"Zu jung zum Sterben"

Hier wurde im November 2013 ein Geschäftsmann aus Hannover getötet. (Bild:dpa)
Hier wurde im November 2013 ein Geschäftsmann aus Hannover getötet. (Bild:dpa)

Über seinen Wunsch, aufgespießt, gegrillt und verspeist zu werden, spricht der Zeuge recht unbefangen. Schwer tut sich der 31-Jährige hingegen damit, über seine sexuelle Beziehung zum Angeklagten zu sprechen. Stockend und verlegen lächelnd beantwortet Alexander B. vor dem Landgericht Dresden die intimen Fragen. Der blasse, schmächtige Mann aus Baden-Württemberg hätte die Öffentlichkeit und die Journalisten während seiner Aussage aus dem Saal schicken lassen können, er verzichtet darauf.

So gewährt B. Einblick in eine äußerst bizarre Fetisch-Szene, die sich offenbar vorwiegend in Internetforen und manchmal auch persönlich austauscht. B. hegte nach eigenen Angaben seit Jahren den Wunsch, „als Spießbraten“ zu enden. In David G., dem 56-jährigen Beamten des Landeskriminalamtes Sachsen, glaubte er, endlich jemanden gefunden zu haben, der ihm seinen Traum erfüllt. Die Männer chatteten miteinander, tauschten ihre grausamen Fantasien aus. Die Richterin fasst B.s Angaben zusammen: „Sie wollten lebendig aufgespießt, gegrillt und gegessen werden, das war so Ihre Vorstellung?“ „Genau.“

Alexander B. hatte sich mit demselben Plan zuvor schon mit einem anderen Mann getroffen, war enttäuscht, dass dieser ihn nicht ernst nahm, bloß Sex wollte. Richterin: „Der war nicht bereit, Sie zu töten?“ „Genau, der hat es dann abgebrochen.“

Detlev G. aber schien Ernst zu machen. G. holte den Zeugen im September oder Oktober 2013 spätabends mit dem Auto ab. Sie nahmen den Computer mit, um Spuren zu verwischen, und fuhren die rund fünf Stunden zurück in G.s Pension im Gimmlitztal im sächsischen Erzgebirge. B. saß nackt auf der Rückbank. An einer Landstraße behandelte G. ihn das erste Mal als Braten. Er rieb ihn auf dessen Wunsch mit Öl ein und wickelte den Nackten in Folie ein. Richterin: „So wie man ein Grillgut vorbereitet?“ B.: „Genau.“ „Auch Gewürze?“ „Auch ein paar Gewürze.“

In der Pension sei Detlev G. von den vielen Stunden Autofahrt „fix und fertig gewesen“, weshalb sie das Aufspießen verschoben hätten. Am nächsten Morgen ging G. wie gewohnt arbeiten. Doch auch am Abend wurde B.s Wunsch nicht erfüllt. B. blieb über Wochen in der Pension. Immer wieder habe B. ihn an ihre Verabredung erinnert. Immer wieder habe G. ihn vertröstet. Der Lebenspartner von G. sei über den Gast wenig erfreut gewesen, habe ihn zur Heimfahrt gedrängt. Doch B. kam wieder, vom Lebenspartner unbemerkt. Detlev G. habe ihn in den Keller der Pension geführt. Dort standen ein Käfig, ein Plastikskelett, lagen Peitschen und andere SM-Utensilien, auch der Flaschenzug, an dem wenige Wochen später Wojciech S. starb.

Auch B. wollte noch immer sterben. „Unbedingt“, sagt er: „Ich habe jeden Tag gedrängelt.“ Doch G. habe abgeblockt. „Er sagte: ,Ich sei zu jung zum Sterben.'“ B. hoffte weiter. G. habe nachgefragt, warum er sterben wolle, habe ihm auch Möglichkeiten aufgezeigt, aus seiner Lage herauszukommen, sagt der Zeuge auf Frage des Gerichtspsychiaters. „Aber ich habe weiterhin darauf gepocht, gegrillt zu werden.“

Als G. dienstlich verreisen musste, sei B. bei Freunden auf einem Bauernhof untergekommen. Ein älterer Mann habe ihm dort den Wunsch schließlich ausgeredet. B. lernte seinen aktuellen Freund kennen. Mit Detlev G. hatte er nie wieder Kontakt. Die Männer sehen sich erst an diesem Tag vor Gericht wieder. G. als Angeklagter wegen des Vorwurfs des Mordes und Störung der Totenruhe, B. als Zeuge.

Richterin: „Ich nehme an, heute sind Sie froh, dass Ihre Pläne nicht umgesetzt wurden.“ Der junge Mann zögert. Dann sagt er: „Teilweise so, teilweise so.“ Sich selbst das Leben zu nehmen, komme für ihn „auf keinen Fall“ infrage. „Ich bin an und für sich christlich.“

Am 4. November 2013 holte Detlev G. den Nächsten mit seinem Auto ab, Wojciech S. aus Hannover. Die Männer trafen sich am Hautbahnhof Dresden. Auch S. wollte offenbar sterben. Er träumte davon, geschlachtet zu werden. S. war nicht mehr jung, sondern 59 Jahre alt. Wojciech S. überlebte die Begegnung nicht. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass G. ihn ermordet und seine Leiche zerstückelt hat. Die Verteidigung sagt, S. habe sich selbst getötet.