Analyse: Merkels Koalitionspudding schmeckt der Wirtschaft nicht

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt zu einer weiteren Runde bei den Koalitionsverhandlungen im Willy-Brandt-Haus in Berlin. Foto: Maurizio Gambarini/dpa

Die «schwäbische Hausfrau» mag es nicht, wenn jemand in ihrer Küche meckert, bevor sie mit dem Kochen fertig ist.

«The proof of the pudding is the eating - wie gut der Pudding ist, erkennt man beim Essen», hält Angela Merkel jetzt den Nörglern aus der Wirtschaft entgegen, die glauben, die Kanzlerin werde im Bündnis mit der SPD unvorsichtig und gebe zu viel Geld aus.

Vor fünf Jahren hatte Merkel das Bild der «schwäbischen Hausfrau» für sich selbst gewählt, es wurde in der Euro-Krise ihr Markenzeichen: Sparsam und gewissenhaft. Ihren Kritikern ruft die CDU-Chefin nun zu: Wartet erst einmal den Koalitionsvertrag und die Regierungsarbeit ab, bevor ihr mit mir abrechnet.

Einen Vorgeschmack bekommt Merkel am Montagabend. Die Arbeitgeber haben im Historischen Museum den imposanten Schlüterhof gemietet, um ihren Präsidentenwechsel - Ingo Kramer folgt Dieter Hundt - zu feiern. Merkel kommt ganz in Schwarz und trifft am Ehrentisch auf ihren Vor-Vorgänger im Kanzleramt. Im Schein von fünf großen Kerzen drückt sie Helmut Kohl kurz die Hand, wechselt sehr wenige Worte, bevor sie sich zügig dem Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, zuwendet, der zufällig hinter ihr steht.

Kurz darauf ergreift Kramer das Wort. «Wir fühlen uns von ihnen sehr gut regiert.» Wäre es dabei geblieben, hätte der neue starke Mann der Arbeitgeber wohl nur wenige Stunden nach seiner Wahl in den eigenen Reihen schon Akzeptanzprobleme bekommen. Doch Kramer kann auch Krawall, vorgetragen mit hanseatischem Charme. Der Rest der Welt beneide das deutsche Jobwunder. Das wollten Union und SPD mit Mindestlohn und Attacken auf die Zeitarbeit kaputtmachen, dazu ein Füllhorn neuer sozialer Leistungen ausschütten, schimpft Kramer: «Bestellen Sie nichts, was sie nicht auch bezahlen können!»

Für Merkel scheint das ein bisschen viel Kritik zu sein. Spöttisch weist sie den Neuling Kramer in die Schranken. Bei seinem Vorgänger sei der Titel Arbeitgeberpräsident am Ende seiner Ära ja Bestandteil der Person Hundt gewesen. Der 75-Jährige ist nun Ehrenpräsident. «Herr Kramer, Sie brauchen noch eine Weile, damit Sie das überhaupt schaffen. Nach ihrer selbstbewussten Antrittsrede bedarf es, glaub ich, so einer Bemerkung», sagt die Kanzlerin, die sich auch den Seitenhieb gönnt, daran zu erinnern, dass die Wirtschaft laut nach der großen Koalition rief, als Merkel mit den Grünen sondierte.

Die Wirtschaftsbosse haben schon immer pragmatisch agiert, ihren Vorteil gesucht. Sie waren nur so lange von Schwarz-Gelb genervt, bis rot-grüne Vermögenssteuern drohten. Mancher trauert nun der FDP nach. Was die Liberalen zynisch finden, weil im Wahlkampf wenig Hilfe aus der Industrie kam. Und die SPD? Eher belustigt bewerten Manager die Versuche der Sozialdemokraten vom Leipziger Parteitag, in Richtung Linkspartei zu blinken, gleichzeitig aber die FDP ersetzen und wirtschaftskompetent sein zu wollen.

Am Dienstag meldet sich dann auch der Bundespräsident zu Wort. Beim Arbeitgebertag im stillgelegten Flughafen Tempelhof spricht Joachim Gauck die über 1500 Unternehmer an, fordert mehr Dynamik und Verantwortung. Eine Passage des Rede-Textes aber könnte man schön auf Merkel münzen. Der CDU-Chefin wird vorgehalten, ihre Politik zu wenig zu erklären - die Biedermeier-Stimmung der Bürger zu bedienen. Gauck schildert im Manuskript die «wohlige Gewissheit», alles oder doch zumindest vieles richtig gemacht zu haben: «Spüren Sie dieses Trägheitsmoment? Meistens verbirgt es sich ja im Schweigen. Oder es kommt lapidar daher mit Sätzen wie: Es läuft doch. Irgendwie wird es schon weitergehen.»

Das ist der Merkel-Stil, der noch ein paar Jahre Erfolg bringen soll. Am Ende würden die Wähler entscheiden, ob es Deutschland nach ihrer dritten Amtszeit besser oder schlechter geht, gibt Merkel den Managern trotzig mit auf den Weg. Bis dahin dürfte die «schwäbische Hausfrau» noch einige Rezepte auf Lager haben.