Prophylaktische Brustamputation: Für welche Frauen macht der Eingriff Sinn?

Dr. Christiane Richter-Ehrenstein ist Leitende Oberärztin des Brustzentrums der Charité Berlin
Dr. Christiane Richter-Ehrenstein ist Leitende Oberärztin des Brustzentrums der Charité Berlin

Sexsymbol Angelina Jolie (37) hat sich beide Brüste amputieren lassen – aus Angst vor vererblichem Krebs. Ihr öffentliches Bekenntnis zur präventiven Mastektomie, so der medizinische Fachbegriff, wirft viele Fragen auf. Macht solch ein radikaler Eingriff wirklich Sinn? Welche Frauen sollten solch eine Operation in Betracht ziehen? Und welche Unterstützung gibt es von den Krankenkassen? Yahoo! Nachrichten hat mit Dr. Christiane Richter-Ehrenstein, Leitende Oberärztin des Brustzentrums der Charité Berlin, über das Thema präventiven Mastektomie gesprochen.

Warum lässt sich eine gesunde Frau wie Angelina Jolie beide Brüste entfernen?

Angelina Jolies Mutter ist an Brustkrebs verstorben. Sie selbst gibt in einem Beitrag der „New York Times“ an, Genträgerin zu sein und eine Chance von 87 Prozent zu haben, an Brustkrebs zu erkranken. Normalerweise hat eine Frau lebenslang ein Brustkrebsrisiko von zehn bis zwölf Prozent, als Genträgerin erhöht sich dieses Risiko auf über 80 Prozent. Ich vermute also, dass Angelina Jolie sich nach reiflicher Überlegung entschieden hat, dieses Risiko durch einen prophylaktischen Eingriff zu reduzieren. Darum hat sie diesen heroischen operativen Schritt gewagt.

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Bedeutet eine Brustkrebserkrankung innerhalb der Familie automatisch, dass man Genträgerin ist?

Nein, definitiv nicht. Nicht jede Frau, die eine erkrankte Mutter hat, ist eine Genträgerin. Als Ärzte werden wir hellhörig, wenn mehr als zwei Familienmitglieder, die in enger Verwandtschaft zur Patientin stehen, betroffen sind. Wenn drei enge Angehörige wie Mutter, Schwester oder Tante an Brustkrebs leiden, liegt die Chance, die Genmutation in sich zu tragen, bei 20 Prozent. Die Patientin kann dann ganz individuell entscheiden, ob sie wissen möchte, ob sie Genträgerin ist. Und auch die Entscheidung zu einer präventiven Mastektomie ist eine sehr persönliche. Wir können da nur Hilfestellung geben.

Wie vernünftig ist so ein radikaler Eingriff aus medizinischer Sicht?

Betrachtet man die nackten Daten: Sehr vernünftig, sofern man Genträgerin ist. Am Beispiel von Angelina Jolie lässt sich die Faktenlage gut verdeutlichen. Vor der Operation hatte sie eine Chance von fast 90 Prozent, an Brustkrebs zu erkranken, jetzt liegt die Wahrscheinlichkeit bei fünf Prozent. Das heiß, sie hat ihr Risiko um über 80 Prozent verringert.

Wie sieht der Körper nach einer präventiven Mastektomie aus?

Wenn eine Frau gut operiert wird – im Fall von Angelina Jolie gehe ich davon aus – sieht man weder auf den ersten, noch auf den zweiten Blick, dass eine präventive Mastektomie durchgeführt wurde. Die Brusthaut und auch die Brustwarze bleiben, nach entsprechender Aufklärung, erhalten. In der Regel wird nur der Drüsenkörper entfernt, also das, was die Brust füllt. Durch Eigengewebe oder Kissen wird die Brust dann rekonstruiert. Operierte Frauen haben oft eine sehr hohe kosmetische Zufriedenheit.

Würden Sie als Frau und Ärztin solch einen Eingriff durchführen lassen?

Als Frau und Ärztin halte ich eine präventive Mastektomie für eine vernünftige Entscheidung. Ich habe selbst solche Operationen schon häufig durchgeführt und wäre ich Genträgerin, würde ich mich zu so einem Schritt entschließen. Denn ich weiß wirklich, was es heißt, an Brustkrebs zu erkranken. Ich begleite viele Patientinnen auf ihrem Weg und sehe, was das auch an Leid bedeutet.

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Welche Unterstützung ist von den Krankenkassen zu erwarten, wenn man sich für eine präventive Mastektomie entscheidet?

Wenn man sich nach einem langen Prozess – in Absprache mit Familie, Ärzten und beratenden Institutionen – entschlossen hat, unterstützen Krankenkassen den Schritt im Normalfall. Und das auch, wenn mehrere Eingriffe und aufwändige kosmetische Operationen nötig sind. In Deutschland wird das relativ großzügig von den Kassen unterstützt.

Wie häufig ist dieser Eingriff in Deutschland?

Die Daten sind relativ schwierig zu generieren, aber so weit wir das an der Charité abschätzen können, lassen sich nur circa zehn Prozent der Frauen operieren, die nachweislich Genträgerinnen sind. Wesentlich weniger als in den USA: Hier lassen laut Datenlage 25 bis 30 Prozent der Frauen mit getesteter Genmutation eine präventive Mastektomie durchführen.

Wie stehen Sie persönlich zu Angelina Jolies öffentlichem Bekenntnis?

Natürlich ist sie ein öffentlicher Mensch, aber sie hätte nicht über dieses Thema sprechen müssen. Ich finde es mutig, dass sie den Eingriff durchführen hat lassen und dass sie damit an die Öffentlichkeit geht. Ich denke, sie hat für viele Frauen eine Vorbildfunktion und ihr Geständnis wird zum Nachdenken anregen. Auch Frauen, die kein familiäres Risiko haben, sollten sich der Thematik bewusst sein. Immerhin tragen wir alle in Risiko von circa zehn Prozent zu erkranken. Ich möchte raten, das Angebot des deutschen Gesundheitssystems zu nutzen, wie zum Beispiel das Mammografie-Screening ab 50. Ich kann nur dazu ermuntern, den Kopf nicht in den Sand zu stecken und das Thema aktiv anzugehen.