WDR enthüllt sexuellen Missbrauch in Kinderpsychiatrie

Vorfälle in Marsberg in 50er und 60er Jahren

Einem WDR-Bericht zufolge sind in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie-Einrichtung in Marsberg in NRW in den 50er und 60er Jahren zahlreiche Bewohner missbraucht worden. Das Magazin "Westpol" beruft sich dabei auf Aussagen von Opfern. (Illustrationsfoto)

In der Kinder- und Jugendpsychiatrie St. Johannesstift im nordrhein-westfälischen Marsberg hat es nach einem Bericht des WDR in den 50er und 60er Jahren massive sexuelle Übergriffe auf Kinder und Jugendliche gegeben. Das WDR-Politikmagazin "Westpol" beruft sich dabei auf Aussagen damaliger Betroffener. Der Sender hatte zuvor über ähnliche Vorfälle auch in Kinder- und Jugendpsychiatrien in Bad Oeynhausen und Schleswig berichtet.

Ein früherer Patient beschreibt in der "Westpol"-Sendung, die am Sonntag ausgestrahlt wird, wie ihn eine Schwester des Ordens der Vincentinerinnen 1964 in Marsberg im Alter von 13 Jahren mehrfach in ihr Zimmer beordert habe. Dort habe er sich ausziehen müssen, und die Schwester habe sexuelle Handlungen an ihm vorgenommen. Ein anderer früherer Patient berichtet laut WDR, er sei von Nonnen regelmäßig im Genitalbereich gewaschen worden.

Experten halten die Schilderungen laut WDR für glaubwürdig. "Das sind Einrichtungen, in denen Menschen über 24 Stunden des Tages einer Fremdbestimmung unterworfen sind", sagte der Sozialpädagoge und Psychotherapeut Manfred Kappeler.

Die Generaloberin der Vincentinerinnen in Deutschland, Schwester Cäcilie Müller, äußerte sich tief betroffen über die Vorwürfe. "Das löst in mir unendliche Betroffenheit aus und auch ein Stückchen Beschämung", sagte sie dem WDR. Auch im Namen der Schwestern, gegen die sich die Vorwürfe richten und die heute nicht mehr leben, wolle sie sich bei den Opfern "aufrichtig entschuldigen für das ihnen zugefügte Leid".

Die Generaloberin bot den Betroffenen Gespräche an, um die Vergangenheit aufzuarbeiten. Auch der Träger der Einrichtung in Marsberg, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, entschuldigte sich bei den damaligen Opfern und bot ihnen ebenfalls Gespräche an.

Entschädigungsansprüche haben Menschen, die in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Opfer von Gewalt und sexuellen Übergriffen geworden sind, allerdings dem Bericht zufolge bislang nicht. Sie waren bei bisherigen Entschädigungsregelungen für Missbrauchsopfer vorerst ausgespart worden.