2017 gibt es die spannendsten Bundestagswahlen seit langem

Die SPD setzt auf Lagerbildung – die AfD hat diesen Schritt längst vollzogen. Damit steht 2017 ein Wahlkampfkrimi bevor: ein ideologisch aufgeladenes Links gegen Rechts. Das muss dem Land nicht schaden.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Sigmar Gabriel hat bei der SPD den Hut auf, und solange ihm der nicht vom Kopf gepustet wird, versucht er den Ton vorzugeben. Er sucht sein Heil und das der Partei in der Flucht nach vorn.

Am vergangenen Wochenende hat Gabriel einem Manifest gleich die Zukunft der SPD skizziert – in einem Bündnis mit anderen „progressiven Kräften“, wie er in einem Gastbeitrag für den „Spiegel“ schrieb. Als einende Gefahr beschrieb der Parteichef das Aufbäumen des Rechtspopulismus. Da ist etwas dran. Aber echt glaubwürdig wirkt es nicht.

Sicherlich ist eine Art Linksbündnis für Anhänger von SPD, Linkspartei oder Grünen ein logischer Schritt. Linke und Grüne sind allein schon historisch gesehen Fleisch vom Fleische der Sozialdemokraten. Dass diese Stränge irgendwann wieder zueinander finden, ist keine Unmöglichkeit. Gar eine Vereinigung von SPD und Linken zu einer Partei erscheint für die mittlere Zukunft als realistische Option: Zu schwach wird gerade die SPD, und zu regional verankert bleibt die Linke. In einer Partei könnten diese Kräfte besser gebündelt werden und stärker auftreten.

Es kommt zum Wettstreit der Ideen

Solch ein „Linksbündnis“ müsste sich indes vor Augen halten, dass damit nicht zwingend auch Mehrheiten errungen werden. Der deutsche Parlamentarismus entwickelt sich hin zu einem Mehrparteiensystem. Heißt: Es wird ganz normal werden, dass drei, vier oder fünf Parteien gemeinsam eine Regierung stellen.

Für den Bundestagswahlkampf 2017 bedeutet dies, dass es heiß wird. Richtige Lagerkämpfe wird es geben. Linke Inhalte gegen rechte Inhalte, ein echter Wettstreit der Ideen und der Programme um die Wählerstimmen. Selbst die AfD hat mittlerweile ein klar erkennbares konservatives Profil, das nun in die Arena der Wahlkämpfe einsteigt. Für die Demokratie bedeutet das einen Gewinn. Nun hat der Wähler mehr Unterscheidbarkeit, er kann noch besser entscheiden – wenn die AfD nicht ausschließlich auf die populistische Karte setzt und einen Wahlkampf fährt, der nur aus „Nein“ und „Anti“ besteht. Wollen die Konservativen gewählt werden, sollten sie so ehrlich sein und sich mit ihrem Programm bewerben. Nicht mit plumpen ausgrenzenden Parolen, wie in letzter Zeit Alexander Gauland sie bevorzugt posaunt.

Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, dass die SPD bei ihrem neuen Lagerdenken keinen falschen Konstrukten verfällt. Gabriel wirft in seinem Gastbeitrag der CDU vor, für das Erstarken rechter Kräfte verantwortlich zu sein – ohne es natürlich so zu nennen. Das ist billig. Bei ihm heißt es, es sei „eine der großen historischen Leistungen der Union, vielen alten Nazis und Deutschnationalen in der jungen Bundesrepublik eine politische Heimat gegeben zu haben“. Und weiter: „Da hatte Franz Josef Strauß schon recht.“ Schließlich wirft er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die „politische Entkernung der Union“ vor, durch die „die Unionsparteien ihre Bindekraft für dieses Milieu“ verloren hätten.

Ein Sozialdemokrat kritisiert sozialdemokratische Politik

Mit solchem Gerede verspielt Gabriel gehörig Glaubwürdigkeit. War es gut, dass in Westdeutschland die alten Nazis eine politische Heimat in der Union fanden? Ist ein Problem unter Kontrolle, wenn nicht allzu laut gestrampelt wird? Die Nazis und Deutschnationalen prägten über die Union die Bundesrepublik, sie waren keine stillen Mäuse. Sie vergifteten den Diskurs. Gerade auch deshalb, weil sie versteckt über den Mainstream auftraten.

Für die Gesellschaft besser ist es allemal, offen für Positionen einzustehen. Wollen die Konservativen und Deutschnationalen nun sichtbar ihr Denken durchsetzen, ist dieser Versuch ihr gutes Recht; auch lässt es sich besser mit ihnen auseinanderzusetzen, wo sie das Nest der Union verlassen haben und im Licht der Öffentlichkeit stehen.

Dass Gabriel Merkel vorwirft, sie habe die Union politisch entkernt, ist infam. Letztlich wirft er ihr ja die Sozialdemokratisierung der CDU vor, dass sie immer mehr SPD-Positionen aufgegriffen hat. Sowas sollte ein Sozialdemokrat, der an die Gesellschaft denkt, eigentlich als Kompliment auffassen.

2017 wird ein Jahr der Entscheidung. Gabriel stellt dafür die richtigen Weichen. Aber gelassener sollte er schon am Steuer stehen.

Bilder: dpa

Erbitterte Lagerkämpfe können sich auch an Kleinigkeiten wie Deutschland-Fähnchen entzünden - mehr darüber im Video