Entwickelt sich die Affäre Hoeneß zum Isar-Gate?

Neue Vorwürfe belasten Ex-Fußballmanager Uli Hoeneß – es geht um mehr Geld und um mehr Akteure. Der Fall entwickelt sich vom persönlichen Drama zu einem Skandal mit Verschwörungspotenzial.

Sollte es einen Topf geben, auf den Uli Hoeneß gerade einen Deckel drückt, dann fliegt der ihm nun um die Ohren. So muss es dem zurückgetretenen Präsidenten des FC Bayern München vorkommen: Gerade erst hat er seine Verurteilung als Steuersünder akzeptiert, selbst die Staatsanwaltschaft mäkelt nicht an den dreieinhalb Jahren Gefängnisstrafe herum – und nun das: Es soll bei den Zockereien von Hoeneß um viel mehr Geld gegangen sein als bisher bekannt. Dies berichtet das Magazin „Stern“ unter Bezug auf einen anonymen Insider dieser Geldgeschäfte.

Der Insider berichtet in der neuesten "Stern"-Ausgabe, Hoeneß „hatte zeitweise Werte von 600 Millionen Schweizer Franken auf seinem Konto“, also ungefähr 400 Millionen Euro. „Das Vermögen schwankte kräftig. Da gab es auch kurzfristig Ausschläge in zweistelliger Millionenhöhe.“ Vor Gericht hatte die zuständige Steuerfahnderin den Kontohöchststand auf 155 Millionen Euro geschätzt. Und Hoeneß hatte bestritten, ein Vermögen in dieser Größenordnung besessen zu haben. Zudem erklärte er vor Gericht in München, es seien keine Gelder auf andere Konten abgeflossen. Dem widerspricht nun der anonyme Experte: „Über die Jahre wurden auch immer wieder sehr hohe Beträge auf Konten bei anderen Schweizer Banken transferiert, etwa bei Credit Suisse und Julius Bär“. Wer hinter jenen Nummernkonten steckte, sei allerdings nicht ersichtlich.

Hoeneß war angeblich nicht der einzige Prominente des FC Bayern, der Geld bei der Vontobel hatte. „Auch Spieler des FC Bayern hatten ein Konto bei der Bank“, so der Insider, „da geht es aber um überschaubare Summen im niedrigen Millionenbereich.“ Der Informant des „Stern“ ist einer der Insider, die mit ihrem Wissen das Steuerstrafverfahren gegen Uli Hoeneß im Januar 2013 in Gang brachten. Damals berichtete der "Stern" über ein geheimes Fußballkonto mit der Nummer 4028BEA bei Vontobel. Hoeneß zeigte sich daraufhin selbst an. Das Kürzel BEA steht für das Konto-Passwort „Beaufort“.

Was ist das Motiv des mysteriösen Informanten? Er selbst schildert es so: „Dieser Typ (Hoeneß, Anm.d.Red.) hat mich geärgert, seine Doppelzüngigkeit, sein öffentliches Schimpfen auf Spekulanten und Banken. Dabei ist er selbst ein Geschäftemacher, arrogant und selbstherrlich. Solche Verlogenheit kann ich nicht leiden.“

Sollten die Vorwürfe stimmen, wäre die Affäre für Uli Hoeneß alles andere als vorbei. Er stünde als Lügner da, ein neuer Prozess müsste her. Und seine Chance, als reumütiger Sünder ein neues moralisches Vorbild aufzubauen, wäre futsch. Natürlich könnte es auch sein, dass jemand Hoeneß, wo er gerade am Boden liegt, einfach einen mitgeben will, dass die Vorwürfe nicht stimmen. Doch mit Recherchen ist es wie mit dem Tageslicht: Es kommt immer wieder. Nicht nur der „Stern“ wird jetzt internationale Geldhäuser ins Visier nehmen, sein Umfeld aushorchen und Geldtransfers nachvollziehen. Die Wahrheit hat in diesem Fall, trotz Schweizer Bankgeheimnis, eine gute Chance öffentlich zu werden.

Aber Hoeneß ist derart prominent, dass es nicht überraschen würde, wenn man mit ihm noch ein paar andere, fremde Säue durch die Gassen treiben würde. Das Gericht jedenfalls erscheint mit jedem Tag in einem fahleren Licht. Warum musste der Prozess in solchem Affentempo durchgezogen werden? Warum wertete niemand die Unterlagen aus? Und auch Hoeneß muss sich fragen lassen, warum er bis zum Prozessbeginn eine Salamitaktik fuhr: Immer nur das zugeben, was offensichtlich schien, und das zum möglichst spätesten Zeitpunkt. Da passt es ins Bild, dass sich Hoeneß immer noch mit dem „Stern“ im Rechtsstreit befindet. Es ist das Bild eines Verdunklers.

Und eine weitere Ungereimtheit wird ausgeleuchtet werden: Stimmt Hoeneß’ Aussage, er habe jene 20 Millionen Euro zum Zocken seinerzeit vom damaligen Adidas-Chef zur Verfügung gestellt bekommen – ohne irgendwelche Gegenleistung? Sollten auch andere Prominente des FC Bayern München in diese Geldgeschäfte verwickelt gewesen sein – München hätte ein echtes Isar-Gate.

Von Jan Rübel

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