewsWitness-Reporter Hans von der Brelie ist im spanischen Andalusien Wasserdieben auf der Spur. Er verfolgte stundenlang die Spur der Schläuche und fand illegale von Wasserdieben gebohrte Brunnen - gleich neben Doñana, dem wichtigsten Feuchtgebiet Spaniens und wohl berühmtesten Nationalpark Europas, von der UNESCO als Weltnaturerbe klassifiziert. Und da stellt sich die Frage, ob Gier nach billigen Erdbeeren und gierige Bauern, zusammen mit der Klimakrise dieses Naturparadies zerstören?
Die Wasser-Aufsicht rückt an. Mit dicken Jeeps patrouillieren sieben Ranger das riesige Areal. Sie wollen nicht, dass man ihr Gesicht erkennt. Sie haben Angst vor aggressiven Bauern. Der Boden ist von illegalen Brunnen durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Die Ranger machten dort 75 Brunnen dicht.
"In den vergangenen vier Jahren haben wir insgesamt 1116 Wasser-Entnahmestellen geschlossen", erzählt der Gebietschef der Confederación Hidrográfica del Guadalquivir Antonio Santos stolz: "In den vergangenen beiden Jahren waren es über 200 irreguläre Entnahmestellen."
Er ist stolz auf sein Team: "Unsere Techniker draußen vor Ort haben ein extrem schwieriges Arbeitsumfeld, es gab Momente, in denen sich uns die Bauern massiv widersetzt haben."
Landwirte verteidigten ihre Wasserlöcher. Im Wald kam es fast zur Prügelei. Die Ranger holten die Guardia Civil.
Langwierige Brunnenschließung
Eine Brunnenschließung dauert Jahre: Papierkrieg, Mahnbriefe, Gerichtsverfahren, erzählt Santos, der den Ablauf erklärt: "Um den Brunnen hier zu schließen, haben wir zunächst alle Geräte zur Wasserförderung entfernt, dann haben wir die Verbindung zur Haupt-Pumpe gekappt und alles verschlossen, indem wir den Deckel verschweißt haben. Schließlich wird der Brunnen mit Erde verfüllt. Damit schützen wir die Wasserrechte der Allgemeinheit und die Qualität des Wassers. Und letztendlich wird die illegale Entnahmestelle mit Beton oder Zement versiegelt."
Doñana ist ein EU-geschütztes Natura-2000-Gebiet. Das Herzstück wurde von der UNESCO sogar zum Weltnaturerbe erklärt. Doch am Rand machen sich Treibhäuser breit. Die Erdbeeren saufen dem Vogelparadies das Wasser weg.
Die Stimmung vor Ort ist schlecht, die Bauern sind stinkwütend, was sich nicht zuletzt an Graffitis zeigt, auf denen sie fordern: "Wasseraufsicht, lass uns in Ruhe!"
Auch auf Journalisten sind sie schlecht zu sprechen, der Reporter wird beim Filmen blöd angemacht.
Gigantischer Wasserverbrauch
Die UNESCO, eine Unterorganisation der Vereinten Nationen, kritisiert seit Jahren den gigantischen Wasserverbrauch. Gegenüber Euronews bestätigte die Organisation, dass diskutiert wird, ob Doñana den Titel "Weltnaturerbe" uneingeschränkt behalten darf: Im September steht die Frage auf der Tagesordnung, dann wird entschieden, ob das Welterbe "herabgestuft" und in die Liste der gefährdeten Gebiete eingeordnet wird.
Der Reporter hat GPS-Daten illegaler Brunnen in der Gegend von Lucena zugespielt bekommen. Er macht sich auf den Weg in den dürren Wald. Das Problem: Sobald die Wasserbehörde einen Brunnen versiegelt, wird ein paar Meter weiter ein neues Bohrloch gegraben. Es ist heiß: 38 Grad Celsius bereits im Mai. Er findet eine Wasserleitung, an der er sich erfrischen kann. Das Wasser ist gut, allerdings wurde das Loch ohne Erlaubnis gegraben. Alle Brunnen müssen in einem offiziellen Verzeichnis gelistet werden. Diese Pumpe ist nicht registriert. Kurz nach dem Dreh bekommt er die Bestätigung: Es wurde ein Verfahren eingeleitet, den Brunnen zu schließen. Bei der Inspektion der Wasserstelle entdeckt er:
"Ja, hier sind drei Leitungen, und nur an einer ist ein Wasserzähler dran, da kommt aber kein Wasser durch. Über den illegalen Brunnen ohne Wasserzähler, da fließt das Wasser rüber, klarer Trick, aber illegal."
Treibhaus-Bauern breiten sich aus
Die Bauern erobern immer mehr Fläche: Innerhalb weniger Jahre wurden viele Treibhäuser illegal erweitert. Die Europäische Kommission drängt auf strengere Kontrollen. Vor Ort jedoch hoffen manche Bauern auf Legalisierung.
Julio Díaz ist Chef-Lobbyist der Treibhaus-Bauern von Lucena. Der frühere Abgeordnete der Liberalen im andalusischen Regionalparlament kritisiert die spanische Zentralregierung: Die habe es verschlafen, rechtzeitig Kanäle zu bauen, um Wasser von anderswo hierher zu leiten. Seine Branche macht guten Umsatz, wie er aufzählt:
"Wir haben 100.000 Arbeitsplätze geschaffen und es geht um eine Wirtschaftsleistung von etwa 1.4 Milliarden Euro. Durch den Wassermangel ist die gesamte Saison gefährdet, die Einschränkungen können 50 Prozent erreichen", so der Vertreter der Plataforma en Defensa de los Regadíos von Lucena del Puerto. "Wir geben zu, dass zu viel Grundwasser entnommen wird. Deshalb fordern wir Infrastrukturmaßnahmen, um uns Oberflächenwasser zuzuführen."
Konfrontiert mit einer WWF-Karte, die illegale Brunnen in seinem Gebiet mit roten Punkten aufzeigt und der Vermutung, dass dort ohne Erlaubnis massiv Wasser entnommen wird, ist er sich keiner Schuld bewusst und spricht von Erfindungen. Er verteidigt sich:
"Die Hektar-Zahlen wurden mit unwissenschaftlichen Methoden ermittelt. Zuerst spricht der WWF von 1.400, dann von 1.600 und jetzt sogar von fast 1.900 Hektar illegaler Erweiterungsbauten. Derzeit befinden sich hunderte Brunnen in Regulierungsverfahren und viele der in der WWF-Karte aufgemalten roten Punkte werden demnächst legalisiert sein."
Wie im Wilden Westen
Nicht jeder kann der Argumentation folgen. Felipe Fuentelsaz von der Doñana-Einheit des WWF Spaniens ist studierter Agrartechniker, er kennt sich aus. Seit 15 Jahren arbeitet er für die Naturschutzorganisation WWF. Der Einheimische kennt jeden Baum – und jede wissenschaftliche Studie über Doñana, er erläutert die Karte:
"Die grau gekennzeichneten Flächen sind legale Betriebsflächen. Aber die roten und violetten Punkte kennzeichnen Flächen, die wir durch die Analyse von Satellitenbildern ermittelt haben und wo derzeit Erweiterungsbauten ohne Wasserrechte durchgeführt werden."
Er weiß, dass der Ausbau illegaler Flächen weitergeht: "Wir wissen genau, dass es in der Gegend etwa 2000 Hektar illegale Betriebsflächen gibt, und es könnten etwa tausend illegale Wasser-Bohrlöcher existieren. Es ist wie im Wilden Westen."
Ein umstrittener Gesetzesvorschlag der konservativen Regionalregierung von Andalusien sieht vor, die illegalen Treibhäuser zu legalisieren. Die linksgerichtete spanische Zentralregierung spricht sich dagegen aus. Seit Doñana ein Wahlkampfthema ist, hat es Felipe noch schwerer, mit Zahlen und Fakten Gehör zu finden.
In der brütenden Hitze führt er uns zu einem grünlich schimmernden Wasserreservoir, in der Stille des Nachmittags sind aus der Ferne das Brummen eines Generators zu hören und die Geräusche einer Bewässerungsanlage. Felipe bückt sich tief hinunter ins Schilf- und Grasdickicht. Dort schlängelt sich dick und schwarz ein Schlauch. Ein Blick auf die WWF-Karte: Auch hier liegt keine offizielle Genehmigung zur Wasserentnahme vor. Felipe zieht Bilanz:
"Die Cañada ist ein Zufluss des Flusses Rocina. Dort fließt im Vergleich zu vor dreißig Jahren mittlerweile 60 Prozent weniger Wasser – und zwar wegen der illegalen Wasserentnahme. Und das hier ist nur ein Beispiel dafür, wie Bauern illegale Wasserspeicher anlegen und dem Fluss Wasser stehlen."
Der WWF versucht durch Beobachtung vor Ort illegale Entnahmestellen zu entdecken, sei es mit dem Auto oder zu Fuß. Gearbeitet wird auch mit Kartenmaterial und superpräzisen Satellitenbildern.
Die Wissenschaftler des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus werteten für Euronews die jüngsten Satelliten-Daten von Doñana aus. Feuchtgebiete verschwinden. Alarmstufe rot.
Die Trockenheit stört im Paradies der Zugvögel
Vor wenigen Tagen brannte es im Naturschutzgebiet. Ortskundige vermuten, dass es Brandstiftung war. Sergio González Asián, ein professioneller Vogelbeobachter, hat wütende Landwirte im Verdacht. Die Trockenheit stört im Paradies der Zugvögel. In seinem Zählgebiet kam Sergio diesmal auf nur 1.200 Graugänse, normalerweise sind es 50.000:
"Nichts zu sehen, alles ist total trocken und normalerweise sollte dort eine Wasserfläche mit tausenden von Vögeln sein", so der Wildhüter von Living Doñana. "Und jetzt sehen Sie sich die Situation dort an! Was ist los? Gibt es nur noch Wasser für die Bauern? Und kein Wasser mehr für Vögel? Wir müssen das Wasser teilen!"
Europas Paradiesgarten ist bedroht
80 Prozent aller Beerenfrüchte Spaniens wachsen hier. Aber Europas Paradiesgarten steht vor dem Ende. Die Produktion bricht ein, Felder liegen brach. Legal produzierende Bauern in El Rocío beschuldigen die illegalen Betriebe in Lucena, mit dem Wasserklau die Existenzgrundlage nicht nur von Doñana, sondern auch der gesamten Branche zu gefährden. Manuel Delgado vom Bauernverband Puerta de Doñana in El Rocío kritisiert:
"Die Regionalregierung will die Betriebe, die legalisiert werden sollen, (bei der Wasserzuteilung) bevorzugen. Das ist nicht zu rechtfertigen, weder legal noch moralisch, jetzt diejenigen mit Oberflächenwasser zu belohnen, die über zehn oder 15 Jahre hinweg falsch gehandelt haben - zum Nachteil derer, die 40 Jahre lang regelkonform gehandelt haben!"
Sollte Wasser von anderswoher nach Donana geleitet werden, wollen die LEGALEN Landwirte zuerst bedient werden. Aber um zu vermeiden, dass sich Doñana in eine Mondlandschaft verwandelt, müssen die illegalen Betriebe geschlossen werden. Jetzt.