So denkt das Ausland über Joachim Gauck

Im Ausland sind die Reaktionen auf die Wahl des Bundespräsidenten durchweg positiv. Gelobt wird seine politische Unabhängigkeit – die Merkel noch Nerven kosten werde.

Die häufigste Frage, die man in Polen zu hören bekommt, wenn jetzt von Joachim Gauck die Rede ist, lautet: „Ist der denn eigentlich noch Pfarrer?“ Polens katholische Kirche hat großen Einfluss, aber dass Geistliche ganz offiziell zu Politikern werden, wie seit dem deutschen Wendeherbst üblich, ist absolut ungewohnt.

Eine andere Frage bekam Gauck nach seinem Vortrag an der Universität Lodz vor drei Wochen direkt gestellt: Was es bedeute, wenn zwei „Ossis“ den Staat lenkten, und ob das nicht den Unmut mancher „Wessis“ erregen könne.

Die DDR-Bürger waren in Polen alles andere als beliebt, was freilich auf Gegenseitigkeit beruhte. Doch dass Gauck alles andere als der typische DDR-Bürger war, hat sich bereits herumgesprochen.

Ebenso, dass er die Stasi-Unterlagen-Behörde leitete, nach deren Vorbild – nach heftigen Debatten – in Polen und anderswo vergleichbare Institutionen geschaffen wurden – woran auch eine Zeitung lobend erinnerte. Dass aber in Polen auch manche Bürgerrechtler gegen die Aktenöffnung waren, übergehen die meisten heute mit diplomatischem Schweigen.

Die künftige „First Lady“ an Gaucks Seite nimmt man mit respektvoller Neugier zur Kenntnis. Grundsätzlich herrscht ein sehr positiver Grundton: Gauck, der Gebildete, der Theologe, der Bürgerrechtler – und der Kenner und Freund Polens, der nach 1989 oft im Land gewesen und sich zu den gemeinsamen Fragen der Aufarbeitung geäußert hat. Jetzt also Präsident. Schon bei seiner ersten Kandidatur 2010, heißt es in den Medien, habe er versprochen, seinen ersten Besuch in Polen abzustatten. Gerhard Gnauck

Für die meisten Israelis ist die Wahl Gaucks zuallererst eine Nichtwahl Beate Klarsfelds. Zumindest den Hauptmedien war dabei aber schon lange vor der Wahl klar, dass „die Nazi-Jäger-Veteranin“ keine echten Aussichten auf einen Wahlsieg hatte. So stellten sie noch rechtzeitig vor der Wahl den „Kommunisten-Jäger“ vor.

Als solcher wurde Gauck dann noch rechtzeitig einer interessierten Öffentlichkeit in Israel nicht nur als Aufklärer alter Stasi-Vergangenheit bekannt, sondern auch als DDR-Bürgerrechtler, der seine charakteristische Unbequemlichkeit für Regierungen auch im vereinten Deutschland nicht ganz loswerden konnte. Auch eine spürbare Unverträglichkeit mit Angela Merkel fiel der israelischen Presse auf, trotz aller Gemeinsamkeiten eines protestantischen Umfeldes und ostdeutschen Erfahrungen.

Nur im strammrechten Siedler-Kanal „Arutz Schewa“ fiel der Blick auch auf die, von den Anderen weitgehend ignorierte, innerdeutsche Debatte um die Holocaust-Singularität. So wurde Gauck vom Radio-Sender der Siedler in die Nähe der Revisionisten im deutschen Historiker-Streit gerückt: Seine Warnung vor einer quasi-religiösen Überhöhung des Gedenkens wäre letztlich eine Verharmlosung des Holocaust. Seine Verfolgung kommunistischer Verbrechen wird dann aus dieser Perspektive als Gleichsetzung mit den Verbrechen der Nazis missdeutet.

Eine Debatte, die auch in Israel polarisiert. Selbst namhafte Holocaust-Forscher, wie etwa Yehuda Bauer, gerieten dabei schon in die Schussrichtung ultra-rechter Kritik. Dass diese Kritik in Deutschland ausgerechnet von vielen radikalen Linken geteilt wird, kann dabei als Ironie des getrennten Schicksals verstanden werden. Norbert Jessen

Die türkischen Medien beschränkten sich weitgehend auf die nachrichtliche Berichterstattung oder den Abdruck westlicher Agenturberichte, allerdings mit positivem Ton.

Die Zeitung Hürriyet hob hervor, dass 19 Abgeordnete türkischer Herkunft an der Präsidentenwahl teilgenommen hätten, darunter zwei, die Familienangehörige durch mutmaßlichen rechtsextremem Terror verloren hatten – Mevlüde Genc, die bei einem Brandanschlag 1993 vier Enkelkinder verlor, und Gamze Kubasik, deren Vater von Rechtsextremen getötet wurde.

Die Zeitung wies darauf hin, dass Gauck nach eigenem Bekunden auf Migranten zugehen wolle, um deren Marginalisierung in der Gesellschaft zu verringern und um eine bessere Integration zu fördern. Hürriyet schilderte Gauck als einen Mann, der gegen Unterdrückung und für Freiheit gekämpft habe, und dessen Wahl von der Bevölkerung und den Medien mit großer Mehrheit begrüßt worden sei. Boris Kálnoky

Der frisch gekürte Bundespräsident war bis vor kurzem in Spanien ein Unbekannter. Das änderte sich erst, als das Machtpokern um die Wulff-Nachfolge begann. Mit gewisser Häme kommentierten die spanischen Medien seinerzeit Merkels „Niederlage“ in der Heimat, haben die Spanier doch sonst gegen die dominante Frau aus dem hohen Norden keine Chance und müssen sich in Brüssel ihren harten Spardiktaten beugen.

In den Zeitungen auf der Iberischen Halbinsel bekommt Gauck durchweg eine positive Bewertung, besonders sein Einsatz als Bürgerrechtler wird gewürdigt. Er sei eines der „Talente“ (ebenso wie Merkel), das der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl im Osten der Republik gefunden habe, schreibt etwa die konservative Tageszeitung „ABC“.

Gauck habe bei seinem Amtsantritt bereits Vorschlusslorbeeren von der Bevölkerung und der Presse erhalten, während sich seine zehn Vorgänger die Anerkennung erst noch mit hochgestochenen Reden verdienen mussten. Im Grunde müsse Merkel nach den turbulenten vergangen Wochen jetzt so etwas wie Erleichterung verspüren, so ABC abschließend. Gauck habe die die ehrenwerte Rolle der Vertretung seines Landes inne, Merkel jedoch sei aber weiterhin diejenige, die die Befehle erteilt und die Zügel fest in der Hand hält. Ute Müller

Nach den Eskapaden ihres letzten Ratspräsidenten Silvio Berlusconi haben viele Italiener halb wehmütig, halb amüsiert zu Kenntnis genommen, wie die Deutschen den höchsten Mann in ihrem Staat in die Wüste schickten, weil es da ein paar warme Mahlzeiten und Urlaube gab, die der Präsident nicht selbst bezahlt hatte.

Jetzt schauen sie kaum weniger erstaunt, wie dieses rätselhafte Volk im Norden nun einen protestantischen Pastor als dessen Nachfolger gewählt hat, der nicht seine Frau, sondern eine „compagna“ zur „First Freundin“ der Deutschen erhebt, die zusammen also kein Ehepaar, sondern eine „coppia di fatto“ (ein de-facto-Paar) bilden, um dessen Rechtsstatus in Italien schon hitzige Debatten geführt wurden.

Daneben verblasst fast die Besonderheit, dass Deutschlands erster Mann seit Sonntag parteilos aus Überzeugung und ein Ex-Dissident ist, der jahrelang die Untaten der Stasi („Gestapo rossa“) aufgearbeitet hat. Nun fordere er mit seinem Lebensstil die Konventionen und das Protokoll heraus, heißt es dazu in „La Repubblica“.

Der „Corriere della Sera“ hat jedoch nicht das „prima coppia“ Gauck- Schadt auf die Titelseite genommen, sondern das ungleiche Paar Gauck- Merkel und nennt die Wahl eine „Revanche des Ostens“ an der deutschen Nation, um im Innenteil so merkwürdige Begriffe wie „Wessis“ und „Ossis“ zu erklären.

Das Zeichen einer „großen Wende“ will auch die Hauptstadtzeitung „Il Messaggero“ in dem Wechsel erkennen. Italien und Deutschland vereine „unauflösbare freundschaftliche Gefühle und tiefe kulturelle Bindungen“, schrieb Staatspräsident Giorgio Napolitano seinem neuen Kollegen in einem ersten Glückwunschschreiben. Paul Badde

Es gibt guten Grund, erleichtert aufzuatmen und ein „endlich“ auszustoßen, kommentierte Gunnar Jonsson in der linksliberalen schwedischen Zeitung „Dagens Nyheter“ schon im Februar, als sich die Parteien auf den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten der Sozialdemokraten geeinigt hatten.

Deutsche Präsidentschaftsangelegenheiten werden in Nordeuropa üblicherweise als rein innenpolitisch betrachtet und bekommen entsprechend wenig Aufmerksamkeit. So war denn auch vom Skandal um Christian Wulff lange nichts zu hören. Erst kurz vor dessen Rücktritt wurde etwas ausführlicher berichtet. Dagegen war schon die Nominierung Gaucks ein Thema und nicht erst dessen eigentliche Wahl.

„Einen passenderen Präsidenten kann man kaum finden“, so Jonsson in Anbetracht der parteipolitischen Unabhängigkeit und des Redetalents von Gauck. Auch wenn Merkel sich lange gegen Gauck gewehrt habe, bekomme sie mit diesem nun nicht nur einen populären Präsidenten, den eine große Mehrheit nominiert habe, sondern das habe auch noch den Vorteil, dass sie nicht alleine Schuld sei, sollte doch etwas schief laufen. „Jetzt ist vor der deutschen Tür gekehrt worden und den Sündern im Euro-Raum können mehr Lehren erteilt werden“, so Jonsson.

Etwas weniger gehässig Ingrid Breke von der konservativen Aftenposten aus Norwegen. „Die Deutschen bekommen den Traum eines vereinenden, klugen Präsidenten erfüllt“, so die Deutschland-Korrespondentin der Zeitung.

Allerdings müsse befürchtet werden, Gauck sei unkontrollierbar und werde Positionen beziehen, die der Politik nicht passen. Das aber, so Brekke, sei andererseits „ein willkommener Kontrast zum abgetretenen Wulff, der kaum etwas anderes meinte als das Selbstverständliche“. Clemens Bomsdorf

Ein deutscher Bundespräsident spielt für die Tschechen gewöhnlich eher eine kleinere Rolle. Politisch Aufgeklärte wissen um die verhältnismäßig geringen Vollmachten des Staatsoberhauptes in Berlin. Dass Joachim Gauck in den Prager Medien dennoch bemerkenswert große Aufmerksamkeit erfährt, hängt mit einem seiner Vorbilder zusammen: dem einstigen tschechoslowakischen und tschechischen Präsidenten Vaclav Havel.

Dieser Havel, so die „Prager Landeszeitung“, hätte seine Freude an diesem wortgewaltigen Bundespräsidenten und dessen Vita gehabt. Die „Mlada fronta Dnes“ meint, die Ostdeutschen hätten nach 1989 etwas neidisch beobachtet, dass Leute wie Havel und Lech Walesa in ihren Ländern zu Präsidenten gekürt wurden, während die Dissidenten aus der DDR leer ausgegangen seien. „In der Person Gaucks wurde am Sonntag mit einer Verspätung von mehr als 20 Jahren nun auch ein Vertreter der friedlichen Revolution 1989 zum Präsidenten gewählt.“

Das Blatt ist überzeugt davon, dass Gauck an große Vorgänger wie Richard von Weizsäcker wird anknüpfen können. „Dank seiner Redekunst bringt er sie besten Voraussetzungen mit, sich in die erste Liga der Bundespräsidenten einzureihen.“ Für die „Hospodarske noviny“ bleibt die wichtigste Frage, wie Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel miteinander auskommen werden. „Präsident Gauck ist mit Sicherheit keine Marionette“, sagt das Blatt voraus. Hans-Jörg Schmidt

In Russland, dessen Beziehung, oder „strategische Partnerschaft“, zu Deutschland vor allem durch das Volumen der Handelsverträge definiert wird, ist die demokratische Öffentlichkeit erfreut darüber, dass nach Jahrzehnten der Realpolitik jemand zum deutschen Präsidenten gewählt wird, der auch über unangenehme Wahrheiten unparteilich sprechen kann.

Joachim Gauck „hat den Großteil seines Lebens nicht für die Routen von Gaspipelines, sondern für die im Grunde genommen christlichen Werte - persönliche Freiheit und persönliche Verantwortung - gekämpft“, kommentierte beim Radiosender „Kommersant FM“ der renommierte Journalist Konstantin von Eggert, als Gaucks Kandidatur bestätigt wurde.

Der neue Präsident sei ein prinzipieller Gegner jeder Form von Autoritarismus und könne das Erbe der Sowjetunion und die Erinnerung daran nicht leiden. Von Eggert hat keine Zweifel daran, dass Gauck über die politische Situation in Russland, Weißrussland oder China nicht schweigen wird, womit er Anhänger des außenpolitischen Pragmatismus sicherlich noch ärgern wird.

Die Wochenzeitschrift „Kommersant Wlast“ aus dem gleichen Medienhaus brachte vor zwei Wochen ein ausführliches Porträt des Antikommunisten Gauck, der von russischen Kommentatoren auch „Gewissen der Nation“ genannt wird. Julia Smirnanowa

Der Sprecher des Außenministeriums Hong Lei gratulierte zur Wahl Joachim Gaucks. Da es um die beiderseitigen Beziehungen China und Deutschland "ausgezeichnet" bestellt sei, sich die Zusammenarbeit "beständig vertieft", hoffe Peking, dass es auch so weitergeht. Gegenseitiger Respekt sei dafür die Grundlage.

Noch ist Gauck für Chinas Politik ein unbeschriebenes Blatt. Auch Chinas Medien hatten bisher weder tiefschürfend über die Aufarbeitung der sozialistischen DDR-Geschichte nach dem Mauerfall, noch über die daran beteiligte Person Gauck berichten können. Die Öffentlichkeit verfolgte dennoch vor allem wegen dem Vorspiel der Affäre um Christian Wulff die Wahl mit mehr Aufmerksamkeit als zu früheren solchen Anlässen.

Viele wunderten sich, dass mit Gauck und Kanzlerin Angela Merkel gleich zwei Deutsche aus der Ex-DDR in Spitzenämter Deutschlands aufgestiegen sind. Die „Global Times“ schrieb am Montag vom „Aufstieg der Ostdeutschen auf die politische Bühne“ und wertete es als Zeichen für eine gelungene Wiedervereinigung.

Die Wochenzeitschrift „Century Weekly“ hatte Gauck schon im Februar zur Person der Woche gemacht. Sie schrieb auch, dass er nach dem Ende der DDR die Verantwortung trug, das geheime Stasiarchiv aufzuarbeiten. „Gao-ke“ heißt Gauck ins Chinesische übersetzt. Mit dem Namen Joachim tut sich China schwerer. Die Übersetzung „Yue-ah- xi- mu“ ist ein wahrer Zungenbrecher.

Für Spekulationen, ob und wie Gaucks jahrzehntelanger Kampf für ein Leben in Freiheit auf sein Verhältnis und Umgang mit der Volksrepublik abfärben könnte, ist es noch zu früh. Peking wartet ab. Das Parteiorgan „Volkszeitung“ berichtete über die Wahl Gaucks bisher in nur drei Zeilen und versteckte sie unter „Internationales“ auf Seite 21. In Internetblogs bekennen indes junge Chinesen, dass ihnen Gauck wegen seines Lebenslaufs imponiert. Johnny Erling

Während andere Blätter in den USA sich zunächst eher aufs Nachrichtliche beschränkten, fragte die „New York Times“ am Tag der Wahl des neuen Bundespräsidenten: „Kann Joachim Gauck Deutschland sympathisch machen?“ Sympathisch machen, das wird bei der Lektüre des Essays klar, aus der Perspektive der von der Währungskrise geplagten Mit-Europäer, allen voran Griechenlands.

Deutschland stehe an einem Scheideweg. Es könne „der Führer des Kontinents oder der Raufbold aus der Nachbarschaft“ werden, schreiben Jackson Janes, Direktor der Denkfabrik „American Institute for Contemporary German Studies“ (AICGS), und der Deutschlandexperte Peter Ross Range.

Gauck habe sich eher durch „Integrität und moralische Strahlkraft als durch politische Positionen“ profiliert, bescheinigen die Autoren dem von ihnen hochgelobten Antikommunisten. Darum könne er die Deutschen mit ihrer neuen Rolle als Entscheidungszentrum in der Euro-Krise aussöhnen. Das Land, das sich zur Freude seiner Nachbarn bislang lieber als „Musterschüler denn als Musterlehrer“ gesehen habe, mache nun ähnliche Erfahrungen wie die amerikanischen Verbündeten: Die Krux der Führung bestehe darin, dass man kritisiert wird, wenn man sie ausübt, und ebenso, wenn man darauf verzichtet.

Ob der 89-er Gauck zu einem moralischen Schwergewicht in der Tradition Vaclav Havels oder Adam Michniks werden könne, bleibe abzuwarten. Europa befinde sich heute „eher in einem Kuddelmuddel als in einer Revolution, und dem aktuellen Drama geht jede Romantik ab“. Aber die Deutschen verlangten ebenso wie die gesamte Welt nach der ständigen Versicherung, dass mit den Deutschen alles in Ordnung sei, „und Herr Gauck ist in einer Position, sie beiden zu geben". Ansgar Graw

Kolumbiens wichtigste Tageszeitung "El Tiempo" begrüßt den neuen Bundespräsidenten als "die perfekte Kombination" an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Erstmals in der Geschichte werde Deutschland von zwei Figuren regiert, die einst hinter dem eisernen Vorhang agiert hätten. Joachim Gauck – so schreibt "El Tiempo" – sei zu DDR-Zeiten ein Aktivist gewesen, der sich für die Bürgerrechte in der Diktatur eingesetzt habe. Das Gespann Merkel und Gauck könne deswegen erfolgreich sein, weil sich Merkels Kapazität Entscheidungen zu treffen und Gaucks moralische Glaubwürdigkeit ergänzen könnten.

Auch das Nachrichtenmagazin „Semana“ sieht in Gauck wegen seiner Vergangenheit als Theologe eine neue moralische Autorität Deutschlands in das Bundespräsidialamt einziehen. Die Rolle die der frischgewählte Bundespräsident in Deutschland künftig spiele, sei vergleichbar mit der des Königs von Spanien, schreibt die Tageszeitung "El Espectador". Gauck werde protokollarische und repräsentative Aufgaben übernehmen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel habe nach dem abrupten Ende der Amtszeit von Christian Wulff in einer geschwächten Koalition kein Kapital mehr gehabt, um einen anderen Kandidaten ins Spiel zu bringen, als der, der von der Opposition unterstützt worden sei. Ein klein wenig müssen sich die Kolumbianer noch an den neuen Namen gewöhnen: In ihrem Portrait schwankte "El Tiempo" zwischen Joachim Gauck und Joachim Gauch. Tobias Käufer

Die Schnäppchenjagden des Christian Wulff haben vielen Österreichern zum Anlass genommen, die Schwächen des eigenen Systems genauer unter die Lupe zu nehmen: Korruptionsanfälligkeit, zum Beispiel, oder mangelnde Rücktrittskultur.

Bei Joachim Gauck ist es ähnlich, wenn auch in geringerem Maße. Vor allem Kommentatoren auf der rechten Seite des Meinungsspektrums stellten sich die Frage, welche Chancen Gauck in Österreich gehabt hätte.

Keine, meint Christian Ortner, der sich selbst als „Zentralorgan des Neoliberalismus“ bezeichnet: „In Österreich bekäme ein Konservativer wie Gauck wahrscheinlich nicht einmal die Stimmen der Volkspartei mit ihrer notorischen Angst, sich irgendwie nachmessbar von der Sozialdemokratie zu unterscheiden“.

Das parteipolitische Gerangel hätte in Österreich länger gedauert, meint die „Wiener Zeitung“ – und ein weniger zufriedenstellendes Ergebnis gebracht.

Der liberale „Standard“ wunderte sich über die deutsche Angst vor direkter Demokratie, die verhindert habe, dass Gauck nicht schon 2010 über eine Volkswahl zum Bundespräsident wurde - die Deutschen hätten schließlich „anders als die Österreicher“, Lehren aus der Geschichte gezogen.

Die bürgerliche „Presse“ hingegen findet es „interessant“, was die Deutschen von ihrem formal machtlosen Staatsoberhaupt erwarten: „keine weich gespülten Reden, die es allen recht machen wollen, sondern richtungsweisende unbequeme Denkanstöße“. Die Deutschen, so lautet ihr Fazit, hätten sich diesen neuen Präsidenten redlich verdient. Elisalex Henckel

In der deutschsprachigen Schweiz hat die Wahl von Joachim Gauck naturgemäß deutlich mehr Beachtung gefunden als in der Romandie – wenn auch dort nicht ganz so viel wie die Affären seines Vorgängers. Besonders großes Interesse bei Schweizer Berichterstattern erregte zum einen Gaucks Vergangenheit.

So schilderte die „Neue Zürcher Zeitung“ etwa am Tag nach der Wahl detailliert das Schicksal von Gaucks Vater, der nach dem Krieg wegen angeblicher Spionage von den Sowjets in ein sibirisches Gulag deportiert wurde. Zweites großes Thema in der Schweiz ist Gaucks Zukunft, insbesondere die „riesigen Erwartungen und Forderungen der Deutschen“, wie es das Schweizer Fernsehen formulierte. Thematisch müsse Gauck sich verbreitern, darin sind sich die Schweizer Kommentatoren einig.

Und für viele, die ihm jetzt zujubeln, werde bald die große Ernüchterung kommen, schreibt die „NZZ“, denn er wisse, dass es viel Kraft brauche, um sich gegen die Zumutungen des vormundschaftlichen Staates zu wehren. Diese Kraft werde er einfordern, und damit möglicherweise bald für viele Deutsche zum unbequemen Mahner und Dränger werden. Der Zürcher „Tagesanzeiger“ ist jedoch überzeugt: „Eine Prise Liberalismus wird dem Land guttun.“ Elisalex Henckel

Die Wahl von Joachim Gauck zum Staatsoberhaupt hat den Holländern ein Mal mehr klar gemacht, dass der Schwerpunkt der Bundesrepublik zwanzig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer gen Osten verschoben ist. Das öffentlich-rechtliche „NOS-Journaal“ berichtete, dass der ehemalige Pastor Gauck genauso wie Kanzlerin Angela Merkel aus der früheren DDR kommt.

Die auflagenstärkste Tageszeitung „De Telegraaf“ aus Amsterdam wunderte sich darüber, dass nicht nur Politiker aus Bund und Ländern, sondern auch nominierte Persönlichkeiten aus der Welt des Sport wie Fußballtrainer Otto Rehhagel, Schauspieler wie Tatort-Star Jan Josef Liefers und andere Bürger den Präsidenten wählen durften.

Das liberale „NRC Handelsblad“ aus Rotterdam nennt Gauck einen Mann mit „hoher moralischer Autorität“ und verweist darauf, dass Gauck schon im Sommer 2010 der von den Bürgern gewünschte Präsident war. Dass der „Spiegel“ aus Hamburg daraus damals ein Titelcover machte, beurteilt das „Handelsblad“ als „gesundes Volksempfinden“.

Für das deutsche Staatsoberhaupt existiert in Holland aber weit weniger Interesse als für seine Kollegen in den Vereinigten Staaten, Russland und Frankreich. Die Niederländer wollen vor allem wissen, wie es Angela Merkel geht, die als Chefin Europas gilt. Dass Merkel Gauck in erster Instanz abgelehnt hat, und bei der zweiten Wahl nach großem Druck doch eingelenkt ist, wird von den Medien als Gesichtsverlust gesehen. Rob Savelberg

Der Tod des ägyptischen Papstes füllt die Seiten der Presse in Kairo. Riesige Fotos zeigen Shenouda III, wie sein Leichnam in festliche Gewänder gekleidet und mit einer goldenen Krone auf dem Kopf im Papststuhl der Kathedrale von Kairo sitzt und die Gläubigen von ihm Abschied nehmen, bis am Dienstag die Beerdigung stattfinden wird.

Lange Artikel über den Werdegang des Oberhauptes der koptischen Kirche, eine der ältesten weltweit, begleiten die Fotos. Tausende der fast zwölf Millionen Christen Ägyptens trauerten am Sonntag überall im Land um ihren Patriarch. Da bleibt wenig Platz für andere Nachrichten.

Die Wahl des Kirchenmanns zum Bundespräsidenten findet daher nicht allzu viel mediale Beachtung am Nil. Lediglich die halbamtliche Tageszeitung „Al Ahram“ erwähnt dies auf einer ihrer hinteren Seiten. Andere haben die Nachricht in ihren Meldungsspalten.

Im Vorfeld allerdings, noch vor dem Tod Shenoudas, machte die Gauck-Wahl Schlagzeilen in der Wochenendausgabe der „International Harald Tribune“, die mit einem Sonderteil über Ägypten sechs Mal wöchentlich erscheint und im gesamten Nahen Osten Verbreitung findet.

Dort wurde der neue Bundespräsident mit einem Aufmacherfoto auf Seite Eins vorgestellt. Über seine Biographie informierte ein Artikel auf der nächsten Seite. Bemerkenswert erschien dem Autor nicht so sehr die Tatsache, dass Gauck Pastor ist, sondern dass die Führungsspitze der Bundesrepublik mit Angela Merkel und Joachim Gauck jetzt komplett aus der ehemaligen DDR stammt.

Der Tenor, die „Ossis“ haben es geschafft, sollte wohl auch den Transformationsprozess in Ägypten ermutigen. Die Botschaft, dass Menschen, die in einer Diktatur aufgewachsen sind, in einer Demokratie zu höchsten politischen Ämtern gelangen, könne auch für Länder des arabischen Frühlings möglich sein. In Ägypten wird Ende Mai der erste Präsident nach dem Sturz Husni Mubaraks gewählt. Birgit Svenson