Niere statt Nebenjob?

Bild: thinkstock
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Eine englische Wissenschaftlerin schlägt vor, Studenten ein Jahresgehalt für das Spenden ihrer Niere zu bezahlen - ein Kommentar.

An das schöne Studentenleben erinnert sich sicher jeder gerne zurück, der einmal eine Universität besucht hat: Lange feiern, lange schlafen und dann ein paar Stunden in der Uni sitzen, um sich später wieder im Biergarten zu treffen. Richtig sorgenfrei das Leben genießen und ein letztes Mal der harten Arbeitswelt entfliehen.

Leider entspricht dieses Bild, das von Studenten gezeichnet wird, schon lange nicht mehr der Realität. Denn zwischen den zahlreichen Vorlesungen, die sie für die Zulassung zum Bachelor benötigen, hetzen viele Studenten von Termin zu Termin.Ein Pflichtpraktikum hat inzwischen so gut wie jeder Studiengang. Sich mit einem Lebenslauf, der nicht mit Praktika und Arbeitsproben vollgepumpt ist, nach dem Studium irgendwo zu bewerben, ist schon längst nichtmehr erfolgsversprechend und die Prüfungen scheinen schon Anfang des Semesters wieder in Sichtweite.

Zukunftsängste und Burnout-Syndrom
Davon sind aber noch lange keine Rechnungen bezahlt. So ist das Bild des faulen Studenten, der sich ein schönes Leben macht, längst überholt. Zukunftsängste und Burnout-Syndrom prägen das Leben vieler junger Menschen.

Das hat auch eine englische Wissenschaftlerin erkannt und hatte auch prompt eine Idee, die für alle Seiten nur Gewinn bringt: Anstatt sich abzurackern und so schon in jungen Jahren komplett zu verheizen könnten doch Studenten einfach eine ihrer Nieren verkaufen.

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Zunächst klingt der Vorschlag von Dr. Sue Rabbitt Roff zwar seltsam, aber doch nachvollziehbar: Jeden Tag sterben allein im Vereinigten Königreich drei Menschen, die auf eine Spenderniere warten. Der unlängst von Dr. Tony Calland, Chairman des „British Medical Association's Medical Ethics Committee", vertretene altruistische Ansatz auf Freiwilligen-Basis scheint also nicht zu funktionieren.

Es fehlt an Organspendern - doch wie kann man die Menschen motivieren?
Es fehlt an willigen Organspendern - doch wie kann man die Menschen auf dieser Welt am besten motivieren? Natürlich, mit Geld! 28 000 Pfund schlägt Dr Rabbitt Roff vor. Genug Anreiz sollte das bieten, denn für ein Organ und eine vergleichsweise ungefährliche Operation winkt dem „Spender" damit das ganze Jahresgehalt eines durchschnittlichen Briten.

Viel Geld, zum Beispiel für ein neues Auto oder einen schönen großen Urlaub mit der ganzen Familie. In einem online publizierten Artikel schlägt Dr. Rabbitt Roff allerdings etwas ganz anderes vor: Studenten könnten ja das Darlehen, das ihr Studium finanziert hat, damit zurückbezahlen.

Grundsätzlich ist die Idee nicht schlecht. Eine Maschinerie aufbauen, die junge Menschen dazu zwingt, schon vor der Gründung einer Familie oder ähnlichem ein Darlehen im fünfstelligen Bereich aufzunehmen, durch Organhandel am Laufen zu halten - hat was.Doch Operationen, bei denen ein Organ entnommen wird, sind immer gefährlich. Ein Risiko, das zur Zeit wenige Menschen eingehen. Wird durch die Bezahlung nur ein Anreiz geschaffen, oder wird bewusst die Hemmschwelle, sich in Gefahr zu begeben niedriger gesetzt? Viele Menschen könnten eine „Spende" als Rettung aus finanzieller Not sehen und die Risiken deshalb nicht mehr abwägen.

Sollte nicht der Vorschlag, dass junge Leute ihre Organe verkaufen sollten, um über die Runden zu kommen, an sich nicht schon seltsam genug klingen, um ihn wirklich in Betracht zu ziehen?

Natürlich hatte Frau Dr. Rabbitt Roff nichts übles im Sinn, als sie ihren Vorschlag der Öffentlichkeit unterbreitete. Trotzdem zeigt er uns, wie blind die derzeitige Situation vieler junger Menschen in weiten Teilen der Gesellschaft akzeptiert wird.

Eine Situation, die nicht nur in Deutschland dringend verändert werden muss, wenn auch in Zukunft lebensfrohe und leistungsfähige Menschen die Universitäten verlassen sollen! So bleibt nach der ganzen Geschichte vielleicht nur eine Grundsatzfrage übrig: Sollten Studenten sich selbst verkaufen müssen, um eine angemessene Ausbildung zu erhalten?

Max Fraenkel / ZEITjUNG