Bulgarische Regierung tritt geschlossen zurück

Ministerpräsident Borissow reagiert auf Proteste

Nach tagelangen gewalttätigen Demonstrationen gegen die hohen Strompreise ist die Regierung in Bulgarien geschlossen zurückgetreten. "Ich will nicht an einer Regierung beteiligt sein, unter der die Polizei Menschen schlägt und unter der die Bedrohungen durch Proteste die politische Debatte ersetzen", sagte Ministerpräsident Bojko Borissow vor dem Parlament in Sofia. Bereits für Ende April wird mit Neuwahlen gerechnet.

"Wir haben Würde und Ehre. Es ist das Volk, das uns an die Macht brachte, und wir geben sie ihm heute zurück", sagte Borissow. Seine Regierung habe angesichts der Proteste im Land das "Maximum" gegeben, mehr könne sie nicht tun. "Ich will kein Blut mehr auf der Straße sehen."

Tausende Menschen gingen in den vergangenen zehn Tagen landesweit auf die Straße. Die Protestwelle hatte mit Kundgebungen gegen die hohen Strompreise begonnen und sich dann gegen die Regierung gewendet. Dutzende Menschen wurden bei Auseinandersetzungen mit der Polizei verletzt, zahlreiche Regierungsgebäude Ziel von Angriffen. Zwei Menschen zündeten sich im Zuge der Proteste selbst an, einer von ihnen starb. Für Mittwochabend kündigten sowohl Regierungsgegner als auch -anhänger neue Demonstrationen in Sofia an.

Der bürgerliche Politiker Borissow hatte noch am Dienstag zugesichert, die Energiepreise um acht Prozent zu senken. Sie waren seit Juli um 13 Prozent angestiegen. Zudem wurde ein Verfahren eingeleitet, um dem tschechischen Unternehmen CEZ - im Westen des Landes der einzige Stromversorger - die Lizenz zu entziehen.

Es wurde erwartet, dass das Parlament den Rücktritt am Donnerstag annimmt. Laut Verfassung muss Präsident Rossen Plewneljew dann drei Parlamentsparteien nacheinander mit der Regierungsbildung beauftragen. Dies wären Borissows Mitte-Rechts-Partei GERB, die oppositionellen Sozialisten sowie eine dritte Partei seiner Wahl. Da sich aber alle Parteien für Neuwahlen aussprachen, kann der Staatschef auch eine Expertenregierung mit der Vorbereitung der Wahlen beauftragen.

Den Sozialisten zufolge könnten die ursprünglich für Juli geplanten Wahlen auf Ende April vorgezogen werden. Nach Einschätzung des Politologen Dimitar Awramow sind Neuwahlen im Interesse der GERB. Bis Juli hätte die Partei seiner Ansicht nach massiv an Zustimmung verloren. Laut einer jüngsten Gallup-Umfrage kommt die Regierungspartei derzeit auf 22 Prozent, genauso wie die Sozialisten. Borissows persönliche Zustimmungswerte liegen demnach bei 29 Prozent, womit er mit Sozialistenchef Sergej Stanischew gleichauf liegt.

Der Politologe Andrej Raitschew von Gallup sagte, die nächste Regierung müsse damit rechnen, "sich nicht länger als zwei Jahre zu halten". Sie müsse unbeliebte, aber unvermeidbare Reformen angehen. Dazu zählt eine Reduzierung der Krankenhäuser und Universitäten im Land sowie die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Zwetosar Tomow vom Soziologischen Institut Scala sagte, Bulgarien habe keine finanziellen Rücklagen: "Der Tresor ist leer."

Bulgarien ist das ärmste Land der EU. Der monatliche Durchschnittslohn liegt bei 350 bis 400 Euro. "Das Problem der Armut der arbeitenden Bevölkerung ist eine der Hauptursachen für die Unzufriedenheit", sagte der Gallup-Forscher Jiwko Gueorgujew. Die Arbeitslosigkeit liegt laut offiziellen Zahlen bei 11,5 Prozent, Gewerkschaften zufolge beträgt sie dagegen 17 bis 18 Prozent. Auch Korruption und Vetternwirtschaft sorgen für Unmut in der Bevölkerung.