Yahoo Jahresrückblick 2023: Die größten Politik-Skandale

Der Baum steht noch: Eine zerstörte Wohnung in Kiew kurz vor Weihnachten nach einem russischen Drohnenangriff (Bild: Press service of Kyiv City Military Administration)
Der Baum steht noch: Eine zerstörte Wohnung in Kiew kurz vor Weihnachten nach einem russischen Drohnenangriff (Bild: Press service of Kyiv City Military Administration)

Das Jahr 2023 ist bald vorbei – Zeit, einen Blick auf die vergangenen zwölf Monate zu werfen: An Skandalen in der Politik war dieses Jahr nicht arm. Hier eine willkürliche Zusammenstellung des „Best of“.

Eine Chronik von Jan Rübel

Es Kriege und Krisen. Rücktritte und Neuanfänge. Jedenfalls fühlte sich die Politik in Deutschland und in der Welt wie im Dauerstress. Hauptsache, nicht untergehen – das war das Motto. Vor allem wurde 2023 in der Politik gemanagt, gestaltet wurde weniger; so ist das in Krisenzeiten. Einige Peinlichkeiten indes ragten heraus.

Silvesterböllerei Berlin

Am vergangenen Silvester wurde in Berlin besonders heftig Krieg gespielt. Einigen Leuten war wohl nicht Krieg genug. Staatsbedienstete wurden mit Böllern beworfen, auch Zivilisten – es war ein einziges blödes Ungemach. Dann aber wurde ein Fass aufgemacht. Weil nicht wenige der Krawallinskis eine Einwanderungsgeschichte hatten, meinten Parteien, dieses Böllerproblem zu einem Integrationsproblem umdeuten zu können. Dass woanders von anderen Deutschen ähnlich rumgeprollt wurde, nahm man schlicht nicht zur Kenntnis. Mal sehen, wie es diesmal läuft.

Silvester-Krawalle hinterließen vor einem Jahr ein Bild der Verwüstung in Berlin (Bild: Sean Gallup/Getty Images)
Silvester-Krawalle hinterließen vor einem Jahr ein Bild der Verwüstung in Berlin (Bild: Sean Gallup/Getty Images)

Bolsonaro macht auf Trump

In Brasilien hatte Präsident Jair Bolsonaro die Wahlen verloren. Schon vorher hatte er Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Votums geschürt – nur um im Fall einer Niederlage einen Hebel zu finden. Die Wahlen waren fair. Bolsonaro war es nicht. Seine Anhänger stürmten am 8. Januar den Kongress, den Obersten Gerichtshof und den Regierungssitz. Ihr Ziel: Durch Chaos eine Machtübergabe an den Wahlgewinner verhindern. Hat nicht geklappt. Aber unter Rechtspopulisten scheint dieser Trick in Mode zu kommen.

Christine Lambrecht tritt zurück

Noch zum Neujahr versandte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) eine etwas wirre Grußbotschaft, dann war bald Schluss. Im Amt zeigte sie nicht den Einsatz und die Vision, die nötig gewesen wären. Vielleicht schielte sie auf Anderes. Aber sie stand ja nicht nur einer Schützenvereinskapelle vor. Deshalb zog Kanzler Olaf Scholz (SPD) die Reißleine, entließ sie am 19. Januar und entschied sich für Boris Pistorius als Nachfolger.

Boris Pistorius löste Christine Lambrecht als Verteidigungsminister ab (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)
Boris Pistorius löste Christine Lambrecht als Verteidigungsminister ab (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)

Franziska Giffey narrt ihre Wähler

Die regierende Bürgermeisterin von Berlin hatte nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus die Chance, ihre bisherige Koalition mit Grünen und Linkspartei fortzuführen. Doch Franziska Giffey (SPD) entschied sich für ein Bündnis mit der CDU, trimmte Parteikader und Basis auf ihren Kurs und ist nun Juniorpartnerin. Kai Wegner übernimmt Ende April ihr Amt. Klar ist, dass die meisten SPD-Wähler ein „Weiter so“ der Regierung gewünscht hätten. Giffey setzte sich darüber hinweg.

Gewaltshow mit bösen Folgen

Russlands politisches System kennt die Sprache der Gewalt nur zu gut. Doch was am 23. Juni geschah, überraschte sehr: Der Chef einer Söldnergruppe wagte den Aufstand gegen den Kreml. Jewgeni Prigoschin ließ seine Wagner-Kämpfer im Konvoi gen Moskau fahren, unter den Getreuen von Präsident Wladimir Putin herrschte Panik. Doch dann behielt der Diktator Oberhand. Monate später starb Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz.

Der Untergang Bergkarabachs

Über Jahrzehnte war umstritten, zu wem diese Region gehört: Ist Bergkarabach armenisch oder aserbeidschanisch? Jedenfalls lebten dort viele Armenier – bis vor kurzem. Denn im September wurden sie vertrieben, 100.000 sind auf der Flucht. Die internationale Gemeinschaft hat tatenlos zugesehen, wie Aserbeidschan auf Grund seiner Stärke am längeren Hebel saß und ihn dann betätigte. Russland hätte als Vermittler auftreten können, versagte aber. Und der Westen ebenfalls, Bergkarabach stand schlicht nicht auf der Agenda. Bezahlt haben dafür die Bewohner.

Schuldenbremse & Heizungsdebatte

Die Bundesregierung hatte in diesem Jahr nicht gerade einen Lauf. Sie packte viel an, vieles ging durch und verbesserte die Republik – das sind die Nachrichten, die kaum durchdrangen. Es gab eben auch jene Meldungen über all jenes, das nicht klappte: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verzettelte sich mit seinem Heizungsgesetz und wurde von seinem Koalitionspartner FDP in den Rücken gefallen. Und dann auch noch die Schuldenbremse: Weil es sie gibt, meinte Kanzler Scholz einen guten Plan zu haben und besorgte sich Geld für den wichtigen Klimatransformationstopf von nicht ausgegebenen Coronaschulden. Das Verfassungsgericht haute ihm auf die Finger. Regierungshandwerkskunst sieht anders aus.

Habecks Delle, Teil 2

Und dann war da noch Habecks Staatssekretär, Patrick Graichen. Der meinte, seinen Trauzeugen einfach mal mit auf einen Topposten bei der Deutschen Energie-Agentur zu hieven, ohne seine private Verbindung mit ihm offenzulegen. Selbstzweifel gab es nicht. Dann aber den Rücktritt.

Ukraine, Ukraine, Ukraine

Da war noch was. Nicht weit von hier. Noch immer wird die Ukraine von Russland angegriffen, die Motive sind weiterhin niedrig, die Gegenoffensive brachte keinen Erfolg – und Putin wirft Soldaten wie Futter nach vorn, weil seine Bevölkerung es ihm erlaubt. Man kriegt halt den Herrscher, den man verdient. Und so verlieren russische Eltern ihre Kinder, und die Ukrainer müssen Unglaubliches mobilisieren, um da gegenzuhalten. Ein Politikskandal ist, dass wir uns daran gewöhnen.

Video: "Wir müssen standhaft bleiben": Im Schützengraben mit ukrainischen Soldaten