Werbung

Wer ist Bundespräsident: Frank-Walter Steinmeier im Porträt

Der Bundespräsident steht wegen seiner Russland-Politik in der Kritik. Doch er räumt Fehler ein und richtet deutliche Worte an Putin. Warum er den russischen Präsidenten unterschätzte und wie er vor Jahren die Herzen der Deutschen mit einer Organspende eroberte – Frank-Walter Steinmeier im Porträt.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist bereits zum zweiten Mal im Amt (Bild: REUTERS/Michele Tantussi)
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist bereits zum zweiten Mal im Amt (Bild: REUTERS/Michele Tantussi)
  • Warum der Bundespräsident Putin unterschätzte

  • Der Bundespräsident gesteht Fehler ein

  • Steinmeier bestreitet naive Russlandpolitik

  • Bundespräsident Steinmeier sichert Finnland Unterstützung zu

  • Der Bundespräsident will nach Kiew reisen

  • Steinmeiers frühe politische Karriere

  • Steinmeiers Ziele als Bundespräsident

  • Steinmeier spendet seiner Frau eine Niere

Warum der Bundespräsident Putin unterschätzte

Nach den mutmaßlichen Kriegsverbrechen in der Ukraine fordert Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, dass dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag der Prozess gemacht wird. "Alle, die für diese Verbrechen Verantwortung tragen, werden sich rechtfertigen müssen", sagte er dem "Spiegel". Dazu gehörten neben Soldaten "selbstverständlich auch diejenigen, die politische Verantwortung tragen".

Die Bilder aus Butscha seien furchtbar, er könne sie kaum ertragen, sagt Steinmeier weiter: "Sie verdichten noch einmal, was der verbrecherische Überfall Russlands auf die Ukraine bedeutet, was er an Leid und Tod bringt, auch an Vertreibung. Das macht ungeheuer wütend und traurig."

Bundespräsident Frank Walter Steinmeier mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Jahre 2017 (Bild: REUTERS/Yuri Kochetkov/Pool)
Bundespräsident Frank Walter Steinmeier mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Jahre 2017 (Bild: REUTERS/Yuri Kochetkov/Pool)

Bundespräsident Steinmeier erklärte auch, er sei vom Krieg in der Ukraine überrascht worden. Er sei Zeuge der Veränderung der russischen Politik gewesen, "aber ehrlich gesagt: Ich habe noch auf einen Rest Rationalität von Wladimir Putin gehofft". Auch sei er nicht davon ausgegangen, "dass der russische Präsident den totalen politischen, wirtschaftlichen, moralischen Ruin seines Landes riskiert in einem imperialen Wahn. Der Überfall erschüttert mich". Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin warf Steinmeier ein "barbarisches Blutvergießen" in der Ukraine vor. "Stoppen Sie diesen Wahnsinn", appellierte er an den Kreml-Chef.

Der Bundespräsident gesteht Fehler ein

Immer wieder steht Bundespräsident Steinmeier wegen seiner Russland-Politik unter Beschuss. Trotz der Annexion der Krim und trotz aller Warnungen wurde mit der Ostseepipeline Nord Stream 2 die Energieabhängigkeit ausgebaut. Doch Steinmeier gestand, falsch gehandelt zu haben: "Mein Festhalten an Nord Stream 2, das war eindeutig ein Fehler. Wir haben an Brücken festgehalten, an die Russland nicht mehr geglaubt hat und vor denen unsere Partner uns gewarnt haben", sagte er.

Steinmeier bestreitet naive Russlandpolitik

Der Bundespräsident bestritt jedoch, eine naive Russlandpolitik betrieben zu haben. Spätestens mit der Krim-Annexion habe sie sich geändert: Er habe die Stärkung der Nato mit vorangetrieben.

Nato-Beitritt verhindert: CDU-Spitze stellt sich in Russland-Diskussion hinter Merkel

Steinmeier verteidigte die Grundsätze seiner jahrelangen Russlandpolitik: "Wir sollten Putin nicht den Gefallen tun, die Verantwortung für seinen Angriffskrieg auf uns zu ziehen", sagte er. Er habe "ein politisches Leben lang" dafür gearbeitet, dass es in Europa keinen Krieg mehr gebe. "Das ist nicht gelungen. Waren deshalb die Ziele falsch? War es falsch, dafür zu arbeiten? Das ist die Debatte, die ich, die wir jetzt führen müssen."

Seinen Einsatz für Nord Stream 2 bewertete der Bundespräsident erneut selbstkritisch: "Jetzt ist nicht nur ein milliardenschweres Projekt gescheitert, unser Verhalten hat auch Glaubwürdigkeit gegenüber den osteuropäischen Partnern gekostet. Das tut weh."

Bundespräsident Steinmeier sichert Finnland Unterstützung zu

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Finnland angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine die volle Unterstützung Deutschlands zugesichert. "Wir stehen fest an Finnlands Seite", sagte er bei einem Besuch in Helsinki. In einer Parlamentssitzung mit seinem finnischen Kollegen Sauli Niinistö und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj, der zugeschaltet war, machte er deutlich, dass Europa ein sicherheitspolitisches Konzept brauche, das "unsere liberalen Demokratien schützt, unsere freiheitlichen Gesellschaft verteidigt" und nachhaltigen Wohlstand gewährleiste".

"Stehen fest an Finnlands Seite": Steinmeier in Helsinki

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit der finnischen Premierministerin Sanna Marin (Bild: Lehtikuva/Heikki Saukkomaa via REUTERS)
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit der finnischen Premierministerin Sanna Marin (Bild: Lehtikuva/Heikki Saukkomaa via REUTERS)

Über einen möglichen Nato-Beitritt Finnlands, das mit Russland eine 1300 Kilometer lange Grenze zieht, sagte Steinmeier: "Welche Entscheidung Finnland auch immer fällt: Ihr könnt euch sicher sein über deutschen Rückhalt."

Der Bundespräsident will nach Kiew reisen

Mit dem Minsk-Abkommen schufen Steinmeier und die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Krim-Besetzung ein brüchiges, aber zumindest halbwegs haltendes Abkommen zwischen der Ukraine und Russland. Doch das hielt Putin nicht vom Angriff auf die Ukraine ab.

In einem Interview mit dem "Tagesspiegel" warf der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk Steinmeier deshalb vor, über Jahre zu sehr auf die Interessen Russlands Rücksicht genommen zu haben und "ein Spinnennetz der Kontakte mit Russland geknüpft“, zu haben. "Darin sind viele Leute verwickelt, die jetzt in der Ampel das Sagen haben.“

Raketen auf Zivilisten: Von der Leyen zeigt Solidarität in Ukraine

Laut eigener Aussage erwägt Bundespräsident Steinmeier eine baldige Reise in die ukrainische Hauptstadt Kiew. Noch kein deutscher Spitzenpolitiker war seit Kriegsbeginn dort. Zu den jüngsten Angriffen des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk äußerte er sich verständnisvoll, bezweifelte aber, dass man in der gesamten Ukraine sein politisches Erbe sehr kritisch sehe. "Wenn das so wäre, würde es mich sehr traurig machen", sagt er: "Wahrscheinlich hat mich kein anderes Land in meinem politischen Leben so beschäftigt wie die Ukraine."

Botschafter Melnyk begrüßte Steinmeiers Eingeständnis im Deutschlandfunk, sagte aber auch: "Wir glauben, dass das, was in den letzten über zwei Jahrzehnten hier in Deutschland geschehen ist, dringend aufgearbeitet werden muss, und zwar nicht nur politisch, sondern auch auf der Ebene der Gesellschaft und der Medien."

Steinmeiers frühe politische Karriere

Frank-Walter Steinmeier kam 1956 als Sohn eines Tischlers und einer Fabrikarbeiterin auf die Welt und wuchs im niedersächsischen Brakelsiek auf. Nach dem Abitur leistete Steinmeier bis 1976 Wehrdienst. Er studierte Jura und promovierte später in dem Fach. 1975 trat er in die SPD ein. An der Universität traf er seine spätere Ehefrau, Elke Büdenbender, ebenfalls Juristin.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gilt als enger Vertrauter von Gerhard Schröder (Bild: REUTERS/Christian Charisius)
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gilt als enger Vertrauter von Gerhard Schröder (Bild: REUTERS/Christian Charisius)

Steinmeier gilt als enger Vertrauter des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, der seine politischen Talente schon früh erkannte. Von 1993 bis 1994 leitete er das persönliche Büro Schröders, als dieser noch niedersächsischer Ministerpräsident war. 1999 holte ihn Schröder als Chef des Kanzleramtes nach Berlin, wo Steinmeier bis 2005 blieb. Er gilt auch als Architekt der Agenda 2010-Gesetze unter Schröder. Von 2005 bis 2009 und von Dezember 2013 bis Februar 2017 war er Bundesaußenminister unter Kanzlerin Angela Merkel.

Frank-Walter Steinmeier: Gerade er hätte es besser wissen müssen

Bei der Bundestagswahl 2009 trat er als Kanzlerkandidat gegen Angela Merkel an und musste eine bittere Niederlage einstecken. Die SPD erreichte damals nämlich nur 23 Prozent – das schlechteste Resultat seit Kriegsende. "Das Ergebnis ist ein bitterer Tag für die deutsche Sozialdemokratie", sagte Steinmeier damals.

Steinmeiers Ziele als Bundespräsident

Am 12. Februar 2017 gewann Frank-Walter Steinmeier die Wahl zum zwölften Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Ende Mai 2021 verkündete er, dass er noch einmal als Bundespräsident kandidieren will. "Ich möchte unser Land auf dem Weg in die Zukunft begleiten", sagte er. Deutschland stehe in der Pandemie, die "Leid und Trauer" gebracht habe, "an einem Wendepunkt". Er wolle "helfen, diese Wunden zu heilen", so Steinmeier. Sein Appell: "Wir müssen über Demokratie nicht nur reden, wir müssen lernen für sie zu streiten!" Am 13. Februar 2022 bestätigte die 17. Bundesversammlung Steinmeier für eine zweite Amtszeit.

Seiner Frau Elke Büdenbender spendete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Niere (Bild:Michael Sohn/Pool via REUTERS)
Seiner Frau Elke Büdenbender spendete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Niere (Bild:Michael Sohn/Pool via REUTERS)

Steinmeier spendet seiner Frau eine Niere

Die Sympathien der Deutschen errang der Bundespräsident nicht mit einer politischen, sondern mit einer privaten Entscheidung: Ende 2010 spendete er seiner kranken Frau Elke Büdenbender, mit der er seit 1995 verheiratet ist, eine Niere. Doch Steinmeier blieb bescheiden: "Das ist weder heldenhaft noch ein Geschenk an meine Frau."

Aus Liebe zu seiner Frau verzichtete Steinmeier auch auf eine weitere Kanzlerkandidatur: "Die letzten zwei Jahre seit der Transplantation haben gezeigt: Auch, wenn es überwiegend gut geht - es gibt ein paar Tage mehr im Jahr, an denen ich an der Familienfront gefordert bin", sagte er der "Bild am Sonntag". Das Paar hat eine gemeinsame Tochter namens Merit.

VIDEO: "Eingebunkerter Kriegstreiber": Steinmeier über Putin und eine verfehlte Russland-Politik