9/11-Überlebender: „Es war die Hölle auf Erden”

Ron DiFrancesco gilt als der letzte Mensch, der es nach draußen schaffte, bevor am 11. September 2001 der Südturm des World Trade Centers in New York einstürzte. Doch auch zehn Jahre später hat der Kanadier den schlimmsten Tag seines Lebens noch nicht verarbeitet. Nicht nur körperliche, sondern auch seelische Narben sind bei dem mittlerweile 47-Jährigen geblieben.

„Es war die Hölle auf Erden. Ich war nur wenige Sekunden vom Tod entfernt… Ich wusste nicht, ob ich da raus kommen werde.” So klingt es, wenn Ron DiFrancesco über den 11. September 2001 spricht. Der Kanadier, der damals als Makler im World Trade Center arbeitete, zählt zu den wenigen Überlebenden. Doch seit zehn Jahren plagen ihn Schuldgefühle. „Die Frage, ob ich jemanden hätte mit mir nehmen sollen, wird mich bis ins Grab begleiten“, so der Mann gegenüber Yahoo! Nachrichten.

DiFrancesco spricht nicht gerne über den 11. September 2001, denn dann muss er den Alptraum noch einmal durchleben. In den vergangenen zehn Jahren gab er nur wenige Interviews zum schrecklichsten Tag seines Lebens – zu lesen unter anderem in dem Buch „The Third Man Factor“ von John Geiger und in einem Artikel in der Zeitung „Ottawa Citizen“. Daraus lässt sich ungefähr nachvollziehen, was DiFrancesco durchgemacht hat: Das erste Flugzeug war gerade in den Nordturm gekracht. Von seinem Büro im 84. Stockwerk aus konnte der damals 37-Jährige sehen, wie Rauchschwaden aufstiegen. Wenige Momente, nachdem sein Büro evakuiert worden war, schlug das zweite Flugzeug zwischen dem 77. und dem 85. Stockwerk am Südturm ein.

Flucht durchs Flammenmeer
DiFrancesco eilte zur nächsten Treppe und lief nach unten. Unterwegs traf er auf andere Menschen, die ihm rieten, umzukehren, weil die Flammen unten zu hoch seien. Also lief er nach oben, um frische Luft zu bekommen, doch alle Türen waren verschlossen. Indem er sein Gesicht mit seinen Armen bedeckte, um es vor den Flammen zu schützen, eilte DiFrancesco die Treppen dann doch nach unten. Im Erdgeschoss angekommen, zeigte ihm ein Sicherheitsbeauftragter, welchen Ausgang er benutzen solle. Als DiFrancesco die Tür erreichte, hörte er, wie der Südturm über ihm zusammenbrach. Er blickte sich um und sah, wie ein großer Feuerball auf ihn zuflog. Tage später erwachte er in einem Krankenhaus – mit Risswunden am Kopf, Verbrennungen am ganzen Körper und gebrochener Wirbelsäule.

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Heute lebt DiFrancesco in Toronto. Er sagt, dass der Alptraum, den er durchlebt hat, ihn noch immer begleitet. „Die Narben an meinem Kopf und meinen Armen erinnern mich tagtäglich daran, was für ein Glück ich habe“, so der Mann. „Sie haben meiner Frau sogar die Uhr gegeben, die sich am 11. September an meinem Handgelenk befand. Sie war kaputt, aber sie war genau in dem Moment stehengeblieben, als das Gebäude einstürzte.“

„Als ich fast am Ende war, habe ich das Licht gesehen“

Doch auch seelische Narben sind geblieben: „Seit ich dem Tod so nah war, habe ich keine Angst mehr vor dem Sterben oder davor, weiterzumachen“, erzählte DiFrancesco. „Als ich fast am Ende war, habe ich das Licht gesehen, und ich war bereit, zu gehen, aber jetzt bin ich hier…“ Vor dem Tod habe er zwar keine Angst mehr, doch er sei ständig in Alarmbereitschaft. „Wann immer ich ein Gebäude oder einen Raum betrete, muss ich wissen, wo sich der Ausgang befindet.“ Lärm, Schreie und Gebrüll beunruhigen ihn.

Selbst nach zehn Jahren ist der Heilungsprozess also noch nicht abgeschlossen: „Die Zeit heilt ein paar Wunden, aber sie lässt nicht vergessen, was geschehen ist.“ Warum er nicht wie seine 61 Kollegen gestorben ist, versteht DiFrancesco noch immer nicht. Die einzige Antwort, die er darauf hat: „Wenn du dran bist, dann holt er dich zu sich. Seit ich dem Tod so nahe war, glaube ich, dass man sein Schicksal nicht ändern kann. Man sollte einfach glücklich über jeden Tag sein, den man hier ist.“