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"Die Zeit verfliegt, für uns alle"

Die italienische Sky-Serie "Totti - Il Capitano", beruhend auf einer Autobiografie der römischen Fußball-Legende Francesco Totti, erzählt in sechs Epsioden die letzten beiden Karriere-Jahre des charismatischen Kickers. Pietro Castellitto spielt ihn. (Bild: MailaIacovelli/Fabio Zayed/Wildside/Capri Entertainment)
Die italienische Sky-Serie "Totti - Il Capitano", beruhend auf einer Autobiografie der römischen Fußball-Legende Francesco Totti, erzählt in sechs Epsioden die letzten beiden Karriere-Jahre des charismatischen Kickers. Pietro Castellitto spielt ihn. (Bild: MailaIacovelli/Fabio Zayed/Wildside/Capri Entertainment)

Die Ära fiktional erzählter Biopics über Fußball-Legenden beginnt: Bevor Amazon Ende Oktober Diego Maradona zum Serienhelden macht, arbeitet die italienische Sky-Produktion "Totti - Il Capitano" (ab 30. September, sechs Folgen) schon mal Leben und Karriere von AS Rom-Legende Francesco Totti auf.

Geschichten großer Menschen, die tragisch scheitern, bringen mehr Dramaturgie-Potenzial mit sich als reine Erfolgs-Storys. Bei der Amazon-Serie "Maradona - Leben wie ein Traum" über Diego Armando Marandona (ab 29.10.) wird man nicht viel dazu erfinden müssen, um eine große Lebens-Oper zu inszenieren. Aber eine sechsteilige Biopic-Serie über Francesco Totti? Gut, der heute 45-Jährige spielte 27 Jahre bei AS Rom. Einer der ganz wenigen One-Club-Akteure unter den heutigen Superstars. Totti machte 786 Spiele für die Roma und schoss 307 Tore. Er wurde 2001 italienischer Meister mit AS Rom, eine große Sensation für den nicht ganz oben angesiedelten Verein. Dazu war er zweifacher Pokalsieger, Liga-Torschützenkönig 2007, Spieler des Jahres und natürlich Weltmeister 2006. Privat führt der blonde Stoiker aus einfachen Verhältnissen eine Musterehe mit TV-Moderatorin Ilary Blasi. Das Paar hat drei Kinder.

Doch wie wird aus einer solchen Bilderbuchkarriere eine gute Fiction-Serie? Indem man sich auf den Abschied konzentriert, sagte sich Francesco Totti bereits beim Verfassen seiner Autobiografie "Un capitano", die er mit Paolo Condò schrieb. Auch die Serie "Totti - Il Capitano" (sechs Folgen à 60 Minuten auf Sky Atlantic, in Doppelfolgen ab 30.9. oder "on demand") beruht auf dem Buch. Totti liebt sein Leben als Fußballspieler so sehr, dass er sich schwer damit tut, damit aufzuhören. Erst als er fast 41 ist, gibt er seinen Rücktritt bekannt. Davor haderte er mit dem Älterwerden und der Tatsache, dass ihn sein ehemaliger Lieblingstrainer Luciano Spalletti, als dieser nach sieben Jahren zu AS Rom zurückkehrt, auf der Zielgerade der Karriere systematisch zu demontieren scheint.

Der italienische Schauspieler, Autor und Regisseur Pietro Castellitto spielt die Fußballlegende Francesco Totti. Besonders ähnlich sehen sich die beiden nicht. Dazu kommt, dass Castellito in den vielen Szenen aus der Spätphase von Tottis Karriere etwa zehn Jahre zu jung wirkt. Mit solchen "Ungereimtheiten" geht die Serie relativ locker um.  (Bild: 2021 Sky Italia S.R.L./Wildside S.R.L./Capri Entertainment S.R.L./Fremantlemedia Limited/The New Life Company S.R.L.)

Ein Dokumentarfilm als Serien-Konkurrenz

Die Serie (Drehbuch: Stefano Bises, Michele Astori und Maurizio Careddu, Regie: Luca Ribuoli) macht nicht den Fehler, die "Luxusprobleme" des Francesco Totti (Pietro Castellitto) zum Kampf auf Leben und Tod hochzustilisieren. Das serienästhetisch eher tragikomische Werk berichtet von einem Helden, der einfach nicht aufhören kann. Vielleicht weil er nicht weiß, was danach kommen soll. Besonders die Szenen mit Tottis damals mit dem dritten Kind schwangeren Frau Ilary (stark: Greta Scarano) sind anrührend und sehenswert. Dazu gibt es kunstvoll verfremdete Szenen aus Tottis Star-Leben und zu Bildern, die bisweilen an das stylisch-expressionistische Kino eines Wes Anderson erinnern, spielt melancholischer Indie-Rock von Wilco.

Wer die Aufarbeitung der märchenhaften Karriere des ewigen Römers, der während seiner Karriere zahlreiche besser dotierte Angebote namhafter Clubs wie Real Madrid ausschlug, lieber als Dokumentarfilm sehen möchte, wird übrigens beim gleichen Sender fündig. "Mein Name ist Francesco Totti" heißt die non-fiktionale Sky-Konkurrenz, basierend auf derselben Autobiografie. Dieser 107 Minuten lange Film, erzählt von Totti selbst, enthält deutlich mehr und - nachvollziehbar - bessere Fußballszenen. Dazu ist die Doku, die bei Sky jederzeit auf Abruf anzuschauen ist, wegen der Direktheit ihrer Erzählung aus Tottis eigenem Mund ziemlich anrührend, weil hier ein eigentlich stiller Mensch in klarer, einfacher Sprache über sein besonderes Leben berichtet. Tottis Karriere ist schon groß genug, da braucht es weder Zusatz-Drama noch Wortungetüme.

Was vor allem dem Dokumentarfilm auf exzessive, aber großartige Weise gelingt, ist das Zelebrieren des Abschieds. Locker 15 Minuten dauert darin Tottis letzter Tag als aktiver Fußballspieler. Die Kameras begleiten sein Gesicht, das immer schon aussah wie das eines melancholischen Action-Helden, quasi in Zeitlupe am 28. Mai 2017, als 70.000 weinende Roma-Fans zum letzten Spiel des Capitano gegen Genua pilgern. "Die Zeit verfliegt, für uns alle", sagt Francesco Totti im Film. Es ist der Abschied eines Mannes, der nie gehen wollte. Genug Drama - auch für eine Serie, sollte man meinen.

Francesco Totti (Pietro Castellitto, rechts) und sein neuer alter Trainer Luciano Spalletti (Gianmarco Tognazzi, links) verstehen sich bei der Rückkehr Spallettis zur Roma nicht mehr. (Bild: 2021 Sky Italia S.R.L./Wildside S.R.L./Capri Entertainment S.R.L./Fremantlemedia Limited/The New Life Company S.R.L.)
Francesco Totti (Pietro Castellitto, rechts) und sein neuer alter Trainer Luciano Spalletti (Gianmarco Tognazzi, links) verstehen sich bei der Rückkehr Spallettis zur Roma nicht mehr. (Bild: 2021 Sky Italia S.R.L./Wildside S.R.L./Capri Entertainment S.R.L./Fremantlemedia Limited/The New Life Company S.R.L.)