Beate Zschäpe, ihre Richter und die Sorge der Verteidiger

Beate Zschäpe ist wegen Mittäterschaft an einer rassistischen Mordserie angeklagt – es zeichnet unseren Rechtsstaat aus, dass auch sie einen fairen Prozess bekommt. Trotz allem.

Am Ende hat der Vorsitzende Richter Manfred Götzl wieder alle überrascht. Um kurz nach 17 Uhr bläst er die für diese Woche angesetzten Verhandlungstage im NSU-Prozess ab. Nun geht es erst in einer Woche weiter. Viele Angehörige der Ermordeten und Überlebende der Anschläge fühlen sich erneut vor den Kopf gestoßen. Wieder fahren Emotionen Achterbahn, müssen Hotelzimmer storniert, Pläne geändert werden. Selbst die Verteidiger von Beate Zschäpe sind verblüfft. Dabei waren sie es, die den Richter zu dieser Unterbrechung veranlasst haben. Einige werfen den Anwälten nun mutwillige Zeitschinderei, gar Quälerei vor. Zu Recht?

Zschäpes Verteidiger fühlen sich ungerecht behandelt. Sie kritisieren, dass sie – anders als die Richter und die Vertreter der Bundesanwaltschaft, allerdings genauso wie die Anwälte der Opfer – vor Beginn eines jeden Prozesstages durchsucht werden sollen. Sie werten dies als Voreingenommenheit des Gerichts und äußern die Sorge, dass Richter Götzl auch ihrer Mandantin nicht unvoreingenommen begegne. Sie beantragen, Götzl wegen Besorgnis der Befangenheit durch einen anderen Richter auszutauschen.

Befangenheitsanträge sind keine Seltenheit. Jörg Kachelmanns Richter in Mannheim sahen sich der Sorge der Befangenheit durch seine Anwälte ebenso ausgesetzt wie etwa die Frankfurter Richterin, die derzeit über die Schuld zweier mutmaßlicher früherer Mitglieder der linksextremen Revolutionären Zellen zu urteilen hat. Beide Anträge blieben ohne Erfolg, wie sie im Allgemeinen nur selten zum Erfolg führen.

Ein Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass auch Menschen, die im Verdacht stehen, andere ermordet zu haben, ein faires Gerichtsverfahren bekommen. Dazu gehören selbstverständlich Richter, die unvoreingenommen über die Schuld der Angeklagten urteilen. So regelt allein der Geschäftsverteilungsplan, wer welchen Richter bekommt. Hegen Verteidiger die Sorge, ein Gericht könnte mögliche entlastende Dinge gar nicht zur Kenntnis nehmen, weil es auf diesem Auge blind ist, stellen sie einen Antrag, in dem sie die Gründe für ihre Besorgnis anführen. Da es schwerlich möglich ist, als Außenstehende zu beurteilen, ob zum Beispiel Richter Götzl der Angeklagten Zschäpe wirklich unparteiisch begegnet, reicht es, wenn die Sorge begründet erscheint.

Wird nur ein Richter abgelehnt, kann der Senat selbst über den Antrag entscheiden – freilich ohne Beteiligung des betroffenen Richters. Stehen gleich mehrere in der Kritik, muss eine andere Kammer, im Fall eines Oberlandesgerichts ein anderer Senat, darüber befinden. Nachdem Zschäpes Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm die Unvoreingenommenheit von Richter Götzl infrage stellten, setzten die Anwälte von Ralf W. noch einen drauf und lehnten zusätzlich zwei weitere Richter ab. Sie begründen ihren Antrag unter anderem damit, dass die Öffentlichkeit schon von den Umbaumaßnahmen im Gerichtssaal informiert worden sei, noch bevor das Gericht die Anklage zugelassen habe. Auch monieren sie die Ablehnung eines dritten Pflichtverteidigers für Ralf W.



Weil die Verteidigung nun ihr Misstrauen gegen drei Richter ausgedrückt hat, muss ein anderer Senat entscheiden, ob die Sorge der Verteidiger begründet ist. Dass Götzl das nicht überstürzt über Nacht zwischen den Verhandlungstagen erledigen lässt, kann man einmal mehr als Zeichen seiner Pedanterie deuten. Schon als er die Presseplatzvergabe komplett neu startete, schien er vor allem eines im Sinn gehabt zu haben: juristisch bloß keinen Fehler zu machen.

Dass Götzl sich nicht durch Druck von außen beeindrucken und die Anträge ordentlich und in Ruhe prüfen lässt, kann man aber auch bereits als Antwort auf die Sorge der Verteidiger lesen. Es lässt sich nämlich auch derart deuten, dass Götzl sich tatsächlich redlich müht, Beate Zschäpe und den vier Mitangeklagten einen fairen Prozess zu bereiten.

Sollten die Verteidiger mit ihren Anträge übrigens Erfolg haben, muss das keineswegs zum Platzen des Prozesses führen. Drei Ergänzungsrichter saßen schon am Montag mit Götzl und den vier weiteren Senatsmitgliedern im Gerichtssaal. Ihre Aufgabe ist es einzuspringen, wenn andere Richter ausfallen.

Über die Autorin:
Wiebke Ramm schreibt für Tageszeitungen in ganz Deutschland über bedeutsame Gerichtsverfahren, erklärt Hintergründe und gesellschaftspolitische Entwicklungen. Sie berichtete unter anderem über den RAF-Prozess gegen Verena Becker, den Fall Kachelmann und den Prozess gegen Ernst August Prinz von Hannover.