Liebesseuche Syphilis

Was hatten der Dichter Heinrich Heine, Philosoph Friedrich Nietzsche, König Ludwig II. von Bayern und Gangsterboss Al Capone gemeinsam? Sie alle verband das Leiden an einer Geschlechtskrankheit, die heutzutage immer mehr in Vergessenheit gerät: Die Syphilis. Viele Namen hat der Volksmund ihr gegeben: Lues, harter Schanker oder Franzosenkrankheit. Doch was sind die typischen Stadien der "Liebesseuche" und wie kann ich sie erkennen? Warum ist das Risiko für HIV bei Syphilis erhöht und stimmt es eigentlich, dass man von Syphilis verrückt wird? Die wichtigsten Fakten auf einen Blick.

Syphilis ist KEIN Virus

Die Lues venerea (übersetzt die „Liebsseuche") wird nicht etwa - wie häufig fälschlich angenommen - durch Viren hervorgerufen. Bei dieser sexuell übertragbaren Krankheit (STD) ist es zur Abwechslung mal ein Bakterium, das nach dem Sex überaus unangenehm werden kann. Der Mikroorganismus Treponema pallidum dringt beim Geschlechtsverkehr durch kleinste Verletzungen der Schleimhaut in den Organismus ein.

Anders als bei Viren wie HIV oder Hepatits-C sind Übertragungen durch Nadeln hingegen sehr selten. Auch Bluttransfusionen sind durch systematische Tests aller Spenden nach Angaben des Robert-Koch-Institutes (RKI) in Deutschland seit über 20 Jahren nicht mehr berichtet worden. Wie bei nahezu allen sexuell übertragbaren Krankheiten kann man sich übrigens mit dem Syphilis-Erreger auch nicht über Schwimmbäder, Toilettenbrillen oder das gemeinsame Benutzen von Geschirr infizieren.

Syphilis verläuft in Stadien mit spezifischen Symptomen

Das RKI geht davon aus, dass der ungeschützte Geschlechtsverkehr mit einem infizierten Partner in etwa 30 Prozent der Fälle zu einer Infektion führt. Die Inkubationszeit, also die Zeitspanne von der Infektion bis zum Auftreten erster Symptome, ist stark davon abhängig, wie viele Erreger beim Sex in den Körper gelangen. Durchschnittlich beträgt die Inkubationszeit jedoch 14 bis 24 Tage.

Nach dieser Zeit bildet sich an der Stelle, an der die Bakterien in die Haut oder Schleimhaut eingedrungen sind — häufig auf dem Penis, den Schamlippen oder der Scheide - ein schmerzloses Geschwür. Dieser „harte Schanker" gilt bis zum Beweis des Gegenteils als Folge der Syphilisinfektion und spezifisch für das erste Stadium der Erkrankung. Aufgrund unterschiedlicher Sexualpraktiken kann das Syphilis-Geschwür aber auch im Mund, Rachen oder Enddarm auftreten. Das meist gerötete und feuchte Geschwür sondert eine Flüssigkeit ab, die viele Erreger enthält und deswegen äußerst infektiös ist.

Auch wenn der „harte Schanker" keinerlei Schmerzen verursacht - jedem Menschen, der seinen Körper mindestens einmal am Tag flüchtig begutachtet, sollte ein Geschwür auf seinem Genitalorgan auffallen. Ist dies nicht der Fall wird das Bakterium in diesem Stadium natürlich sehr einfach weitergegeben.

Nach zwei Wochen heilt das Geschwür meist von alleine ab. Nun kommt es bei ausbleibender Therapie im zweiten Stadium zu grippeartigen Beschwerden mit Lymphknotenschwellung, Fieber, Müdigkeit sowie Kopf- und Gliederschmerzen. Daraufhin folgt bei den meisten Syphilis-Erkrankten ein Hautausschlag in Form von schwachrosa Flecken, die sich in derbe Knötchen verwandeln. Dies ist übrigens auch einer der Gründe, warum Hautärzte gleichzeitig Fachärzte für Geschlechtskrankheiten sind: Am Beispiel der Syphilis sieht man, dass sich diese Erkrankungen gerne auf der Haut niederschlagen. Wie das schmerzlose Primärgeschwür heilen auch alle anderen Hauterscheinungen der Syphilis nach ungefähr vier Monaten ab.

In der folgenden Phase des Stillstandes (latente Phase) ist der Betroffene jahrelang beschwerdefrei und merkt nichts von der Infektion. Trotzdem befinden sich die Bakterien im Körper und es besteht ein Infektionsrisiko für Sexualpartner.

Stadium drei und vier sind desaströs

Im Anschluss an die oben beschriebenen Stadien kann — wieder im Falle einer ausbleibenden Therapie — die gefürchtete Spätsyphilis auftreten: Der Lues-Erreger hat sich über die Jahre in Organen und dem Nervensystem ausgebreitet und entfaltet seine zerstörerische Kraft. Egal ob Rachen, Speiseröhre, Blut- und Luftwege, Magen, Leber, Knochen oder Muskeln — der Syphilis Erreger befindet sich überall. Da das Nervensystem befallen ist, leiden Syphilis-Patienten in diesem Stadium außerdem unter schweren neurologischen Symptomen wie heftigen Schmerzen, Gangstörungen, Demenz. In diesen Stadien sind die Betroffenen allerdings wesentlich weniger infektiös.

Diagnose und Therapie sind unkompliziert

In den meisten Fällen suchen Betroffene ärztliche Hilfe, wenn ihnen das Geschwür auf ihrem Genital auffällt. Der Arzt nimmt dann einen Abstrich von den nässenden Hautveränderungen, um so die Syphilis-Erreger unter dem Mikroskop nachzuweisen. Doch auch in späteren Stadien, in denen das Geschwür bereits verschwunden ist, kann Lues mithilfe von Bluttests nachgewiesen werden. Hier wird nach Antikörpern gegen die Erreger gesucht.

Ist ein solcher Test positiv folgt die Therapie — und die ist vergleichsweise unkompliziert. Mit dem bekannten Antibiotikum Penicillin werden die Erreger im Primär- und Sekundärstadium zwei Wochen lang unter Beschuss genommen und so vernichtet. In späteren Stadien wird die medikamentöse Therapie auf drei Wochen verlängert. Natürlich dürfen die Partner nicht vergessen werden: Bei einer primären Syphilis sollten dies die Partner der vergangenen 3 Monate sein!

Besonders wichtig ist es außerdem, dass Schwangere nicht infiziert sind. Der Grund: Die Mutter kann ihr ungeborenes Kind auf dem Blutweg anstecken - auch dann, wenn sie sich während der Schwangerschaft mit Syphilis infiziert. Häufig führt dies zu einer Fehlgeburt im fünften Monat, oder das Kind kommt mit Missbildungen auf die Welt.

Unbehandelt steigt das Risiko für HIV

Nicht selten tritt die Syphilis als Co-Infektion mit anderen Geschlechtskrankheiten auf. Eine davon ist HIV, das Erregervirus von AIDS. Woran kann das liegen?„Ein erhöhtes Risiko für HIV bei vorhandener Lues Infektion lässt sich auf zwei Faktoren zurückführen. Der Lues Primäraffekt ist ein Ulkus, also ein Gewebsdefekt der Haut. Landet auf diesem Gewebsdefekt virushaltiges Material, z.B. Sperma oder Vaginalsekret, so ist eine Infektion mit HIV leicht oder überhaupt möglich, im Gegenteil zu gesunder Haut. Zweitens sind in den Geschwüren vermehrt Entzündungszellen anzutreffen, die wiederum die Aufnahme von HIV erleichtern, unter diesen Lymphozyten befinden sich auch CD4+ Zellen (Helferzellen), die das HI-Virus aufnehmen können", weiß der Hautarzt Dr. Helmut Hartl aus München. Kondome sind natürlich wie immer der wirksamste Schutz für sämtliche Geschlechtskrankheiten, Syphilis und HIV eingeschlossen.

Tod und Wahnsinn durch Syphilis?

Noch um 1900 füllten Syphilis-Kranke ein Drittel der Plätze in Deutschen Psychiatrien. Die Menschen waren unheilbar krank und befanden sich wegen nicht vorhandener Therapie im vierten Stadium der Erkrankung, dass auch unter dem Namen "Neurosyphilis" bekannt ist. Circa 30% der Syphilis-Patienten erkrankten an diesem gefürchteten Stadium.

Durch den fortschreitenden Abbau von Nervengewebe im Gehirn oder Rückenmark kommt es zu Wesensveränderungen bis hin zur Demenz, Wahnideen, Halluzinationen und Lähmungen. In den westlichen Industrienationen ist dieses Stadium aber glücklicherweise seit dem Aufkommen wirksamer Antibiotika so selten geworden, dass es nahezu nicht mehr vorkommt. In Entwicklungs- und Schwellenländern mit ungenügender Gesundheitsversorgung tritt dieses Stadium häufiger auf.

Keine Scham vor STDs

Syphilis ist eine bakterielle Infektion wie jede andere auch. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie sich an den Geschlechtsorganen manifestiert und eine sexuell übertragbare Krankheit ist. Viele Menschen wollen deshalb aus Scham eine Infektion nicht wahr haben und suchen keinerlei ärztliche Hilfe auf. Vor dem Hintergrund, dass die "Liebesseuche" (und viele andere Geschlechtskrankheiten auch) in den frühen Stadien jedoch problemlos medikamentös behandelt werden kann, sollte man hier über den eigenen Schatten springen.

Autor: Felix Gussone