Die Woche in Europa - Von Gipfeln und Kriegen

Beim Herbstgipfel der Europäischen Union diese Woche in Brüssel gab es ein Wiedersehen mit einem bekannten Gesicht, das, um einen zeitgenössischen deutschen Dramatiker zu zitieren, vor allem gemischte Gefühle auslöste.

Robert Fico steht erneut an der Spitze einer Regierung in der Slowakei. Seine Partei "Richtung – Slowakische Sozialdemokratie", kurz SMER, ist zwar nach wie vor Teil der europäischen sozialdemokratischen Parteienfamilie, aber ein immer unbequemerer. Sein Wahlprogramm ist nicht anders als populistisch zu nennen, mit offen euroskeptischen und pro-russischen Tendenzen.

Kurz vor Beginn des Gipfeltreffens kündigte er denn auch an, eines seiner lautesten Wahlversprechen einzulösen und die Militärhilfe seines Landes an die Ukraine einzustellen.

Der Vorsitzende der europäischen Sozialdemokraten (SPE), der ehemalige schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven, warnte bereits Anfang diesen Monats, dass er das formale Verfahren zum Ausschluss von SMER aus der SPE einleiten werde, falls Ficos Rhetorik ihren konkreten Ausdruck in seiner Regierungspolitik findet.

Aber zurück zum Gipfel, der diesmal gewissermaßen ein Kriegsrat war.

Denn nicht nur stand die Ukraine wieder auf der Tagesordnung, sondern natürlich auch der Krieg zwischen Israel und der Hamas.

Nach stundenlangen Diskussionen, ob die Union nun eine Waffenruhe, oder gar -stillstand, eine Feuerpause und einen humanitären Korridor - oder vielleicht mehrere? - für den Gazastreifen fordern sollte, einigte man sich auf eine Erklärung in der dann der Plural die Oberhand gewann. Und so fordert Europa nun

"einen kontinuierlichen, raschen, sicheren und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe; es muss mit allen erforderlichen Maßnahmen, einschließlich humanitärer Korridore und Pausen zu humanitären Zwecken, dafür gesorgt werden, dass die Hilfe zu den Bedürftigen gelangt",

und nicht, wie die Vereinten Nationen, einen Waffenstillstand.

Und obwohl die Erklärung auch peinlich genau darauf achtet, das Recht zur Selbstverteidigung Israels gegenüber der Terrororganisation Hamas nicht in Frage zu stellen, konnte sich Ratspräsident Charles Michel einen kritischen Unterton nicht verkneifen:

"Eine totale Belagerung steht nicht im Einklang mit dem Völkerrecht, das bestätige ich - das ist ein Grundsatz des Völkerrechts. Die humanitäre Lage im Gazastreifen hat sich ernsthaft verschlechtert, weshalb wir der Meinung sind, dass die EU alles in ihrer Macht Stehende tun sollte, um zur Lösung der Frage des humanitären Zugangs beizutragen."

Unmittelbar vor dem Gipfeltreffen nahmen einige EU-Staats- und Regierungschefs auch am zweiten Tag des so genannten Global Gateway Forums teil.

Dabei handelt es sich um den Plan der EU für eine Infrastrukturpartnerschaft, die mit Chinas "Belt and Road"-Initiative konkurrieren soll, vor allem in Bereichen wie Digitalisierung, Klima und Energie sowie Gesundheit und Bildung .

Die EU kündigte eine Reihe von neuen Investitionsabkommen mit Entwicklungsländern in Afrika und Asien an.

Der 300-Milliarden-Euro-Plan, der sich bis 2027 erstreckt, ist von der EU natürlich auch - wie sein chinesisches Vorbild - als ein Instrument zur Ausweitung des geopolitischen Einflusses in der Welt gedacht.

Die Chefin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, präsentierte die EU dabei als "bessere Wahl" in der Entwicklungszusammenarbeit, mit klaren Seitenhieben auf das chinesische Modell:

"Bei Global Gateway geht es darum, den Ländern eine Wahl zu geben, und zwar eine bessere Wahl. Denn für viele Länder auf der ganzen Welt sind die Investitionsmöglichkeiten nicht nur begrenzt, sondern sie sind auch mit viel Kleingedrucktem und einem sehr hohen Preis verbunden. Manchmal ist es die Umwelt, die den Preis zahlt. Manchmal sind es die Arbeitnehmer:innen, die ihrer Rechte beraubt werden. Manchmal werden ausländische Arbeitskräfte ins Land geholt. Und manchmal ist es die nationale Souveränität, die beeinträchtigt wird."

Eines der Länder, die eine neue Partnerschaft mit der EU im Wert von fast 400 Millionen Euro unterzeichneten, war Bangladesch.

Bangladesch ist ein Land mit 170 Millionen Einwohnern, das in den 50 Jahren seiner Unabhängigkeit von einem der ärmsten Länder der Welt zu einem Land mit mittlerem Einkommen aufgestiegen ist.

Bangladesch ist seit einigen Jahren Partner der chinesischen Initiative und hat nicht die Absicht, sie aufzugeben.

Aber es gibt noch viel zu tun, wie Premierministerin Sheikh Hasina unserer State of te Union-Moderatorin Isabel Marques da Silva am Mittwoch in einem exklusiven Interview erklärte:

Sheikh Hasina, Premierministerin von Bangladesch:

Ich denke, es ist eine große Chance, denn wir wurden gerade ausgewählt. Das wird uns helfen, unser Land weiter zu entwickeln. Und noch etwas sage ich Ihnen: Die Außenpolitik von Bangladesch ist sehr klar: "Freundschaft zu allen ist Freundschaft zu keinem". Eigentlich bekommen wir Kredite und zahlen sie mit Zinsen zurück. Um unsere Entwicklung voranzutreiben, versuchen wir also, alles zu bekommen, was unserem Land nützt.

Isabel Marques da Silva, Euronews

Erwarten Sie, dass neben den Investitionen auch der Aufbau von Kapazitäten und die Weitergabe von Wissen und Fähigkeiten an die Arbeitskräfte gefördert wird?

SH

In allen Projekten, die wir jetzt durchführen, arbeiten definitiv unsere Leute mit. Es handelt sich also um eine Art von Ausbildung, die sie erhalten. Und tatsächlich profitieren die Menschen davon. Sie bekommen Arbeit und können sich Wissen aneignen.

Euronews

Bangladesch ist ja eines der Länder, die sehr stark vom Klimawandel, von Naturkatastrophen und Überschwemmungen betroffen sind. Welche Projekte in diesem Bereich würden Sie gerne umsetzen? Und sind Sie der Meinung, dass westliche Mächte mehr Verantwortung bei der Finanzierung von Anpassungs- und Abschwächungsmaßnahmen übernehmen sollten?

SH

Sie sollten einen Beitrag leisten. Auch für andere kleine Inselstaaten und andere Länder, die betroffen sind, vor allem klimatisch anfällige Länder. Sie brauchen Unterstützung und Hilfe, und ich bin immer bereit, unser Fachwissen weiterzugeben. Das tun wir auch.

Euronews

Bangladesch beherbergt mehr als eine Million Flüchtlinge, Rohingya-Flüchtlinge aus Myanmar. Was sind Ihre Ratschläge und Vorschläge für ein besseres globales Management von Flüchtlingen und Migranten?

SH

Nach der Pandemie COVID 19 und dem Krieg in der Ukraine sowie den Sanktionen und Gegensanktionen hat sich die Hilfe, die wir erhalten haben, leider verringert. Aber ich habe Ursula (von der Leyen)) und auch das Katastrophenmanagement-Team und andere gebeten, etwas zu tun, damit die Hilfe zurückkehren kann. Denn ich weiß, dass ein Leben als Flüchtling nicht sehr würdevoll ist.