Wirken die neuen Grenzkontrollen gegen Schleuser? MDR-Doku gibt deutliche Antwort

Bewähren sich Grenzkontrollen im Kampf gegen den illlegalen Mingrantenzustrom? "Jagd auf Schleuser - wirken Grenzkontrollen?" (MDR) versucht, die Frage zu klären. (Bild: MDR)
Bewähren sich Grenzkontrollen im Kampf gegen den illlegalen Mingrantenzustrom? "Jagd auf Schleuser - wirken Grenzkontrollen?" (MDR) versucht, die Frage zu klären. (Bild: MDR)

Lange hat es gedauert, seit Mitte Oktober gibt es sie: stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien. Nur: Nützen sie etwas im Kampf gegen Schleuser, die Migranten in Transporter pferchen und nach Deutschland schaffen? Das Team von "Exactly" (MDR) schaute vor Ort nach.

"Wo sind wir?", fragt der Mann, als sich die Tür zur Ladefläche öffnet und er von Bundespolizisten in Empfang genommen wird. "In Deutschland? Gott sei Dank!" Der Migrant kam im September in einem weißen Transporter bei Forst (Brandenburg) aus Polen über die Grenze.

Der Fahrer hatte die provisorische Kontrollstation einfach durchbrochen. Als er von Streifen der Bundespolizei Forst verfolgt und gestellt wurde, flüchtete er zu Fuß. Seine "Kunden" ließ er zurück. Es sind 30 Personen, auf der Ladefläche zusammengepfercht. Bis auf eine Frau und zwei kleine Kinder nur junge Männer aus Syrien, einer aus dem Irak. Warum Deutschland? "Hier helfen alle. Und es ist sicher. Wir wollen leben!"

"So viel Leute rein wie möglich. Was mit ihnen passiert, ist egal."

Frank Malack von der Bundespolizei Forst kennt solche Anblicke: "Es ist menschenunwürdig. Es geht um Gewinnmaximierung. So viel Leute rein wie möglich. Was mit ihnen passiert, ist egal." Die Migranten sind mindestens fünf Stunden lang von der slowakischen Grenze kommen unterwegs gewesen. Gepäck haben sie keines - das würde zu viel Platz wegnehmen.

Das war im September. Damals gab es noch keine festen Grenzkontrollen. Jetzt schon. Hat sich etwas geändert? Jörg Winterbauer ging für die Reportage "Jagd auf Schleuser - wirken Grenzkontrollen?" in der Doku-Reihe "Exactly" (MDR, in der ARD-Mediathek abrufbar) der Frage nach.

Jagd auf Schleuser: "Wir haben eine multiple Krisenlage"

Lange stemmte sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) gegen feste Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz. Zu hoher Personalaufwand, zu viele Einschränkungen für pendelnde Menschen durch Staus und Kontrollen. Sie setzte auf Schleierfahndung. Dann knickte sie ein. Seit dem 16. Oktober gibt es die Grenzkontrollen nun doch.

Der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) forderte die Kontrollen seit Langem. Er sagte schon beim ersten Ortstermin im September: "Wir haben eine multiple Krisenlage. Es ist wichtig zu wissen: Wer kommt da rein?" Nach seiner Ansicht auf jeden Fall zu viele. Konnten die Kontrollen das ändern?

Der wichtigste Unterschied zwischen Schleierfahndung und Grenzkontrolle ist der: Migranten können nur bei einer Kontrolle auf der Grenze zwischen zwei Ländern zurückgewiesen werden. Das ist bei Personen, die auf deutschem Gebiet bei der Schleierfahndung aufgegriffen werden, nicht möglich. Die müssen den Weg der Rückführung gehen. Der ist beschwerlich für alle, langwierig und er funktioniert nicht immer.

Die Grenzen der Kontrollen: "Es kann nicht jeder aufgegriffen werden"

Beim Interview im Oktober ist Schuster zufrieden. "Es gibt keine Meldungen mehr über wilde Verfolgungsjagden, schwere Unfälle mit Verletzten oder gar Toten." Auch gäbe es kaum noch "in Grenznähe orientierungslos umherirrende Gruppen junger Männer". Für Schuster hat vor allem die Kombination aus Schleierfahndung und Grenzkontrolle Zukunft. Es könne nicht jeder aufgegriffen werden. Aber: "Es ist besser geworden."

Das bestätigt die Statistik: In den 30 Tagen vor Einführung der festen Grenzkontrollen wurden 6.400 illegale Einwanderungsversuche vermerkt, in den 30 Tagen danach nur 2.800. In den vier Wochen vor den Grenzkontrollen wurden 5.000 Neuankömmlinge in Erstaufnahme-Einrichtungen registriert, in den vier Wochen danach nur 2.800. Für Heiko Teggatz, den Vorsitzenden der deutschen Polizeigewerkschaft, keine Überraschung: "Je höher die Kontrolldichte, desto größer das Risiko für die Schleuser."

Pro Migrant kassieren die Schleuser 9.000 Euro - der Fahrer bekommt 350

Die Fahrer der Schleuserfahrzeuge werden oft aufgegriffen. Im Görlitzer Gefängnis sitzen 90 in Untersuchungshaft. Die Justiz wird Monate beschäftigt sein. Nicht alle werden verurteilt. Der Fahrer des 30-Mann-Dukatis, ein 18-jähriger syrischer Asylbewerber, wird von der Staatsanwaltschaft laufen gelassen. Die zu erwartende Strafe sei, zumal der Mann nicht vorbestraft ist, nicht hoch genug.

So glimpflich kommen nicht alle davon. In Görlitz ist Autor Winterbauer beim Prozess gegen zwei spanische Staatsbürger marokkanischer Herkunft dabei. Sie haben im Rhein-Main-Gebiet gewohnt, als sie in einer Shisha-Bar angesprochen wurden, ob sie sich nicht "was dazuverdienen" wollten. Für die erste Fahrt bekamen sie 350 Euro. Bei der zweiten wurden sie erwischt. Jetzt geht's für einen zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Der andere - Ersttäter - kommt mit Bewährung davon.

Die 30 Personen im Sammeltransport zahlten zwischen 8.000 und 10.000 Euro "Beförderungsgeld". Der Schleuserfahrer bekommt 350 Euro. "Die Fahrer sind die kleinsten Fische", sagt eine Verteidigerin. "Sie tragen das Risiko, andere machen das große Geld."

Schießerei zwischen Scheluserbanden in Serbien

Der Migrantenstrom hat sich zumindest verlangsamt. Denn die Einrichtung von Grenzkontrollen durch die deutsche Bundespolizei setzte eine Kettenreaktion in Gang. Danach verstärkten auch Polen, Tschechien, die Schweiz und auch Ungarn und die Slowakei ihre Grenze.

Hinzu kommt, dass es in Serbien einen besonderen Vorfall gab. Nach einer Schießerei zwischen Schleuserbanden griff die Polizei durch und räumte alle illegalen Flüchtlingslager. Die Migranten wurden in offizielle Einrichtungen verbracht, außerhalb derer sie sich nicht einfach so frei bewegen können - also auch nicht weiter auf der Westbalkan-Route Richtung Deutschland. Auch Frontex sah die Auswirkungen: "Der Migrationsdruck wird geringer", heißt es, allerdings mit der Einschränkung: vorübergehend.