Nachricht von 9/11-Opfer erreicht Familie nach zehn Jahren

Es dauerte zehn Jahre, bis eine handgeschriebene Notiz eines Opfers der Anschläge vom 11. September 2001 auf Umwegen die Familie des Mannes erreichte. Der kleine Zettel, geborgen aus den Trümmern des  World Trade Centers, zerstörte eine Illusion: Randy Scotts Frau und seine Töchter hatten immer gehofft, der Tod des Familienvaters sei schnell und ohne Leid gekommen.

„84. Stock, westliches Büro. 12 Menschen gefangen.“ Diese Worte schrieb Randy Scott am 11. September 2001 auf einen Zettel und warf ihn aus einem Fenster des World Trade Centers. Wenig später kollabierte der Turm, in dem er sich befand. Scott starb.

Erst zehn Jahre später erreichte die Notiz seine Frau Denise Scott. Nun, am elften Jahrestag des Anschlags, erfuhren auch die US-Medien von der tragischen Geschichte. Für Denise Scott ändern die wenigen Worte auf dem Zettel alles. „Ich habe zehn Jahre lang gehofft, dass Randy nicht in dem Gebäude gefangen war“, sagte die 57-Jährige am Freitag der Zeitung „The Stamford Advocate“ im US-Bundesstaat Connecticut. In diesen zehn Jahren ging die Familie davon aus, dass Randy um 9:03 Uhr starb, als die United Airlines Maschine 175 in den Turm mit seinem Büro raste. „Ich dachte, er wurde sofort getötet“, sagte seine Tochter Rebecca, 29 Jahre alt. Es sei ein unsäglicher Gedanke, dass Randy bis zu seinem Tod in dem brennenden Turm gefangen war, erklärte Denise.

Ein Fleck auf dem Zettel räumte alle Zweifel aus, von wem er geschrieben wurde. Es ist ein Fingerabdruck mit Randys Blut. Durch einen DNS-Test konnten die Behörden die Familie des Verfassers der Nachricht ausfindig machen. Denise brauchte den Test nicht. „Ich sah die Handschrift”, sagte sie. „Es ist Randys Schrift.”

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In zehn Jahren lief der Zettel durch viele Hände. Jemand hat ihn am 11. September auf der Straße vor dem World Trade Center gefunden und einem Beamten der Federal Reserve Bank of New York gegeben. Dort wurde das Papierstück aufbewahrt und an das National September 11 Memorial & Museum weitergereicht.

Im August 2011 bekam Denise den Anruf aus dem Büro des medizinischen Leiters der Untersuchungen zur Katastrophe, man habe etwas gefunden, das auf ihren Mann verweist. Sie fragte, worum genau es sich bei dem Fund handele. Als sie hörte, dass es etwas Geschriebenes war, brach sie zusammen. „Ich war zerstört, weil ich nicht wusste, was Randy geschrieben hatte.“

Das Museum bat Denise darum, den Zettel ausstellen zu dürfen. Solch eine Notiz sei „außergewöhnlich selten“, erklärte Jan Ramirez, der Chefkurator des Museums dem „Stamford Advocate“. „Ich kenne nichts Ähnliches.“ Es seien viele Papiere am Tag des Anschlags aus den Fenstern geflogen. Papiere, die starke Geschichten erzählen. „Aber keines war so besonders und ungewöhnlich, inspirierend und traurig, berührend wie dieses“, sagte Ramirez.

Denise stimmte der Bitte des Kurators zu, bat sich aber Zeit aus, die Nachricht ihren Töchtern beizubringen. Im März bekamen Denise und Rebecca noch vor der Eröffnung der Ausstellung eine Führung durch das Museum. Der Zettel erzähle Menschen die Geschichte dieses Tages, sagte Denise Scott.

Kurz bevor er die Notiz schrieb, hatte Randy Scott am 11. September versucht, seine Frau anzurufen. Die Lehrerin war aber bei ihrer Klasse, ein Kollege nahm den Anruf entgegen. Randy wollte Denise nur sagen, dass es ihm gut gehe. Er dachte, der Einschlag des Flugzeugs im Turm gegenüber sei nur ein Unfall.


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