Nein, Windräder verursachen nicht weitläufig mehr Trockenheit und Dürre

In sozialen Medien kursieren zahlreiche Falschaussagen zu Windkraftanlagen. Seit Monaten wird behauptet, eine chinesische Studie bestätige, dass Windräder mehr Trockenheit und Dürre verursachen würden. Das ist irreführend. Aus der Studie geht tatsächlich hervor, dass sich die Bodenfeuchtigkeit in bestimmten Windparks in China verringerte. Das ist jedoch nicht mit einer Dürre gleichzusetzen. Auch die Ursachen dafür wurden in der Studie nicht untersucht. Windräder haben keinen großräumigen Einfluss auf die Trockenheit der Umgebung oder das globale Klima, erklärten Fachleute gegenüber AFP.

"Längst mehr als ein Verdacht", schreibt ein User auf X im März 2024 und teilt ein Bild. Darauf sind unter anderem mehrere Windräder sowie Graphiken zu sehen. In roter Schrift ist zu lesen: "Chinesische Studie bestätigt: Windräder verursachen mehr Trockenheit und Dürre!"

Der Beitrag kursiert seit fast einem Jahr auf Plattformen wie X und wird auch aktuell oft verbreitet. Auf Facebook kursiert das Bild mit der Aussage ebenfalls und wurde teilweise über 12.000 Mal geteilt. Auch auf Tiktok kursiert die Behauptung. Sie wurde zudem in anderen Sprachen wie Russisch geteilt.

In den Kommentaren zeigen sich User empört: "Windräder kühlen die Luft ab, und sorgen für eine trockene Umgebung. Aus dem Grund sorgen Windräder und Windparks für eine provozierte Dürre", schrieb eine Nutzerin.

<span>Facebook-Screenshot der Behauptung: 17. April 2024</span>
Facebook-Screenshot der Behauptung: 17. April 2024

Zum Thema Windenergie kursieren zahlreiche Falschbehauptungen. AFP hat bereits hier widerlegt, dass Windkraftanlagen die Zusammensetzung der Atmosphäre beeinflussen und so zu Trockenheit führen. Windräder verstärken zudem nicht den Klimawandel, wie AFP etwa hier überprüft hat. Alle Faktenchecks zum Thema Energie sammelt AFP hier. Alle Faktenchecks zum Thema Klima sammelt AFP hier.

Auch die aktuell geteilte Aussage ist irreführend. Aus der angeführten chinesischen Studie geht lediglich hervor, dass die Bodenfeuchtigkeit in bestimmten Windparks in China um einen kleinen Prozentsatz in einem Jahr abgenommen hat. Laut Fachleuten ist das jedoch nicht mit einer Dürre vergleichbar.

Behauptung kursiert seit 2023

Auf dem geteilten Bild ist die Domain sowie das Logo der Plattform "Deutschland Kurier" zu sehen. Diese hat das Bild am 10. Mai 2023 auf Facebook geteilt und nähere Informationen angeführt: "Eine chinesische Studie zu den Auswirkungen von Windparks auf die Feuchtigkeit von Böden bestätigt Forschungsarbeiten unter anderem aus den USA und Großbritannien: Windräder entziehen den Böden in ihrer Umgebung sukzessive Feuchtigkeit und trocknen diese aus!" Am selben Tag wurde auch auf der Website des Portals ein Artikel dazu veröffentlicht, in dem auf die Studie verlinkt wurde.

Das Portal "Deutschland Kurier" hat in der Vergangenheit bereits Falschinformationen verbreitet, die AFP etwa hier überprüft hat.

Bodenfeuchtigkeit nahm in untersuchten Windparks ab

In der Behauptung wird sich auf eine chinesische Studie bezogen, die am 20. Januar 2023 veröffentlicht wurde. Darin geht es um die Auswirkungen von Windparks in China auf die lokale Bodenfeuchtigkeit. Die Studienautoren nutzten dabei Satellitenbilder und Feldmessungen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bodenfeuchtigkeit innerhalb der untersuchten Windparks um 4,4 Prozent jährlich abnahm. Je nach Jahreszeit hätten Windparks einen unterschiedlichen Einfluss auf die Bodenfeuchtigkeit, heißt es weiter.

Ob Windkraftanlagen für den Rückgang der Bodenfeuchtigkeit auch verantwortlich sind, wurde jedoch nicht untersucht. Physiker und Meteorologe Axel Kleidon vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie kritisierte gegenüber AFP am 18. April 2024, dass die Studie in einer Zeitschrift veröffentlicht wurde, die lediglich die Dokumentation von Methoden – aber keine umweltwissenschaftlichen Aussagen – behandle. "Insofern stellt diese Studie meines Erachtens keine wissenschaftlich geprüfte Aussage bezüglich Trockenheit und Windturbinen dar."

Einer der Studienautoren, Guoqing Li von der chinesischen Ludong Universität, schrieb AFP am 19. April 2024: "Windparks können ein Faktor sein, der zu lokaler Trockenheit beiträgt". Der Anstieg der Oberflächentemperaturen führe zu lokaler Verdunstung und Verlust von Bodenfeuchtigkeit. "Aber wir können nicht direkt darauf schließen, dass Windparks im globalen Maßstab Trockenheit verursachen." Außerdem lasse sich die durchgeführte Forschung "nicht global" verallgemeinern: "Wir haben sogar festgestellt, dass einige Windparks in China keine Bodentrockenheit verursachen, was stark mit dem lokalen Klima und der Art von Ökosystem zusammenhängt", so Guoqing.

Windräder laut Fachleuten keine Ursache von Dürre

Bernhard Stoevesandt ist Leiter der Abteilung Aerodynamik am Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme. Er führte gegenüber AFP am 19. April 2024 zunächst aus, dass in der genannten Studie von einer Abnahme der Feuchte um maximal 6,4 Prozent bei einer Messgenauigkeit von zwei Prozent berichtet wurde. "Allerdings wird in der Studie auch diskutiert, dass andere Studien keinen Einfluss auf die Feuchte nachweisen konnten."

Stoevesandt betonte zudem, dass es stark von unterschiedlichen Parametern wie der Höhe der Windenergieanlagen oder den umgebenen Umweltbedingungen abhänge, ob es zu einer Abnahme von Feuchtigkeit komme. "Grundsätzlich ist der Effekt auch in dieser Studie nachweisbar, aber nicht sehr groß. Für eine Dürre reicht dies nicht und wird auch nicht behauptet." Unter Dürre versteht man einen über einen längeren Zeitraum vorherrschender Zustand, in dem weniger Wasser oder Niederschlag verfügbar ist als nötig. Bei einer Dürre brauche es einen Einfluss auf die Niederschlagsmenge, so Stoevesandt. "Darauf haben Windenergieanlagen keinen wirklichen Einfluss, da der Niederschlag meist in größeren Höhen ausgelöst wird."

Das bestätigte auch Astrid Ziemann, Meteorologin an der Technischen Universität Dresden. Sie schrieb AFP am 17. April 2024: "Die wesentlichen Ursachen für Trockenheit und Dürre liegen in den großräumigen und sich ändernden Wetterlagen." Zudem betonte sie, dass sich die Ergebnisse einer Studie zu einem speziellen Standort nur auf ähnliche Standorte und Bedingungen übertragen ließen." Als Beispiele führte Ziemann etwa Klimazone, Lage zum Meer, lokale Windsysteme und Bodeneigenschaften an.

Windräder können das Mikroklima beeinflussen

Clemens Jauch, Professor am Wind Energy Technology Institute der Hochschule Flensburg, verneinte gegenüber AFP explizit, dass Windparks Ursache für Trockenheit und Dürre seien. Er erklärte in einer Nachricht vom 19. April 2024, dass Windparks den Wind abbremsen und Verwirbelungen erzeugen können. "Sie können aber weder Feuchtigkeit noch Wärmeenergie erzeugen oder vernichten."

In "sehr seltenen" Situationen, in denen sich die kälteste Luft über dem Erdboden befindet und in höheren Schichten wärmere Luft strömt – eine sogenannte stabile Schichtung in der Atmosphäre –, können diese Verwirbelungen die kalte Luft am Boden mit wärmere Luft von weiter oben durchmischen. Das führe dann dazu, dass der Boden Feuchtigkeit an die wärmere Luft abgibt. "Die Feuchtigkeit ist damit aber nicht verschwunden, sondern befindet sich in der Atmosphäre, von wo sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder als Niederschlag ausfällt", so Jauch.

Die in solchen Situationen in einer Region verlorene Feuchtigkeit spiele über ein Jahr gemittelt jedoch keine große Rolle. "Die Verwirbelungen sind auch nur in einem begrenzten Abstand hinter der Windenergieanlage noch messbar, weshalb der Effekt der Austrocknung also nicht nur selten, sondern auch lokal sehr begrenzt ist."

Windturbinen können somit tatsächlich das Mikroklima verändern, wie auch Axel Kleidon AFP bestätigte: "Durch den Windentzug und Mischung in den Windschatten wurden lokal schon Temperaturänderungen in Windparks dokumentiert, insbesondere nachts, zum Beispiel in Texas." Allerdings seien diese Änderungen lediglich durch Umverteilungen in der unteren Atmosphäre verursacht und nicht mit der gewaltigen Erwärmung durch den erhöhten Treibhauseffekt vergleichbar."

Klimawandel als Ursache für Trockenheit und Dürre

Alexander Basse, Experte für erneuerbare Energien am deutschen Umweltbundesamt (UBA) verwies in einer Nachricht an AFP am 19. April 2024 auf zwei Veröffentlichungen aus dem Jahr 2020 des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages (hier und hier). Darin werden "mikrometeorologische Effekte" von Windenergieanlagen mit geringen regionalen Auswirkungen beschrieben.

Basse erklärte, dass durch Windenergieanlagen kleinräumige Veränderungen der lokalen Luftdurchmischung zu erwarten seien. Sein Fazit: "Unserer Einschätzung nach ist der sich ergebende Einfluss der mikroklimatischen Effekte auf die Bodenfeuchtigkeit im Vergleich zur einstrahlungsbedingten Verdunstung sehr gering."

Zudem wies der Fachmann auch auf mögliche positive Auswirkungen von Windenergieanlagen wie den Schutz der Pflanzen vor Frost hin. "Dazu möchten wir ergänzen, dass Windenergieanlagen bei starken Stürmen einen abmildernden Effekt haben können, was vor dem Hintergrund der zu erwartenden Zunahme von Wetterextremen im Zuge des Klimawandel zukünftig von Relevanz werden kann."

Kleidon sieht als Hauptursache für Trockenheit und Dürre schließlich "ganz klar den Klimawandel" – und nicht Windenergieanlagen.

Fazit: Online heißt es irreführenderweise, dass eine chinesische Studie bestätige, dass Windräder mehr Trockenheit und Dürre verursachen würden. Tatsächlich geht aus der Studie hervor, dass sich die lokale Bodenfeuchtigkeit in bestimmten Windparks in China verringerte. Mit einer Dürre kann das jedoch nicht gleichgesetzt werden. Laut Fachleuten haben Windräder keinen großräumigen Einfluss auf die Trockenheit der Umgebung oder das globale Klima.