Wie Marietta Slomka die große Koalition rettete

Nach dem SPD-Mitgliederentscheid steht die große Koalition.  Das verdanken SPD und Union  vor allem einer Frau. Einer TV-Moderatorin. Ein Kommentar von Jan Rübel.

Man mochte es am Ende nicht mehr anschauen: Der Bundestag ist seit Wochen
im Zwangsurlaub, Reformen blieben im Irgendwo hängen und geschäftsführende FDP-Ministerzombis traten auf. Alles nur, weil die längste Regierungsbildung in der Geschichte der Bundesrepublik immer noch länger dauerte. Und je mehr sich die Verhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD hinzogen, umso größer wurde der allgemeine Unmut.

Und dann auch noch das: Die SPD-Mitglieder sollten in einem Briefwahlvotum über den Koalitionsvertrag abstimmen. Ein paar Sozen, so die herrschende Meinung, hätten das mühsam errichtete Kartenhaus zum Einsturz bringen können. Doch jemand rührte für die Bauherren den Zement an, wenn auch ungewollt.

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Es war Ende November, in der Zeit größten großkoalitionären Überdrusses, als Marietta Slomka mit SPD-Parteichef ein denkwürdiges Duell ausfocht. Im „heute-journal“ bohrte die ZDF-Moderatorin  immer wieder bei Sigmar Gabriel nach. „Lassen Sie uns diesen Quatsch beenden“, beschied er sie barsch. Slomka stieß aber mit ihren Fragen nicht nur Gabriel vor den Kopf, sondern auch die halbe Republik vor den Bildschirmen. Irgendwie meinte sie verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Basisentscheid erörtern zu müssen. Warum, verstand man nicht. Es waren ja nicht nur ein paar wenige Sozen aufgerufen, sondern immerhin 475.000 Parteimitglieder. Warum diese nicht darüber befinden können sollten, was die von ihnen gewählte Führungsspitze nun mit der Union ausgehandelt hatte, wohl aber die Abnickkonferenzen von CDU und CSU – das verstanden wohl etliche der 475.000 Genossen nicht und sagten sich: Jetzt erst recht. Das erst verlieh der Abstimmung diesen Schwung und die hohe Wahlbeteiligung, die heute überrascht.

Erfolg für die Demokratie


Nun wollen alle dafür gewesen sein. Die CSU schaut neidisch auf die SPD und sieht im dem Votum einen Coup. Tatsächlich wird der Entscheid den Sozialdemokraten nicht nur Rückendeckung für den Gang in die Koalition mit der Union verschaffen – er wird die SPD in den Umfragen auch nach oben wandern  lassen. Die CSU, unter Horst Seehofer zu perfektem Spagat zwischen Populärem und Populismus gereift, wird sich da etwas überlegen.

Und die hohe Wahlbeteiligung am Votum ist schließlich ein Erfolg für die Demokratie. Der Andrang verdeutlicht: Konkrete Entscheidungen dürfen ruhig dem Volk überlassen werden. Der Basisentscheid der SPD ist auch ein Votum für Volksentscheide auf Bundesebene. Referenden in den Ländern wie zum Ausbau des Stuttgarter Bahnhofs haben gezeigt, dass auch Reizthemen kühl angegangen werden können. Andere Staaten, wie die Schweiz, sind uns da längst voraus. Weniger Obrigkeitsvertrauen und mehr Eigeninitiative – das täte Deutschland gut. Deshalb kann nicht nur die SPD-Spitze sagen: Marietta Slomka, vielen Dank für Ihre Hilfe!