Kanzleramt verteidigt sich in der Kundus-Affäre

Das Kanzleramt habe „stets großen Wert darauf gelegt, dass der Einsatz der Bundeswehr immer im Rahmen des vom Bundestag erteilten Mandates erfolgt", sagt Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Karl-Theodor zu Guttenberg verweist darauf, dass er zum Zeitpunkt des Luftangriffs noch nicht Verteidigungsminister war.

Wegen immer neuer Enthüllungen in der Kundus-Affäre dringt die Opposition auf eine Regierungserklärung. Der Befehlshaber Oberst Georg Klein soll in einem Bericht selbst seine Entschlossenheit bekundet haben, beim Bombardement der beiden Tanklaster Anfang September in Afghanistan Aufständische „vernichten“ zu wollen.

SPD-Chef Sigmar sagte, es könne der Eindruck entstehen, dass in Kundus mandatswidrig und völkerrechtswidrig gehandelt wurde. Das Kanzleramt wies diesen Vorwurf zurück.

„Das Kanzleramt hat stets großen Wert darauf gelegt, dass der Einsatz der Bundeswehr immer im Rahmen des vom Bundestag erteilten Mandates erfolgt,“ sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sieht sich durch die neuen Vorwürfe in der Kundus-Affäre nicht in seinem Amt gefährdet. Zu Rücktrittsforderungen sagte er der „Bild am Sonntag“: „Ja,ja: Je lauter das Rufen, um so gewichtiger die Argumente. Wer glaubt, den 4. September an mir festmachen zu können, sollte sich daran erinnern, dass ich da noch gar nicht Verteidigungsminister war“, sagte er.

Zu den Hintergründen des Luftangriffs in Kundus, bei dem bis zu 142 Menschen getötet wurden, darunter viele Zivilisten, sagte er lediglich: „Das alles ist Gegenstand des Untersuchungsausschusses und der juristischen Bewertungen der Bundesanwaltschaft.“

In dem Bericht von Oberst Klein heißt es dem „Spiegel“ zufolge: „Am 4. September um 01.51 Uhr entschloss ich mich, zwei am Abend des 3. September entführte Tanklastwagen sowie an den Fahrzeugen befindliche INS (Insurgents, auf Deutsch: Aufständische) durch den Einsatz von Luftstreitkräften zu vernichten.“ Auch in dem offiziellen ISAF-Untersuchungsbericht steht laut „Süddeutscher Zeitung“: „Er wollte die Menschen angreifen, nicht die Fahrzeuge.“

Ursprünglich hatte es geheißen, Ziel der Angriffe seien die beiden gekaperten Tanklaster gewesen. Damit habe verhindert werden sollen, dass die Fahrzeuge als Waffe gegen die deutschen Soldaten in Afghanistan verwendet werden könnten.

Mit den Luftangriffen und der sich anschließenden Informationspanne beschäftigt sich ab Mittwoch ein Untersuchungsausschuss des Bundestags. SPD-Chef Gabriel sagte aber, es reiche nicht, wenn sich Guttenberg auf den Untersuchungsausschuss zurückziehe. „Es wird Zeit, dass die Regierung sich erklärt.“ Sie müsse „Rechenschaft darüber ablegen, was in Kundus passiert ist“. Mit der Umschreibung der Zustände in Afghanistan als „kriegsähnlich“ dürfe der Verteidigungsminister „keine direkten Angriffe auf Menschen rechtfertigen“.

Gabriel erinnerte daran, dass der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung noch nachträglich als Arbeitsminister wegen der Ereignisse in Kundus und die sich anschließende Informationspanne zurückgetreten sei. An Guttenberg müsse „die gleiche Messlatte“ angelegt werden wie an Jung, sagte der SPD-Chef.

Die SPD verlangte außerdem Aufklärung darüber, warum genau Staatssekretär Peter Wichert und Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan entlassen wurden. Beiden sollen Guttenberg zu dem Vorfall in Kundus gemäß ihrem Kenntnisstand korrekt und vollständig informiert, berichtet der „Spiegel“.

Der Verteidigungsminister rechtfertigte in der „Bild am Sonntag“ die beiden Entlassungen. „Trotz aller bemerkenswerten Legendenbildung ist es Tatsache, dass mir relevante Dokumente vorenthalten wurden. Dafür haben die beiden Herren die Verantwortung übernommen.“

Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Jürgen Trittin forderten, Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse „erklären, ob eine Strategie des gezielten Tötens Bestandteil der Afghanistan-Politik der Bundesregierung ist und ob Kanzleramt, Bundeswehr und Nachrichtendienst diese neue Strategie gebilligt haben.“ Trittin bezichtigte Guttenberg in der ARD der Lüge.

Auch der Linksparteivorsitzende Lothar Bisky kritisierte: „Im Verteidigungsministerium herrscht offenbar ein System von Verdrängung, Vertuschung und Lüge.“

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