Felix Baumgartner im Porträt: "Manchmal musst du weit hinaufgehen, um zu sehen, wie klein du eigentlich bist"

"Lerne zu lieben, wovor du dich fürchtest“: Dieser Spruch diente Felix Baumgartner sein Leben lang als Motto. Für sein bislang gewagtestes Projekt, das Durchbrechen der Schallmauer im freien Fall ohne jedes Fluggerät, wird der Extremsportler nun weltweit gefeiert. Doch welcher Mensch steckt hinter diesem waghalsigen Extremsportler? Ein Porträt

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So schnell und von so hoch oben ist noch kein Mensch im freien Fall Richtung Erde gerast: Extremsportler Felix Baumgartner wird nach seinem wahnwitzigen Sprung aus der Stratosphäre weltweit gefeiert. "Mir sind gerade 20 Tonnen Last von den Schultern gefallen", sagte er erleichtert nach dem Sprung. Mehr als fünf Jahre hatte er sich auf die rund viereinhalb Minuten freien Falls vorbereitet, während derer er in einem speziellen Druckanzug gekleidet die Schallmauer durchbrochen hat. Nach eigenen Angaben hat er selbst davon aber nichts mitbekommen. "Ich war so beschäftigt mit anderen Dingen", sagte der Österreicher im ersten Interview nach der Landung.

Doch warum tut jemand sich und seiner Familie diesen Nervenkitzel, dieses Spazieren am Rande des Todes an? „Born to fly“ hat sich Baumgartner auf seinen rechten Arm tätowieren lassen. "Manchmal musst du weit hinaufgehen, um zu sehen, wie klein du eigentlich bist", waren Baumgartners letzte Worte kurz vor seinem Absprung. Damit muss auch seine Freundin Nicole leben. "Erleichtert bin ich erst, wenn Felix vor uns steht. (...) Freuen kann ich mich erst, wenn er wieder da ist", sagte sie kurz vor seinem jüngsten Coup.

"Ich mag das Abenteuer. Aber ich bin keiner, der den Kick sucht"
 "Ich mag das Abenteuer. Aber ich bin keiner, der den Kick sucht", sagte Baumgartner einmal  der Nachrichtenagentur dpa. Bei anderer Gelegenheit soll er auf ein Zitat von  Jim Morrison verwiesen haben: "Ich hol' mir meinen Kick, bevor das Scheißhaus hier in Flammen steht." Laut seinem Vater ist Baumgartner schon als Kind "extrem" gewesen. Egal, ob es mit dem BMX-Rad war oder später beim Motorradfahren. Dennoch sind die immer neuen Abenteuer seines Sohnes noch lange keine Routine. "Das ist eine Achterbahn der Gefühle", sagte Felix Baumgartner senior in einem Interview mit Servus TV nach dem Start des Stratosphären-Rekordversuchs. "Ich bin froh, wenn er wieder herunten ist (...) Dann geht's mir gut." Auch bei seiner Mutter liegen vor den spektakulären Aktionen ihres Sohnes regelmäßig die Nerven blank. „Dann geh' ich in die Kirche und zünd' ein Kerzerl an“, verriet Eva Baumgartner in einem Interview mit dem Spiegel.

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Sie musste schon einige Male die Kirche aufsuchen: Die Biografie ihres Sohnes liest sich jedenfalls wie die eines Mannes, der sich für unverwundbar hält. Er sprang von der Christusstatue in Rio de Janeiro und 1999 von den Petronas Twin Towers in Kuala Lumpur - jeweils der niedrigste und der höchste der sogenannten Basejumps. Mit dem Sprung in Kuala Lumpur stellte er einen neuen Weltrekord für den höchsten Basejump von einem Gebäude auf. Tagelang beobachtete er den Wolkenkratzer und die Sicherheitskräfte, bevor er sich als Geschäftsmann verkleidet Zutritt verschaffte.

Kaum ein hohes Gebäude oder eine Brücke lässt er aus. Weitere Rekorde stellte der 43-Jährige mit Sprüngen von der Millau-Brücke in Frankreich und vom Taipei 101 Tower in Taiwan auf. Es gibt wohl kaum eine Polizei, die ihn deshalb nicht wegen groben Unfugs oder anderer Vorwürfe festnehmen wollte.

Sein spektakulärstes Projekt vor Durchbrechung der Schallmauer war 2003 das Überfliegen des Ärmelkanals - im freien Fall. Zwei Meter breite Kunststoffflügel, deren Entwicklung drei Jahre beanspruchte, halfen ihm dabei. Gegen die extremen Bedingungen von bis zu minus 40 Grad schützten ihn lediglich ein Sprunganzug und ein Helm.

Eine falsche Bewegung hätte seinen Tod bedeutet
Und nun der lebensgefährliche Sprung aus 39 Kilometern Höhe: Eine falsche Bewegung hätte ihn ins Trudeln bringen können und seinen Tod bedeutet. Doch Sterben sei für ihn "keine Option" gewesen, sagte Baumgartner bei einer Pressekonferenz im Anschluss an den spektakulären Sprung. "Du willst nicht vor den Augen deiner Familie, deiner Eltern, deiner Freundin sterben, die dir gerade zuschauen." Tatsächlich konnte seine Familie aufatmen: Baumgartner bewahrte die Nerven - und verwirklicht sich damit seinen Kindheitstraum. "Ich habe all meine Hausaufgaben gemacht", sagte Baumgartner, der sich kurz vor dem Start noch mit einem Stück Fleisch und Reis gestärkt hatte. "Springen ist mein Leben und von diesem, genau diesem Sprung, habe ich mein Leben lang geträumt. Die Furcht ist deshalb kein Hindernis, sie sorgt nur dafür, dass wir es richtig machen", sagte er vor dem großen Ereignis.

So waghalsig die Aktionen des 43-Jährigen in den vergangenen Jahren waren, so bodenständig begann sein beruflicher Werdegang: Baumgartner machte eine Lehre als Maschinenschlosser und arbeitete als Kfz-Mechaniker. Seinen ersten Skydive absolviert er mit gerade einmal 16 Jahren. Später ging er zum österreichischen Militär und lernte dort, wie man komplizierte Absprünge macht - kam jedoch mit der Hierarchie nicht klar. Eines Tages sagte er zu seiner Mutter: „Mutter, ich fang' jetzt mit dem Basejumpen an, das ist genau mein Ding“. Bevor er Skydiving-Profi wurde, schlug er sich mit dem Reparieren von Motorrädern durch.

Nach seinem geglückten Sprung wird er nun zunächst einige Wochen in den USA bleiben. Ob er bereits das nächste waghalsige Abenteuer plant, dazu hat er sich noch nicht geäußert. Laut Informationen der dpa zieht es den Risikofreudigen jedenfalls weiterhin in die Höhe: er möchte als Hubschrauberpilot arbeiten. 


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