"Da waren nur noch Trümmer" - Schiffsunglück in der Nordsee

 "Wir sinken. Wir brauchen schnell Hilfe", funkt der Kapitän noch. Doch zu spät. Nach der Kollision mit einem Containerschiff sinkt der Frachter "Baltic Ace" 65 Kilometer vor der niederländischen Küste bei Rotterdam. Für elf Seeleute kommt wohl jede Hilfe zu spät. 



Der niederländische Fischer René Sperling hatte den letzten Funkspruch der "Baltic Ace" als Erster gehört. "Der Käptn klang angeschlagen", erinnerte er sich am Donnerstag im niederländischen Fernsehen. "Danach verschwand das Schiff vom Radar." Sperling war mit dem Fischkutter "Zeldenrust" schnell zur Stelle, etwa 65 Kilometer vor der niederländischen Küste südwestlich von Rotterdam. Doch von dem unter der Flagge der Bahamas fahrenden Auto-Frachter war kaum mehr etwas zu sehen. 

Der Aufprall mit dem Containerschiff "Corvus J" aus Zypern muss ein gigantisches Leck in die Schiffswand geschlagen haben. Innerhalb von 15 Minuten sank die "Baltic Ace". Die 24 Seeleute an Bord müssen total überrascht gewesen sein, meinte Kees Brinkman von der königlichen niederländischen Rettungsgesellschaft KNRM. "Das ist zu wenig Zeit, um die Überlebensanzüge anzuziehen", sagte er im Radio. Ohne Schutzkleidung aber hat man in dem eiskalten Wasser kaum eine Chance. "Die Überlebenschancen sind gleich Null." 

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      Die Hälfte der Crew des Frachters kam aus Polen, die übrigen aus Bulgarien, der Ukraine und den Philippinen. Insgesamt 13 Seeleute konnten gerettet werden von den Rettungsflößen oder aus der eisigen Nordsee. Elf wurden unterkühlt in Krankenhäuser von Rotterdam und Belgien geflogen. Fünf Leichen wurden bislang geborgen. Sechs Menschen werden noch vermisst. 

Hilfe kam schnell. Nicht nur die "Zeldenrust", auch andere Schiffe waren rasch zur Stelle. Auch das nur leicht beschädigte Containerschiff "Corvus J" half bei den Rettungsarbeiten. Die Küstenwache setzte Helikopter und Boote ein, zwei Schiffe der Marine halfen bei der Suche und auch ein belgischer Rettungshubschrauber war im Einsatz. Mit Infrarotkameras und Scheinwerfern suchten sie in den schwarzen Wellen nach Überlebenden. 

Kapitän Eric Rodenhuis erreichte mit seinem Rettungsboot zwei Stunden nach der fatalen Kollision die Unglücksstelle. "Da waren nur noch Trümmer, Rettungswesten, Flöße, Bojen", sagte er dem niederländischen Fernsehen. Sie konnten einen Toten bergen. "Das ist bitter. Man kommt doch, um zu retten." 

Bei bis zu vier Meter hohen Wellen und Windstärken von sechs bis sieben stellte die Küstenwache die Suche gegen zwei Uhr in der Nacht ein. Am Donnerstagmorgen fuhren erneut zwei Boote aus. Auch zwei Flugzeuge sowie ein belgischer und ein niederländischer Hubschrauber waren wieder im Einstatz. 

Wie es zu dem Unglück kommen konnte, ist unklar. Der starke Seegang dürfte für die großen Schiffe kein Problem gewesen sein. Der gesunkene Frachter war 148 Meter lang. Möglicherweise hatten beide Kaptitäne zu spät das andere Schiff gesehen, meinen Experten. 

Dieser niederländische Teil der Nordsee ist eine der meistbefahrenen Strecken der Welt. "Wie eine Autobahn", sagte Sprecher Brinkman von der Rettungsgesellschaft. Hier verläuft der Schiffsverkehr von Nord und Süd zwischen den beiden größten Häfen Europas, Rotterdam und Antwerpen. Gekreuzt wird dieser Verkehr von der stark befahrenen Route nach England im Westen. 

Das Containerschiff kam aus Schottland und fuhr in süd-östliche Richtung nach Antwerpen. Dabei kreuzte es die Route der "Baltic Ace", die mit einer Ladung von bis zu 2 000 Autos vom belgischen Zeebrügge nach Nord-Westen fuhr mit dem Ziel Finnland. 

Immer mehr Ölplattformen und Windmühlenparks machen die Nordsee noch enger. Um den Verkehr sicherer zu gestalten, hatte das niederländische Ministerium für Verkehr- und Wasserwirtschaft neue Routen vorgeschlagen. Erst in der vergangenen Woche war dieser Plan von der Internationalen Seefahrtsorganisation abgesegnet worden. Ab August sollen die neuen Routen gelten. 

dpa





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