Überraschung bei Maybrit Illner: AfD-Politiker gegen Abschiebungen nach Afghanistan

image

Nein, bei Maybrit Illner saß diesmal kein Vertreter der „Alternative für Deutschland“ (AfD). Trotzdem sorgte am Donnerstagabend ein AfD-Politiker für eine faustdicke Überraschung in der ZDF-Gesprächsrunde. Doch dazu später.

„Flüchtlinge unter Verdacht – Willkommenskultur am Ende?“, fragte Illner ihre Gäste. Hintergrund: Die Vergewaltigung und der Mord an einer 19-jährigen Medizinstudentin aus Freiburg. Der mutmaßliche Täter: Ein minderjähriger Flüchtling aus Afghanistan. Welche Konsequenzen ziehen wir aus diesem schrecklichen Verbrechen? Über diese Fragen diskutierten folgende Gäste:

Hannelore Kraft. Die SPD-Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen lobte sich vor allem selbst. 4.6 Milliarden Euro habe ihr Bundesland für die Integration von Zuwanderern ausgegeben. Unter anderem für Deutschkurse, mehr Lehrer und sozialen Wohnungsbau. Zudem habe man die Videoüberwachung in den Städten verstärkt.

Dieter Salomon. Der Freiburger Oberbürgermeister von den Grünen erklärte: „Wir haben ein Problem mit jungen Asylbewerbern.“ Gleichzeitig warnte er davor, alle Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen. „Wir dürfen so eine Tat nicht verharmlosen, das ist ein furchtbarer Fall, aber wir müssen auch differenzieren.“ Der Täter müsse bestraft werden und dabei sei es egal, ob er Deutscher oder Ausländer ist.

Emitis Pohl. Die PR-Beraterin und Buchautorin („Deutschsein für Anfänger") kam vor 28 Jahren mit ihren Eltern aus dem Iran. Sie plädierte für mehr Härte gegenüber kriminellen Flüchtlingen. „Wir kommen mit Toleranzpolitik nicht weiter“, ist Pohl überzeugt. Nach der Kölner Silvesternacht, in der vor allem Männer aus Nordafrika hunderte Frauen belästigt und bestohlen hatten, habe sie ihren Töchtern Pfefferspray gekauft. „Dafür bin ich in die rechte Ecke gestellt worden.“ Gleichzeitig kümmert sie sich um einen minderjährigen Flüchtling aus Afghanistan. „Er kennt in seiner Heimat nur Frauen in Burka und Mädchen über 15, die noch nicht verheiratet sind, gelten als Prostituierte“, berichtete sie über das erschütternde Frauenbild ihres Gastes. Ihre eigene Partei, die CDU, kritisierte sie scharf. Es gebe keinen Plan, kein Konzept und wenn Merkel sage: Wir schaffen das, frage sie sich: Wer sind wir?

Mazour Hossein Sharifi. Der junge Mann flüchtete vor sechs Jahren aus Afghanistan nach Deutschland. In nahezu perfektem Deutsch erklärte er, dass er hier eine Ausbildung machen wolle. So habe er sich beim Bundesamt für Migration als Sprachmittler beworben. Er würde aber auch eine Stelle als Reinigungskraft annehmen. Allerdings bekomme er keinen Arbeitserlaubnis, sein Asylantrag wurde abgelehnt, ihm droht die Abschiebung. „Ich bin nicht gekommen, um dem Staat auf der Tasche zu liegen, ich will meinen Teil beitragen“, betonte er.

Sharifis Satz veranlasste einen weiteren Gast, den Polizeigewerkschafter Rainer Wendt, zu der Aussage: „Wir schieben die falschen ab.“ Menschen, die hier zur Schule gehen und sich integrieren, schicken wir zurück und nordafrikanische Intensivtäter bekommen wir nicht los“, monierte Wendt. Für die Tat in Freiburg sei auch die Flüchtlingspolitik mitverantwortlich, kritisierte er die Bundesregierung. Wendt war indes einer der wenigen in der Runde, der einen konkreten Vorschlag unterbreitete, wie man Straftaten verhindern könne. „Wir stellen niemanden unter Generalverdacht, aber eine Gruppe von männlichen unbegleiteten Flüchtlingen, die in ihrer Heimat und auf der Flucht Gewalt erlebt haben, ist ein Problem. Diese Leute brauchen intensive psychotherapeutische Betreuung.“

Michael Kretschmer, der CDU/CSU-Bundestagsfraktionsvize aus Sachsen hatte eine andere Lösung parat. „Wir müssen nordafrikanische Länder, wie Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten erklären, dann können wir schneller abschieben.“ Ausreisepflichtige Leute, die das Land nicht freiwillig verlassen, müssten in Abschiebegefängnisse untergebracht werden. „Wir können nicht jedem in unserem Land helfen, das überfordert uns.“ Dabei differenzierte auch der CDU-Mann. „Der überwiegende Teil der minderjährigen Flüchtlinge will in diesem Land ankommen. Aber es gibt einen Teil, der sich nicht an Regeln hält, und dafür genügt unser Jugendstrafrecht nicht.“

Tatsächlich plant die Bundesregierung zehntausende Afghanen in ihre Heimat abzuschieben. Davor graut es sogar einen der führenden AfD-Politiker des Landes. Per Einspieler wurde ein Zitat von Uwe Junge eingeblendet. Der altgediente Bundeswehr-Offizier und AfD-Vorsitzende in Rheinland-Pfalz hatte in der Welt gesagt: „Ich kenne Nord-Afghanistan aus meinem letzten Einsatz ganz gut und seither ist es dort nicht sicherer geworden, im Gegenteil. Ich wüsste nicht, wohin man dort Menschen abschieben könnte. Wer verantwortliche Politik betreiben will, muss sich solchen Problemen stellen und kann nicht pauschal sagen, alle in Deutschland lebenden Afghanen müssten wieder zurück.“

Eine erstaunliche Aussage. Dazu von einem Experten, der im Gegensatz zu den meisten Politikern die Lage vor Ort bestens kennt. Leider saß Junge nicht mit in der Runde und die übrigen Gäste hatten offensichtlich wenig Lust, sich mit der Sichtweise des AfD-Mannes auseinanderzusetzen.

So blieb es Moderatorin Maybrit Illner vorbehalten, einige Fakten in der aufgeheizten Diskussion zu präsentieren. Demnach wurden in der ersten Hälfte des Jahres 2016 bei 142.500 Straftaten Zuwanderer als Tatverdächtige registriert. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang von 36 Prozent. Zudem muss man berücksichtigen, dass „tatverdächtig“ nicht automatisch „schuldig“ bedeutet. Bei rund 57 Prozent der Verdächtigen ermittelte die Polizei wegen Diebstahlsdelikten. 23 Prozent wurden wegen Körperverletzung angeklagt. Sexualdelikte stehen mit 1,1 Prozent in der Polizeilichen Kriminalstatistik, Mord und Totschlag mit 0,14 Prozent. Unter diesen Mordopfern waren 23 Ausländer und ein Deutscher.

Illners Fazit: „Zuwanderer sind nicht krimineller, als Deutsche, offenbar wird aber jede Tat von einem Ausländer qualitativ anders bewertet, als von einem Deutschen.“ (fb)

Foto: ZDF

Sehen Sie auch: Mordfall in Freiburg - AfD-Politikerin attackiert Merkel bei Maischberger