Maya-Kalender: Was ist dran am Mythos Weltuntergang?

Im Südosten Mexikos bereiten sich Menschen in bunkerartigen Häusern auf den Weltuntergang vor, im französischen Dorf Bugarach sammeln sich Esoterik-Freaks, um am angeblich sichersten Ort unseres Planeten das Jüngste Gericht zu überleben. Im Internet werden abstruse Überlebens-Kits angeboten. Und das alles wegen des Maya-Kalenders – der nämlich soll prophezeien, dass am 21. Dezember 2012 alles vorbei sein wird. Was aber ist wirklich dran am Endzeitmythos, und was hat es mit dem Maya-Kalender auf sich?

Der Supervulkan unter dem amerikanischen Yellowstone-Nationalpark bricht aus. Der Planet Nibiru fällt auf die Erde. Das Magnetfeld unseres Planeten kehrt sich um. Sonnenstürme führen zum Zusammenbruch unserer Telefon- und Datennetze. Diese und andere Katastrophen könnten nach Ansicht von Verschwörungstheoretikern demnächst zum Weltuntergang führen. Der Tag, an dem alles vorbei sein wird, steht für manche jedenfalls bereits fest: Es ist der 21. Dezember 2012. So sagt es ihrer Ansicht nach ein Kalender der untergegangenen Maya-Kultur voraus. Um herauszufinden, was wirklich dran ist am Mythos Weltuntergang, hat sich der Autor Christian Schüle für die deutsche Ausgabe von „National Geographic” auf Spurensuche begeben.

„Dresdner Kodex“: Götter-Almanache, mathematische Tafeln und Kalender
Die beste Adresse in Deutschland, wenn es um Maya-Fragen geht, ist Nikolai Grube von der Universität Bonn. Seit 1973 beschäftigt er sich mit der einstigen Hochkultur, die Hälfte des Jahres verbringt er mit Ausgrabungen in Mexiko, dem ehemaligen Zentrum der Maya. „Man hat immer geglaubt, es handle sich um eine schriftlose Kultur wilder Indianer“, erklärte er dem National-Geographic-Autor. „Alles ganz falsch. Sie hatten eine hoch differenzierte, vollständig entwickelte Schrift.“ Das einzig verbliebene authentische Buch der Maya-Kultur, der sogenannte „Dresdner Kodex“, befindet sich seit 273 Jahren in Dresden. Es ist ein Schriftstück voller Götter-Almanache und mathematischer Tafeln und zugleich ein Kalender – eine komplexe Kombination astronomischer und religiöser Zeichen. Der Maya-Kalender diente Königen und Priestern als Machtinstrument – durch ihn verkündeten sie das Wort der Götter. Und er bestimmte landwirtschaftliche Termine wie Aussaaten und Ernten.

Tag eins der gegenwärtigen Welt: der 11. August 3114
Eine wichtige Erkenntnis in der Maya-Forschung: Im Kalender der ehemaligen Hochkultur wird der 11. August 3114 vor unserer Zeitrechnung als erster Tag der gegenwärtigen Welt bezeichnet. Ihr Kalender, der mit diesem Tag beginnt, ist äußerst komplex: Alle Tage werden in zyklischen Einheiten gezählt, die Zyklen je mit dem Faktor 20 multipliziert, also: der 20-Tage-Zyklus, der 360-Tage-Zyklus, dann 360 mal 20: der 7200-Tage-Zyklus, 7200 mal 20: 144.000 Tage gleich 400 Jahre und so fort. Ein Tag heißt k’in, 360 Tage sind ein tun, 7200 Tage ein k’atun und 144000 Tage ein bak’tun. Gegenwärtig befindet sich die Menschheit aus Sicht der Maya im 13. bak’tu, also im 13. Vierhundertjahreszyklus seit Erschaffung der Welt. Und dieser bak’tun endet am 21. Dezember 2012. Dies ist auch der Grund, weshalb Verschwörungstheoretiker das Datum mit dem Ende der Welt assoziieren.


Glaubten die Maya wirklich an den Weltuntergang am 21. Dezember 2012?


Die Antwort: Am 21. Dezember 2012 endet im Maya-Kalender ein Zyklus, eine Ära  - aber nicht die Welt. „Dieser Tag ist eine Zäsur wie für uns der Wechsel vom Jahr 1999 auf das Jahr 2000“, so Grube. „Die Maya wussten natürlich genau, dass es den 22. Dezember 2012 geben wird.“ Das gehe zweifelsfrei aus dem „Dresdner Kodex“ hervor. Zwar hatten die Maya den Forschungen des Wissenschaftlers zufolge durchaus Endzeitvorstellungen – „sie nahmen an, dass es zu einer großen Flut kommen wird, die unsere gegenwärtige Welt beendet.“ Aber wann das der Fall sein würde, das ahnten sie seiner Meinung nach nicht. „Kein Maya hätte je mit dem Untergang der Welt am 21. Dezember 2012 gerechnet.“

Um eine zweite Meinung einzuholen, fragte Schüle zusätzlich im Institut für Astrophysik der Ludwig-Maximilians-Universität München nach. Auch dort erhält er eine beruhigende Antwort – weder planetare Linien noch besondere Planetenkonstellationen seien für den 21. Dezember 2012 vorhersehbar. „Diese Idee vom Weltuntergang ist eine Ideologie, eine Religion“, erklärte der Wissenschaftler Harald Lesch die Verschwörungstheorie. Das zyklische Denken taucht ja in vielen Kulturen auf, weil damit Hoffnungen verbunden sind, dass es wieder einen Neubeginn gibt.“ Vom renommierten Münchner Astrologen Erich Bauer erhielt Schüle eine ähnliche Antwort: „Da passiert gar nichts.“

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Für das französische Dorf Bugarach, dürfte das eine schlechte Nachricht sein. Der Ort gilt unter Esoterik-Freaks als sicherster Ort der Welt, wenn die Apokalypse naht, weshalb der Tourimus dort derzeit boomt. Der Grund: Dort steht der Berg Pic de Bugarach, der in den genannten Kreisen als eine Art „Alien-Garage“ dienen soll.  Sollten die Außerirdischen vor dem Weltuntergang die Erde verlassen, hoffen die Verschwörungs-Fans, mitgenommen zu werden. Mindestens ebenso profitiert übrigens die Tourismus-Branche im Südosten Mexikos vom Weltuntergangsmythos – im ehemaligen Zentrum der Maya-Kultur zählt bereits eine Uhr die Stunden bis zum vermeintlichen Jüngsten Gericht.