Christian Wulffs Rücktritt – ein überfälliger Schritt

Kommentar

Wulffs Rücktritt ist vor allem eines: eine Erleichterung. Viel zu lange hat die unerträgliche Affäre das Land beschäftigt und die Politikverdrossenheit angeheizt. Für Unmut sorgte auch, wie die deutsche Justiz Wulff fast bis zuletzt schonte. Nach dem Rücktritt des Bundespräsidenten haben Politik und Behörden nun die Chance, das Vertrauen der Menschen ein Stück weit zurückzugewinnen.

Szenen einer Staatskrise: Merkel und Wulff (Bild: dapd)
Szenen einer Staatskrise: Merkel und Wulff (Bild: dapd)

Spätestens seit heute ist klar: Christian Wulff wird in die Geschichte eingehen — allerdings ganz anders, als er sich das vor Amtsantritt vorgestellt haben dürfte. Sein Name wird für immer verknüpft sein mit einem der unangenehmsten politischen Skandale, den die Bundesrepublik Deutschland je ertragen musste. Die scheinbar unendliche Reihe von Affären, Ausreden und Peinlichkeiten führte schließlich zu dem Entschluss der Staatsanwaltschaft, die Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten zu beantragen - um das deutsche Staatsoberhaupt ins Visier nehmen zu können. Ein noch nie dagewesener Vorgang.

In Wahrheit war Wulff als amtierender Bundespräsident schon seit Wochen untragbar geworden. Untragbar, weil er in einer Weise Gefälligkeiten von Geschäftsfreunden annahm, die mit der Würde seines Amtes nicht einmal ansatzweise vereinbar war. Untragbar aber auch, weil zuletzt immer stärker der Eindruck entstand, Wulff klebe nur noch deshalb an seinem Amt, weil ihn die Immunität vor staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen schützt. Fragen muss man sich durchaus auch, ob die Staatsanwaltschaft nicht schon früher die Aufhebung von Wulffs Immunität hätte beantragen können. Gegen jeden anderen wäre nach Meinung vieler Experten schon längst ermittelt worden. Auch der Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten darf den Amtsinhaber nicht unbegrenzt schützen.

Bildergalerie: Wulffs Aussprüche über Redlichkeit und Wahrheit

Dass die Staatsanwälte sich gestern doch noch durchrangen, gegen Wulff vorzugehen, zeigt vor allem eines: Der Verdacht der Vorteilsnahme muss wirklich schwer wiegen. So schwer, dass auch vorsichtige Beamte nicht mehr die Augen davor verschließen können. Mit einem Rücktritt kommt Wulff also womöglich einer noch größeren Blamage zuvor.

Die Ära Wulff ist zu Ende - doch seinen Parteifreunden stehen die vielleicht schwersten Tage noch bevor. Das gilt vor allem für Kanzlerin Angela Merkel, die Wulff überhaupt erst ins Amt gehoben hatte. Nun ist es an ihr und ihrer krisengeschüttelten Bundesregierung, einen geeigneten Nachfolger für Wulff zu finden. Sie täte gut daran, dieses Mal parteipolitische Erwägungen außen vor zu lassen — und einen Kandidaten zu finden, der fraktionsübergreifend Respekt genießt und auch im Volk auf breite Akzeptanz stößt. Nur auf diese Weise kann es gelingen, das arg geschädigte Vertrauen in das Amt des Bundespräsidenten — und in die deutsche Demokratie — wiederherzustellen.

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