Auf der Suche nach dem Vogel-Killervirus

Amseln, Stare, Sperlinge: Hunderttausende Vögel sind einem afrikanischen Virus zum Opfer gefallen. In dunklen Kellern ist eine Biologin nun dem Überträger auf der Spur, einer Stechmücke.

In einem Keller in Weinheim setzt Hanna Jöst den Sauger an. Die Biologin ist aber weit davon entfernt, das Gewölbe von Staub zu befreien - sie ist auf der Jagd nach Mücken, die dort überwintern. Zwischen Spinnweben sitzen sie an der Wand und rühren sich nicht, so dass sie mit dem Spezial-Gerät leicht zu erwischen sind. Schon nach wenigen Minuten hat Jöst ein gutes Dutzend gefangen. Ihr Ziel: Die kleinen Blutsauger auf einen aus Afrika stammenden Krankheitserreger untersuchen zu lassen, das Usutu-Virus. 

Den Mücken macht der exotische Erreger nichts aus, wohl aber den Tieren, die sie stechen: Hunderttausende Vögel sind seit 2011 daran gestorben, vor allem im Dreiländereck Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg - hauptsächlich Amseln, aber auch Stare, Eisvögel und Sperlinge. "Die Hausmücke sticht überwiegend Vögel, deshalb sind sie am meisten betroffen", sagt Jöst. Weshalb es vor allem Amseln getroffen hat, ist unklar. Für den Menschen ist der Erreger in der Regel nicht gefährlich. 

Vor dem Haus steckt die Biologin die Mücken in Plastikröhrchen und legt sie auf Trockeneis. Gefroren werden sie nach Hamburg geschickt, damit sie im Bernhard-Nocht-Institut (BNI) untersucht werden. Die Erkenntnisse über die Ausbreitung des Erregers könnten auch im Fall von anderen Viren wichtige Hinweise liefern, sagt Jöst. Der Usutu-Erreger hat sich überall dort ausgebreitet, wo es viele Stechmücken gibt: Im Südwesten und den Gebieten am Rhein. Auch das milde Klima in der Vorderpfalz gefällt den Blutsaugern gut. 

Dass das Virus in den Insekten überwintern kann, haben Jöst und ihre Kollegen von der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (Kabs) mit Sitz im pfälzischen Waldsee bereits nachgewiesen. Nun geht es um einen erneuten Beweis. So sei auch noch unbekannt, wie der Erreger genau übertragen werde, sagt die Virologin. Klar sei nur, dass nicht jede infizierte Mücke auch Überträger sei. 

Wenn es im Frühjahr warm wird, schwärmen die Mücken aus. Die Weibchen gieren nach dem langen Winter nach Blut, um Eier produzieren zu können. Für die Vögel gibt es dennoch Hoffnung: "Es sieht so aus, als ob es zuletzt nicht zu einem weiteren Einbruch der Populationen gekommen ist", sagt Lars Lachmann, Vogelschutzexperte bei der Umweltorganisation Nabu, die Meldungen über tote Vögel sammelt. 

Nach zwei Jahren Amselsterben in den betroffenen Gebieten hätten Zählungen im Januar Hinweise darauf ergeben, dass ein Teil der Tiere immun gegen das Usutu-Virus geworden sei. Gewissheit werde aber erst eine erneute Erhebung im Mai geben. Amseln stellen dem Experten zufolge nach wie vor mit Abstand die größte Gruppe unter den Vögeln in Deutschland, bis zu 16 Millionen Brutpaare gibt es Jahr für Jahr. 

Eine Gefahr für den Bestand der Tierart sieht der Experte deshalb nicht, auch wenn das Usutu-Virus in den betroffenen Gebieten zu einem "signifikanten Rückgang" geführt habe. Eine gute Nachricht sei auch, dass das Virus sich im vergangenen Jahr nicht wesentlich über die bereits betroffenen Gebiete hinaus ausbreiten konnte: "Man muss deshalb nicht davon ausgehen, dass es 2013 ganz Deutschland überschwemmt", sagt der Vogelschützer.

(dpa)