Leipzigs neue Reizfigur: Wie Neymar - auch im Schlechten
Daran, dass Xavi Simons ein begnadeter Fußballer ist, zweifelt im Grunde niemand mehr. Längst ist der Edeltechniker essenziell für RB Leipzig geworden. Der 20-Jährige steht für elegante, dynamische Aktionen und verbucht alleine in der Bundesliga sieben Tore und zwölf Assists. Doch zu Simons gehört auch, dass er mit seinem Verhalten immer wieder aneckt. Wer einen Beweis haben möchte, muss sich nur das Spiel der Sachsen am Freitag beim 1. FC Köln (5:1) anschauen.
Warum? Weil der Niederländer rein aus sportlicher Hinsicht eine wieder mal bärenstarke Leistung ablieferte. Durch sein enormes Tempo und seine gefürchtete Wendigkeit war er für die abstiegsbedrohten Rheinländer selten zu fassen. Auch nicht in der 15. Minute, als Simons den haushohen Favoriten nach einer starken Kombination in Führung brachte. In zentraler Lage nahm er ein Zuspiel von Teamkollege Benjamin Sesko perfekt mit und schob aus 13 Metern lässig ins rechte Eck ein.
Im Anschluss schaffte es Simons aber, den Zorn der gesamten Kölner Südkurve auf sich zu ziehen. Nachdem der Ball ins Netz geflogen war, rannte der Offensivspieler einmal hinter dem Tor herum, jubelte mit weit ausgestreckten Armen und formte mit seinen Fingern wie üblich einen Telefonhörer, den er sich an sein Ohr hielt. Direkt dort, wo die Social-Media-Angestellte von Leipzig wartete - aber auch der harte Kern der FC-Anhänger beheimatet ist, der sich provoziert fühlte. Schiedsrichter Florian Badstübner redete anschließend auf Simons ein.
Simons-Jubel? „Vor der Kölner Fankurve ein unglücklicher Ort“
Nur war es da schon zu spät. Mit seiner Jubel-Aktion hatte sich Simons bei den heimischen Fans natürlich keine Freunde gemacht. Fortan wurde der Youngster durchweg ausgepfiffen und war, deutlich über die Außenmikrofone hörbar, ständigen Beleidigungen ausgesetzt. Mittlerweile fast eine Standardabfolge in Ligaspielen mit Simons. Kaum jemand wird vom gegnerischen Publikum so leicht zur Hassfigur erklärt. Kaum jemand reizt Anhänger und Gegenspieler so sehr wie er.
Diesmal jedoch mit dem kleinen Unterschied, dass die Situation beinahe eskaliert wäre. Kurz vor der Pause gab es einen Eckball für die Gäste, den Simons zusammen mit David Raum vor der Südtribüne ausführte. Von dort flog plötzlich eine kleine, leere Glasflasche auf den Rasen und verfehlte die beiden Leipziger - zum Glück - knapp. Eine sehr gefährliche Szene. Simons hob den Gegenstand erbost auf, gestikulierte wild in die Richtung von Schiedsrichter Badstübner, dann auch zu den Kölner Fans. Die Gemüter beruhigten sich erst einige Sekunden und hitzige Diskussionen später wieder.
„Xavi wollte mit dem Jubel keinen provozieren“, erklärte RB-Coach Marco Rose nach der Partie, als er auf der Pressekonferenz zu seinem Schützling befragt wurde. „Wenn er das doch getan hat, tut es ihm sicherlich leid. Er jubelt aber immer so, rennt zur Eckfahne und feiert in Richtung Kameras. Vor der Kölner Fankurve war das ein unglücklicher Ort, aber von mir hat er volle Rückendeckung.“ Mit Blick auf das Wurfobjekt fügte Rose hinzu: „Warum eine Glasflasche auf den Platz fliegt, ist die angebrachtere Frage.“
Auch Raum versuchte, Simons zu verteidigen, sah aber ein, dass der 20-Jährige „ein junger Kerl mit viel Talent ist, der bei vielen Fans immer wieder für Ärger sorgt“. Der Grund, weshalb ihn Rose und der deutsche Nationalspieler in der Halbzeit packten? „Wir haben gesagt, dass wir hinter ihm stehen. Und auch der Schiri hat es super gemacht und ihn in Schutz genommen“, bekräftigte Raum.
Ausgerechnet Neymar ist Simons‘ Idol
Dennoch stellt sich mehr und mehr heraus: Der Fußballspieler Simons hat zwei Facetten. Er ist ein unglaublich talentierter Spieler, der technisch extrem versiert ist – aber auch nicht selten zur Reizfigur bei den gegnerischen Fans mutiert oder sich mit Gegenspielern anlegt. Damit erinnert Simons unweigerlich an sein eigenes Idol: Neymar. Wenngleich zur Wahrheit gehört, dass Simons einer der meistgefoulten Spieler der Bundesliga ist.
Simons kennt den Brasilianer aus seiner Zeit beim FC Barcelona. „Er hat sich sehr um mich gekümmert. Das war etwas Großes für mich, und ich bin ihm für immer dankbar“, erklärte der Rechtsfuß kürzlich. Der Superstar habe für ihn eine „Art Vaterrolle“ übernommen. Doch es gibt auf der Fußballwelt eben nur sehr wenige ohne Meinung zu Neymar. Liebe oder Hass, das sind die beiden gefühlt einzigen Kategorien für ihn. Dazwischen: wenig bis nichts.
Dass außergewöhnliche Spieler polarisieren, ist normal. Gerade bei Neymar, der sich durch einen ausgeprägten Hang zur Theatralik und Provokationen auszeichnet. Zu viel sollte sich Simons aber nicht bei seinem brasilianischen Idol abschauen, sonst dürfte er eines Tages in die gleiche Schublade gesteckt werden. Immerhin: Bis es soweit ist, dauert es. Simons steht erst am Anfang seiner Karriere und kann noch viel lernen.