Wirksame Arzneistoffe gegen Tuberkulose

Quelle: www.monks-aerzte-im-netz.de

Die Tuberkulose, auch Schwindsucht genannt, ist die weltweit häufigste bakterielle Infektionskrankheit. Mehr als acht Millionen Menschen erkranken jedes Jahr daran, die meisten in Afrika südlich der Sahara, in Asien und in Osteuropa. In Deutschland wurden laut Robert-Koch-Institut in den vergangenen Jahren zwischen 4000 und 5000 Neuerkrankungen jährlich registriert. Die Erreger – Bakterien der Art Mycobacterium tuberculosis - befallen hauptsächlich die Lunge. Als Folgen stellen sich ständiger Husten mit Auswurf, Gewichtsabnahme und starkes Schwitzen in der Nacht ein. Bei schweren Verläufen ist der Hustenauswurf blutig, dazu kommen Untergewicht und starke Blutarmut. Ohne Behandlung endet die Krankheit häufig tödlich. Arzneistoffe, mit denen die Tuberkulose therapiert werden kann, gibt es schon seit der Mitte des 20. Jahrhunderts. Aber die Behandlung ist aufwändig: Sie dauert mehrere Monate und erfordert eine Kombination von mindestens vier Substanzen. Zudem sind viele Stämme des Erregers gegen die Wirkstoffe unempfindlich (resistent) geworden. Gute Alternativen sind rar, da über Jahrzehnte keine neuen Arzneistoffe dazugekommen sind. Der Erreger Mycobacterium tuberculosis unterscheidet sich von vielen anderen Bakterien dadurch, dass er eine besonders dicke Zellwand besitzt. Sie ist kaum durchlässig für Fremdstoffe und macht den Krankheitserreger dadurch auch relativ unempfindlich gegen Medikamente. „An der dicken Zellwand der Mykobakterien scheitern viele Wirkstoffe, die eigentlich hoch effektiv sein könnten“, erklärt Prof. Christoph Sotriffer vom Institut für Pharmazie der Universität Würzburg. Wegen dieser Barriere erreichen die Arzneistoffe ihr Ziel – das Innere der Bakterien – entweder gar nicht oder nur in so geringer Konzentration, dass sie nicht mehr wirken. Welche Voraussetzungen muss ein Wirkstoff also erfüllen, damit er gut durch die Zellwand des Tuberkulose-Erregers hindurchkommt? Diese Frage konnte die Wissenschaft bislang nicht beantworten. Nun liefern Pharmazeuten und Bioinformatiker der Universität Würzburg erstmals einige Antworten. Ihre Ergebnisse sind im Fachblatt Bioinformatics (2013, Band 29/1, Seite 62-68) veröffentlicht. Christoph Sotriffers Mitarbeiter Benjamin Merget und David Zilian haben 3815 Substanzen, die gegen Mykobakterien wirksam sind, mit zahlreichen nicht-wirksamen oder zufällig ausgewählten Substanzen verglichen. Durch ihre Analysen identifizierten sie einige physikalisch-chemische Eigenschaften, mit denen sich gut prognostizieren lässt, ob ein Molekül die Zellwand des Krankheitserregers durchdringen kann oder nicht. Das sind zum Beispiel Eigenschaften wie die Größe der wasserabweisenden Oberfläche oder die Anzahl der Stellen, an denen Wasserstoffbrücken entstehen können. Aus ihren Erkenntnissen haben die Wissenschaftler das statistische Modell MycPermCheck entwickelt: Mit ihm lässt sich abschätzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit organische Moleküle bis zu einer relativen Molekülmasse von etwa 500 die Zellwand von Mykobakterien überwinden und ihre Wirkung im Bakterium entfalten können. Das Modell lässt sich als kostenloser Webservice auf der Homepage der Arbeitsgruppe Sotriffer frei nutzen. Mit MycPermCheck ist es erstmals möglich, die Suche nach Wirkstoffen gegen Mykobakterien auf genau die chemischen Verbindungen zu fokussieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in das Bakterium eindringen können“, erklärt Sotriffer. Damit ließen sich virtuelle und experimentelle Screenings effizienter und zielgerichteter durchführen. Mit dem Modell kann man auch prüfen, ob neu entworfene Substanzen die gewünschten Eigenschaften besitzen. „Ist das nicht der Fall, kann versucht werden, dies durch ein gezieltes molekulares Design zu erreichen“, so Sotriffer. MycPermCheck ist kein Verfahren, mit dem sich die Durchlässigkeit der bakteriellen Zellwand exakt berechnen lässt – auf diese Feststellung legen die Entwickler großen Wert. Darüber sollten sich alle Anwender im Klaren sein. Das Modell erhöht nur die Wahrscheinlichkeit, aus einer großen Menge chemischer Verbindungen genau diejenigen auszuwählen, deren Eigenschaften die Überwindung der mykobakteriellen Zellwand ermöglicht. Prof. Sotriffer: „Bei typischerweise mehreren Hunderttausend bis einigen Millionen Verbindungen, die einem Screening unterzogen werden, wäre bereits viel gewonnen, wenn man die Suche nach neuen Wirkstoffen zum Beispiel auf die besten zehn Prozent derjenigen Moleküle reduzieren kann, die mit hoher Wahrscheinlichkeit gut in das Bakterium eindringen können. Der steinige Weg zu neuen Wirkstoffen gegen Tuberkulose wäre dadurch schon etwas geebnet.“ Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg