Yahoo Jahresrückblick 2023: Die wichtigsten medizinischen Fortschritte

Das Jahr 2023 ist bald vorbei und es ist Zeit, einen Blick auf die vergangenen zwölf Monate zu werfen. 2023 war dominiert von Kriegen und Krisen. Doch auch fernab davon gab es viele Geschichten, Schlagzeilen, technologische Innovationen und einiges mehr. Es wird sicher als ein Jahr in Erinnerung bleiben, das die Welt nachhaltig geprägt hat.

Auch im medizinischen Bereich gab es in 2023 viele neue Entdeckungen und Fortschritte: Miniroboter, die durch den Körper wandern, neue Chancen bei der Heilung von Brustkrebs, spektakuläre Transplantationen und mehr. Auch Corona war erneut ein Thema. Die wichtigsten News gibt es hier im Überblick.

Forschen für die Gesundheit der Menschen - 2023 brachte viele wichtige Erkenntnisse. (Bild: Getty Images)
Forschen für die Gesundheit der Menschen - 2023 brachte viele wichtige Erkenntnisse. (Bild: Getty Images)

Als höchste Auszeichnung unter Forschenden gilt der Nobelpreis. Der Stifter Alfred Nobel legte in seinem Testament fest, dass die Auszeichnung denen verliehen wird, die im zurückliegenden Jahr der Menschheit den größten Nutzen gebracht haben. Der Nobelpreis wird in den Kategorien Physik, Chemie, Physiologie, Literatur, Medizin und für Friedensbemühungen vergeben und traditionell am 10. Dezember, dem Todestag Nobels, verliehen.

Medizin-Nobelpreis 2023 geht an Corona-Impfstoff-Pioniere

Anfang Oktober gab das das Karolinska-Institut in Stockholm bekannt, wer in 2023 den Nobelpreis für Medizin bekommen soll: die in Ungarn geborene Biochemikerin Katalin Karikó und der US-Immunologe Drew Weissman. Beide hatten entscheidende Grundlagen zur Entwicklung sogenannter mRNA-Impfstoffe gegen Corona entwickelt.

Die Preisträger hätten mit ihrer Forschung "zu dem beispiellosen Tempo der Impfstoffentwicklung während einer der größten Bedrohungen für die menschliche Gesundheit in moderner Zeit" beigetragen, hieß es in der Begründung.

Auch der Impfstoffhersteller Biontech gratulierte Weissman und Karikó, die jahrelang bei dem Mainzer Unternehmen angestellt war.

Mikroroboter, die im Körper Medikamente verteilen

Fast wie in dem berühmten Film Die phantastische Reise aus dem Jahr 1966, in dem CIA-Agenten auf ein mikroskopisch kleines Format geschrumpft werden und in einem U-Boot eine abenteuerliche Reise durch einen menschlichen Körper unternehmen …

Forschende an der University of Colorado haben einen winzigen, selbst fahrenden Roboter entwickelt, der sich mit unglaublicher Geschwindigkeit durch Flüssigkeiten bewegen kann, wie das Wissenschaftsmagazin The Science Times im Mai dieses Jahres berichtete.

Die Roboter sind kleiner, als die Breite eines menschlichen Haares und können sich mit einer Geschwindigkeit von drei Millimetern pro Sekunde fortbewegen, was relativ gesehen sogar schneller ist als ein Gepard. Geparden sind bekannt als die schnellsten Landtiere der Welt und bringen es auf Geschwindigkeiten von bis zu 130 Stundenkilometern.

Gedacht sind die winzigen Maschinen unter anderem dafür, Medikamente in lebenden Körpern direkt zu den Organen zu bringen, die versorgt werden sollen. Versuche mit Labormäusen, denen tausende dieser Maschinen in die Blase eingesetzt wurden, verliefen vielversprechend. Die Mikoroboter setzten zwei Tage lang das Medikament Dexamethason ab, ein Steroid-Medikament, das zur Behandlung verschiedener entzündlicher Erkrankungen eingesetzt wird.

Die Forscher sehen Chancen, dass die Mikroroboter bei der Heilung von Blasenerkrankungen und anderen Gesundheitsproblemen künftig nützlich sein könnten.

Das Team stellte aber auch klar, dass noch viel Arbeit nötig sein werde, bevor die Maschinen im menschlichen Körper zum Einsatz kommen können. Derzeit werde daran gearbeitet, dass die Roboter biologisch abbaubar sind und sich im Körper einer Person auflösen.

Vorstellbar sei es auch, dass die Roboter andere Aufgaben durchführen, wie etwa invasive Operationen.

Weltweit erste vollständige Augen-Transplantation

Im November dieses Jahres kamen sensationelle Nachrichten aus New York. Dort ist es einem US-amerikanischen Chirurgenteam nach eigenen Angaben zufolge erstmals gelungen, ein vollständiges Auge zu transplantieren.

In einer 21-stündigen Operation wurde dem US-Amerikaner Aron James erfolgreich ein neues Auge eingesetzt.

Laut der Deutschen Presseagentur (dpa) verlor James bei seiner Arbeit an Hochspannungsleitungen sein linkes Auge und die Hälfte seines Gesichts, als er ein stromführendes 7.200-Volt-Kabel berührte. In der Operation, bei der 140 medizinische Fachkräfte mitwirkten, wurde dem 46-Jährigen die verletzte Gesichtshälfte wieder hergestellt und das Auge ersetzt.

Ob der Patient mit dem gespendeten Auge aber auch wirklich wird sehen können, sei aber noch unklar, wie das Medizinische Zentrum in New York mitteilte. Der direkte Blutfluss zur Retina, der dafür zuständig ist, empfangene Bilder an das Gehirn zu senden, sei aber ein gutes Zeichen.

Medikament gegen Wochenbettdepression zugelassen

Kinder zu bekommen, ist für viele Frauen das höchste Glück im Leben. Doch in einigen Fällen schlägt während der Schwangerschaft oder danach eine Wochenbettdepression gnadenlos zu. Zehn bis 15 Prozent der Mütter sind von dieser postpartalen Depression betroffen, die unter anderem durch die massive Hormonumstellung während der Schwangerschaft ausgelöst wird. Die Frauen leiden dann unter schweren, psychischen Problemen, Panikattacken und im schlimmsten Fall unter Suizidgedanken.

Das neue, in den USA zugelassene Medikament Zurzuvae verspricht nun Hoffnung, wie die U.S. Food and Drug Administration (FDA) bekannt gab.

Die positiven Effekte sollen sich schon wenige Tage nach der Einnahme der Pille einstellen. Andere Antidepressiva, die bislang bei Wochenbettdepressionen zum Einsatz kamen, wirken erst nach 14 Tagen und müssen mehrere Monate eingenommen werden. Zurzuvae wird nach zwei Wochen wieder abgesetzt und der Behandlungseffekt hält nach der letzten Einnahme noch vier Wochen an.

Neues Antibiotikum entschlüsselt

Gute Nachrichten gaben im August Forschende der Universität Bonn, des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) bekannt. Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Utrecht (Niederlande), der Northeastern University in Boston (USA) und der Firma NovoBiotic Pharmaceuticals in Cambridge (USA) haben sie ein neues, besonders starkes Antibiotikum entdeckt.

Das Antibiotikum namens Clovibactin attackiert hochwirksam die Zellwand von Bakterien, einschließlich zahlreicher multiresistenter Krankenhauskeime, teilten die Wissenschaftler mit.

Das Team im Institut für Pharmazeutische Mikrobiologie: - (von links) Annika Krüger, Prof. Dr. Tanja Schneider, Dr. Stefania De Benedetti und Dr. Fabian Grein. (Bild: Gregor Hübl/Uni Bonn)
Das Team im Institut für Pharmazeutische Mikrobiologie: - (von links) Annika Krüger, Prof. Dr. Tanja Schneider, Dr. Stefania De Benedetti und Dr. Fabian Grein. (Bild: Gregor Hübl/Uni Bonn)

"Das neue Antibiotikum attackiert gleichzeitig an mehreren Stellen den Aufbau der bakteriellen Zellwand in dem es essentielle Bausteine blockiert", so Prof. Dr. Tanja Schneider vom Institut für Pharmazeutische Mikrobiologie der Universität Bonn und des Universitätsklinikums Bonn. Mit ungewöhnlicher Intensität heftet es sich gezielt an diese Bausteine und tötet die Bakterien, indem es ihre Zellhülle zerstört.

Clovibactin wirkt vor allem auf grampositive Bakterien. Hierzu zählen die als "Krankenhauskeime" bekannten MRSA, aber auch die Erreger der weit verbreiteten Tuberkulose, an der weltweit viele Millionen Menschen erkranken. "Wir sind sehr zuversichtlich, dass die Bakterien nicht so schnell Resistenzen gegen Clovibactin entwickeln", so Tanja Schneider.

Weltweit erste erfolgreiche Behandlung der Autoimmunkrankheit Myasthenie

Gelähmte Augenlider, Schluck- und Atembeschwerden und Muskelschwäche in Armen und Beinen – Menschen die an Myasthenia gravis (auch Myasthenie) erkranken, leiden unter diesen quälenden Symptomen.

Ein Ärzteteam der Universitätsmedizin Magdeburg hat im Rahmen eines individuellen Heilversuchs eine an der Autoimmunkrankheit erkrankte 34-Jährige weltweit erstmals erfolgreich behandelt. Die Mediziner verwendeten dafür die sogenannte CAR-T-Zell-Therapie, die bisher vor allem bei der Behandlung von Blut- und Lymphdrüsenkrebs eingesetzt wurde.

Zwei Jahre vor der Behandlung war die Frau ein Pflegefall und auf eine Gehhilfe angewiesen. "Mehrmals im Jahr musste unsere Patientin aufgrund von schweren Krankheitsschüben intensivmedizinisch im Krankenhaus behandelt werden und eine künstliche Beatmung war wiederholt notwendig. Verschiedene immununterdrückende Therapien waren nur unzureichend wirksam", so Prof. Haghikia, Experte im Bereich der Neuroimmunologie.

Für die Therapie wurden der 34-Jährigen zunächst T-Zellen entnommen und genetisch zu sogenannten chimären Antigenrezeptor-(CAR-)T-Zellen reprogrammiert. Diese erkennen ein bestimmtes Eiweiß auf der Oberfläche von B-Zellen und zerstören sie dann. Nach der Behandlung im Mai 2023 ging es schnell bergauf. "Nach kurzer Zeit waren alle B-Zellen, auch die schädlichen, eliminiert und die Therapie wurde sehr gut vertragen", erklärt Haghikia.

Foto (v.l.): Prof. Dr. med. Hans-Jochen Heinze, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Magdeburg, Prof. Dr. rer. nat. Daniela Dieterich, Dekanin der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Prof. Dr. med. Aiden Haghikia, Direktor der Universitätsklinik für Neurologie Magdeburg, Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff, Prof. Dr. med. Dimitrios Mougiakakos, Direktor der Universitätsklinik für Hämatologie und Onkologie Magdeburg und Marco Bohn, Kaufmännischer Direktor des Universitätsklinikums Magdeburg. (Bild: Emanuel Oropesa Benitez/UMMD)

Die Mutter von vier Kindern konnte zügig entlassen werden, es geht ihr von Woche zu Woche besser. "Eine Gehhilfe benötige ich nicht mehr und ich gehe zuversichtlich durchs Leben, insbesondere weil ich inzwischen alles alleine erledigen kann. Ich bin sehr glücklich darüber und den Ärzten sehr dankbar", sagte die Patientin.

Die Magdeburger Gruppe hatte ihre Ergebnisse im renommierten Fachjournal The Lance Neurology veröffentlicht und will jetzt größere kontrollierte Studien durchführen, um diesen Behandlungserfolg zu validieren und damit diese Form der Therapie möglichst vielen Patientinnen und Patienten in der nahen Zukunft zugänglich zu machen.

Französische Ärzte transplantierten erstmals Kehlkopf

Eine 49-jährige Französin ist der weltweit vierte Mensch, dem in 2023 erfolgreich ein Kehlkopf transplantiert wurde, wie die Nachrichtenagentur AFP im November vermeldete.

Die Operation wurde Anfang September von einem Ärzteteam in der französischen Stadt Lyon durchgeführt. Der französische Arzt Philippe Céruse hatte sich jahrelang auf diesen Eingriff vorbereitet.

Die Patientin hatte nach Komplikationen infolge einer künstlichen Beatmung 1996 ihre Stimme verloren und atmete seit etwa 20 Jahren durch einen direkten Zugang zur Luftröhre. Die Frau hatte sich bereits vor zehn Jahren freiwillig für die Transplantation gemeldet. Schon wenige Tage nach dem Eingriff konnte sie einige Worte sprechen.

Für die komplizierte Operation musste ein perfektes Spenderorgan gefunden werden. Geschlecht, Größe, Gewicht und Blutgruppe des Spenders und des Empfängers müssen übereinstimmen. Die Entnahme des Organs dauerte etwa zehn Stunden, das Einpflanzen weitere 17 Stunden. Zwölf Chirurgen und etwa 50 weitere Assistenten waren an der Operation beteiligt.

In 1998 und 2010 gelangen in den USA Verpflanzungen von Kehlköpfen, eine weitere folgte 2015 in Polen.

Entdeckung in der Bekämpfung von aggressivem Brustkrebs

Forschenden des Zentrums für Krebsforschung der Medizinischen Universität Wien gelang nach eigenen Angaben ein Durchbruch in der Bekämpfung von Therapieresistenzen bei metastasierendem Brustkrebs. Besonders tückisch sind sogenannte schlafende Tumorzellen, die eine Chemotherapie überleben, häufig unentdeckt bleiben und Tumorrückfälle auslösen können. Das Team hat herausgefunden, dass diese Zellen durch die Hemmung eines bestimmten Proteins namens P-Glykoprotein (P-gp) angegriffen werden können.

Die Rosa Schleife ist ein internationales Symbol, um das Bewusstsein gegen Brustkrebs zu stärken und auf Brustkrebs-Früherkennung aufmerksam zu machen. (Bild: Getty Images)
Die Rosa Schleife ist ein internationales Symbol, um das Bewusstsein gegen Brustkrebs zu stärken und auf Brustkrebs-Früherkennung aufmerksam zu machen. (Bild: Getty Images)

Das eröffne neue Möglichkeiten zur Verzögerung von Rückfällen und sei vor allem für die besonders gefährliche Form des dreifach negativen Brustkrebses von Bedeutung, da es für diese aggressive Form derzeit nur wenige wirksame Behandlungen gebe. "P-gp ist als ein Protein bekannt, das Chemotherapeutika aus den Zellen exportieren kann, aber seine Rolle beim Schutz ruhender Krebszellen ist nicht erwiesen. Die Entdeckung, dass P-gp zur Entfernung von toxischen Lipiden aus seltenen überlebenden Krebszellen beiträgt, stellt eine Schwachstelle dar, die ausgenutzt werden kann, um einen Rückfall zu verhindern. Das Gute daran ist, dass es bereits Medikamente gibt, die dieses Protein blockieren können, so dass wir unsere Hypothese testen konnten", erklärt Gergely Szakács, der Hauptautor der Studie.

Ein Mausmodell für dreifach-negativen Brustkrebs verlief erfolgreich und verlängerte das Überleben der Mäuse signifikant. Die Forschenden arbeiten nun daran, die Ergebnisse in die klinische Praxis zu übertragen und hoffen, dass dadurch künftig Patientinnen mit dreifach-negativem Brustkrebs bessere Chancen auf Heilung haben.