Nase voll vom Dschihad

Der Angeklagte Kreshnik B. m Hochsicherheitssaal des Oberlandgerichts in Frankfurt am Main. (Bild: dpa)
Der Angeklagte Kreshnik B. m Hochsicherheitssaal des Oberlandgerichts in Frankfurt am Main. (Bild: dpa)

Kreshnik B. soll in Syrien für die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) gekämpft haben - nun steht der 20-Jährige in Frankfurt vor Gericht.

Kreshnik B. wirkt wie ein kleiner, dicklicher Junge, dem das alles ein bisschen peinlich ist. Fast schüchtern sitzt der 20-Jährige in seiner Kapuzenjacke, dem T-Shirt, den Turnschuhen und seiner grauen Jeans auf der Anklagebank vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt. Kreshnik B. wollte für die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) in den "Heiligen Krieg" ziehen. Wenn Kreshnik B. das deutsche Gesicht der Gräueltaten des IS sein soll, dann ist es ein Milchgesicht mit dünnem Vollbart.

An diesem Montag hat der Prozess gegen Kreshnik B. begonnen. Er soll laut Anklage Mitglied in einer ausländischen terroristischen Vereinigung sein und eine "schwere staatsgefährdende Gewalttat" vorbereitet haben. Es ist das erste Mal, dass sich in Deutschland ein mutmaßlicher IS-Kämpfer vor Gericht verantworten muss. Fünf Monate hielt Kreshnik B. es in Syrien aus, am 12. Dezember 2013 ist er nach Frankfurt am Main zurückgekehrt. Noch am Flughafen wurde er festgenommen. Seine Eltern kommen aus dem Kosovo, er ist in Bad Homburg geboren und in Frankfurt aufgewachsen.

Bisher hat Kreshnik B. zu den Vorwürfen geschwiegen. Am Freitag könnte er sein Schweigen brechen. Das Gericht bietet dem Angeklagten einen Deal an. Legt Kreshnik B. ein umfassendes Geständnis ab, kann er auf Milde hoffen. Der Anklagevorwurf der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat würde fallen gelassen und B. als Heranwachsender nach Jugendstrafrecht mit einer Freiheitsstrafe zwischen drei Jahren, drei Monaten und vier Jahren und drei Monaten bestraft. "Sie sind ein junger Mann, der bisher nicht schwerwiegend in Erscheinung getreten ist", sagt Richter Thomas Sagebiel zu B. Das Gericht wolle ihm daher "eine Chance" geben. Doch dafür müsse er mitarbeiten, "damit wir Milde walten lassen können". Verteidiger Mutlu Günal will am nächsten Verhandlungstag sagen, ob sein Mandant das Angebot annimmt.

Laut Anklage, die Bundesanwalt Horst Salzmann an diesem Tag vorträgt, soll sich Kreshnik B. im Juli 2013 der Dschihadistengruppe "Islamischer Staat im Irak und Großsyrien" (Isis), inzwischen als "Islamischer Staat" (IS) bekannt, angeschlossen haben. Die Terrororganisation sei darauf ausgerichtet, "Mord und Totschlag zu begehen". B. habe es als seine religiöse Pflicht verstanden, in den "Heiligen Krieg" (Dschihad) zu ziehen. "Er war bereit, für diese Ziele zu sterben." B. soll für die Terrororganisation gegen den syrischen Diktator Baschar al-Assad und für den Aufbau eines auf den Gesetzen der Scharia beruhenden islamistischen Staates gekämpft haben.

Mit dem Bus in den Krieg

Kreshnik B. fuhr mit dem Bus in den Krieg. Mit sechs Gleichgesinnten soll er am 2. Juli 2013 nach Istanbul und von dort weiter nach Syrien gereist sein. Bereits Ende Juni soll er einen Treueeid auf den IS abgelegt haben. Er schob Sanitäts- und Wachdienste, wurde an der Waffe ausgebildet und kämpfte. Er soll sich an mehreren Kämpfen gegen das Assad-Regime beteiligt und in der Provinz Aleppo auch um Unterstützung für den IS geworben haben. Dass B. Anschläge in Deutschland geplant hat, glaubt die Bundesanwaltschaft nicht. Und wohl alle im Saal, die an diesem Tag die beiden Telefongespräche hören, die Kreshnik B. mit seiner älteren Schwester im September 2013 offenbar von Syrien aus führte, glauben das eher auch nicht.

Die Gespräche, die Kreshnik B. übers Handy führt, sind nur mit Mühe zu verstehen. "Hier ist überhaupt nichts los", berichtet Kreshnik: "Ich komme wahrscheinlich in zwei, drei Wochen zurück." Es scheint ihm Sorgen zu bereiten, ob ihn der IS gehen lassen wird. "Sag doch einfach, du willst zurück", rät seine Schwester, die ihn mal Nik, mal Nikki nennt.

Drei Tage später das nächste Telefonat, es ist deutlich länger. Die Schwester hält nun nicht mehr damit hinterm Berg, was sie von der "Heiligen Krieg"-Idee ihres Bruders hält. Zunächst ist sie beruhigt, dass Kreshnik B. sagt: "Ich bin nicht mehr im Krieg." "Gott sei Dank", sagt sie. Ihr Bruder wirkt wirr, verstört, ängstlich. Er sagt, seine Mutter und sein Vater sollten ihn in Syrien abholen kommen. Seine Schwester hält ihn für verrückt: "Papa und Mama sollen nach Syrien kommen und ihr Leben riskieren?" Er sei doch ein "schlauer Junge", er werde es schon allein bis an die türkische Grenze schaffen. Ihr Bruder schwenkt um: "Ich will gar nicht mehr nach Deutschland." Sie wird sauer. "Guck mal, wie dumm ihr seid. Du bist jung, dumm und naiv." Er, noch ein Kind, habe sich in "Politik" reinziehen lassen, wie all die anderen Kinder. Sie gäben ihnen 50 Euro im Monat, Kleidung und Essen - und er und seine Freunde wären darauf reingefallen. "Ihr seid alle so dumm und jung!" Sie redet sich in Rage: "Und du willst den ganzen Muslimen erzählen, wo sie leben sollen?" Ihr Bruder ist kaum zu verstehen, nur ein Satz: "Tötet sie, wo immer ihr sie findet." "Kompletter Unsinn", entgegnet seine große Schwester. Beim Chatten mit seiner Schwester soll Kreshnik B. noch im November davon schwadroniert haben, als Märtyrer sterben zu wollen: "Ich chille, gehe kämpfen, tu meinen Job für Allah."

Doch die Hartnäckigkeit seiner Familie hatte offenbar Erfolg. Kreshnik B. ist nach Hausse zurückgekehrt. "Er ist froh, wieder in Deutschland zu sein", sagt sein Anwalt außerhalb der Hauptverhandlung. Und dass B.s Rückkehr auch als Abkehr von dem IS zu verstehen sei. Die Gewalt und das Leid, das B. in Syrien gesehen habe, hätten ihn "desillusioniert" und möglicherweise auch traumatisiert. Anwalt Günal sagt: "Ich kann Sie alle beruhigen: Er ist kein gefährlicher Mensch. Er ist zurückgekommen, weil er, auf gut deutsch gesagt, die Nase voll hatte."