Zu Guttenberg rechnet mit Merkel ab

Lügenbaron

Im Zuge der Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit musste sich der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg den Spitznamen „Lügenbaron“, eine Anspielung auf die Lügengeschichte des Baron Münchhausen, gefallen lassen.

Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat die Außenpolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) scharf kritisiert. In einem Gastbeitrag für die "New York Times" wirft der CSU-Politiker der Bundesregierung mangelnde Solidarität mit den Nato-Verbündeten vor. Das berichtet das "Handelsblatt". Zu Guttenberg beobachtet eine "Kultur des Widerwillens" gegen die Hilfe bei Militäraktionen wie in Libyen oder aktuell in Syrien.

Grund für die Zurückhaltung sei die bevorstehende Bundestagswahl am 22. September. Merkel verwende zwar deutliche Worte über den syrischen Machthaber Baschar al-Assad, fürchte bei einer Eskalation der Syrien-Krise aber um ihre problemlose Wiederwahl, schreibt zu Guttenberg. Politiker wüssten "sehr gut, dass die öffentliche Meinung im Land militärischen Einsätzen (...) sehr skeptisch gegenübersteht". Deshalb werde Merkel angesichts der erwarteten US-Schläge gegen Syrien "wieder einmal eine Sonderrolle verlangen".

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), wies die Kritik zurück. "Mit ähnlichen Worten hätte zu Guttenberg auch die Briten kritisieren können, die ebenfalls eine militärische Intervention in Syrien abgelehnt haben", sagte Polenz Handelsblatt Online. "Die Bundesregierung hat aus wohlerwogenen Gründen eine deutsche Beteiligung an militärischen Interventionen in Syrien ausgeschlossen."

Die Bundesregierung bemühe sich gemeinsam mit den Verbündeten darum, dass der Uno-Sicherheitsrat seine Verantwortung wahrnehme, sagte Polenz weiter. "Vor allem Russland und China müssen jetzt endlich dazu beitragen, dass der Einsatz von Chemiewaffen nicht folgenlos bleibt und nie wieder erfolgt", betonte der CDU-Politiker.

Zu Guttenberg, einst Hoffnungsträger der Union, war im Jahr 2011 von seinen politischen Ämtern zurückgetreten. Zuvor war bekannt geworden, dass der Jurist weite Teile seiner Doktorarbeit abgeschrieben hatte. Seit dem Rücktritt lebt zu Guttenberg mit seiner Familie im US-Bundesstaat Connecticut und wird als "Distinguished Statesman" ("Angesehener Staatsmann") bei der Washingtoner Denkfabrik Center for Strategic and International Studies geführt. CSU-Chef Horst Seehofer hatte zu Guttenberg angeboten, in die deutsche Politik zurückzukehren.

Harsche Kritik an Guttenberg äußerte auch der Vize-Vorsitzende der Linkspartei, Jan van Aken. "Zu Guttenberg macht sich hier zum Sprachrohr der amerikanischen Falken. Das ist kein ernstzunehmender Beitrag zur Debatte", sagte van Aken Handelsblatt Online. Zu Guttenberg scheine sich damit eher um ein Ministeramt in Washington zu bewerben. "Berlin sollte er mit dieser Kriegsrhetorik fernbleiben."

Mit Scheckbuch-Diplomatie sei es heute nicht mehr getan

Van Aken bezeichnete es als gut, dass sich diesmal Amerika wenigstens vorerst dem alten Europa gebeugt habe. Präsident Barack Obama gehe nach Washington zum Parlament und stelle sich der Debatte über Krieg und Frieden. "Das ist ein kleiner Fortschritt", sagte der Linkspartei-Vize. "Richtiger wäre es, wenn er nach New York zur Uno gehen würde. Dort könnte die internationale Gemeinschaft über einen Friedensplan für Syrien reden."

Van Aken nannte zwei Kernpunkte, um die es jetzt gehen müsse. "Erstens: ein totales und multilaterales Waffenembargo für Syrien, zweitens die international koordinierte Aufnahme von Flüchtlingen." Nur so könne der Rahmen für eine Beendigung des Konflikts gesetzt werden.

In dem Gastbeitrag vom 30. August, den der Ex-Minister mit dem Washingtoner Bürochef der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung Ulf Gartzke verfasst hat, kritisiert er auch Merkels Politik im Libyen-Konflikt. Im März 2011 hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung die USA, Frankreich und Großbritannien verärgert, als sie sich im Uno-Sicherheitsrat bei der Entscheidung über Militäraktionen gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi der Stimme enthielt. Damals stand eine Landtagswahl in Baden-Württemberg an, die die schwarz-gelbe Koalition dennoch verlor.

Berlins Entscheidung, "lieber mit Russland und China an einem Strang zu ziehen als die traditionellen Nato-Verbündeten zu unterstützen", habe seinerzeit für manch internationale Beobachter folgendes Bild bestätigt, schreibt zu Guttenberg: Deutschland sei - obwohl ein "ökonomisches Kraftwerk" - in der Außen- und Sicherheitspolitik "noch immer ein Zwerg". Stattdessen müsse das Land seiner gewachsenen Bedeutung in der Welt gerecht werden. Die "Scheckbuch-Diplomatie" der vergangenen Jahrzehnte reiche heute nicht mehr aus.

Neben Merkel und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) geht zu Guttenberg auch mit der damaligen rot-grünen Regierung hart ins Gericht. So erinnere ihn die Zurückhaltung von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück an den ehemaligen Außenminister Joschka Fischer. Gemeinsam mit Kanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte der Grüne 2003 den Irak-Einmarsch der Amerikaner vehement abgelehnt.

Zwar sei Deutschlands Widerwille auch verständlich angesichts der Nazi-Vergangenheit und der Zwänge in Wahlkämpfen, räumt zu Guttenberg ein. Zugleich aber berge diese Politik das Risiko "eines hohen Verlustes an internationalem Einfluss". Eine "stärkere, mehr von Prinzipien geleitete Haltung zu Syrien wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung".

Handelsblatt