Münzfund in Jerusalem: Klagemauer nicht von Herodes erbaut?

Die Klagemauer in Jerusalem ist eines der bedeutendsten Heiligtümer des Judentums. Einst gehörte sie als Außenmauer zum herodianischen Tempel. Als Baumeister und Namensgeber dieses Komplexes galt bislang König Herodes. Durch aktuelle Münzfunde in Jerusalem wird die Geschichte nun umgeschrieben: Offenbar hat der im Jahr 4 v. C. verstorbene Herrscher das Bauwerk gar nicht selbst vollendet.

Experten gingen stets davon aus, dass Jerusalem seine Klagemauer Herodes I. zu verdanken hat. Archäologen widerlegen diese Theorie nun mit antiken Münzen, die sie bei Grabungen unterhalb der Klagemauer im Auftrag der israelischen Altertumsbehörde gefunden haben.

Die vier Bronzemünzen, die die für die Grabungen verantwortlichen Archäologen Eli Shukron  und Ronny Reich dabei laut Nachrichtenagentur „AP“ entdeckten, sind auf das Jahr 17 v. C. datiert -  20 Jahre nach Herodes‘ Tod also. Sie zeigen die Prägung des romanischen Präfekten Valerius Gratus, dem Vorgänger von Pontius Pilatus.

Die Entdeckung lässt darauf schließen, dass zu Lebzeiten von Herodes die Westmauer des Tempels – deren Überreste die heutige Klagemauer bilden - noch nicht erbaut war. „Der Fund verändert unsere Sichtweise bezüglich des Bauwerks und zeigt, dass seine Entstehung länger dauerte als bislang angenommen“, so der Archäologe Eli Shukron gegenüber „AP“.

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Die Münzen wurden in Resten eines jüdischen Ritualbads gefunden, das vor der Errichtung der renovierten Tempelanlage entstanden war. Um die neuen Mauern des Bauwerks zu unterstützen, wurde selbiges aufgefüllt. Offenbar hatte der Bau der heutigen Klagemauer noch nicht einmal begonnen, als Herodes schon verstorben war. Wahrscheinlicher ist, dass sie erst Generationen später fertiggestellt wurde.


Der Fund bestätigt auch einen zeitgenössischen Bericht des Generals und späteren Historikers Josephus Flavius. Nach einem jüdischen Aufstand gegen Rom und der Zerstörung des Tempels durch Legionäre im Jahr 70 n. C., erzählte er davon, wie die Arbeit auf dem Tempelberg von Herodes Agrippa II., Herodes‘ Urenkel, vollendet worden war – zwei Jahrzehnte, bevor der komplette Gebäudekomplex zerstört wurde.

Wissenschaftler wussten schon länger um den Bericht Flavius’, die Münzen gelten nun als wichtiger  archäologischer Beweis für die Schilderung in seiner historischen Schrift. Herodes Agrippa II. war von 50 bis 70 n. C. König von Judäa.