AfD-Aussteiger berichtet von alltäglichem Antisemitismus in der Partei

Offiziell distanziert sich die AfD von Antisemitismus. Hinter den Kulissen soll es laut einem Aussteiger allerdings anders aussehen. (Bild: Getty Images)
Offiziell distanziert sich die AfD von Antisemitismus. Hinter den Kulissen soll es laut einem Aussteiger allerdings anders aussehen. (Bild: Getty Images)

Einst war Franz Eibl selbst aktives Mitglied der AfD. Jetzt erhebt er schwere Vorwürfe: Die Partei habe sich mehr und mehr radikalisiert, er soll immer häufiger mit offenem Judenhass konfrontiert gewesen sein. Deshalb habe er die Reißleine gezogen.

Öffentlich distanziert sich die Alternative für Deutschland (AfD) regelmäßig von Antisemitismus. Erst vor Kurzem etwa verurteilte der stellvertretende AfD-Vorsitzende Georg Pazderski die jüngsten Anti-Israel-Demos in Berlin. Franz Eibl widerspricht dieser Einstellung jetzt: Bis 2014 war der Politikwissenschaftler selbst aktives AfD-Mitglied – und laut eigener Aussage regelmäßig Zeuge judenfeindlicher Äußerungen in persönlichen Gesprächen.

„Da wurden dann etwa Verschwörungstheorien über die Rothschilds oder den jüdischen US-Investor George Soros vertreten“, berichtete der 46-Jährige gegenüber der „Huffington Post“. Auch das „Feindbild des sogenannten ‘US-Israel-Komplexes’“ sei in Teilen der Partei klar erkennbar gewesen.

„Schuld am Zweiten Weltkrieg waren in deren Augen die USA, indirekt eine dortige jüdische Elite“, so wird der frühere Kommunalpolitiker weiter zitiert. Als Historiker habe ihn die Verleugnung der deutschen Kriegsschuld schockiert. Seine Einwände hätten ihm viele Parteimitglieder nicht glauben wollen.

Laut Eibl sei der Antisemitismus in der Partei weiter verbreitet, als angenommen. „Der Judenhass in Teilen der AfD war bereits zu meiner Zeit unerträglich“, sagte er. 2013 kandidierte der fränkische Familienvater selbst für die Alternative für Deutschland für den Bundestag, vorher war er lange Jahre Mitglied der FDP. Bis Juli 2014 war Eibl AfD-Bezirksvorsitzender von Oberfranken und Pressesprecher des Landesverbands Bayern.

Der Thüringer Fraktionsvorsitzende Björn Höcke gilt als eines der umstrittensten und extremsten Mitglieder der AfD. (Bild: Getty Images)
Der Thüringer Fraktionsvorsitzende Björn Höcke gilt als eines der umstrittensten und extremsten Mitglieder der AfD. (Bild: Getty Images)

Nach ersten Bedenken zum immer migrantenfeindlicheren Kurs der AfD fiel für Eibl mit der Ankündigung der Partei, mit Björn Höcke als Spitzenkandidat in Thüringen bei der Landtagswahl anzutreten, der Entschluss, die Partei zu verlassen. „Höcke galt damals als rechts außen. Mit so jemandem wollte ich schon damals nicht in derselben Partei sein“, berichtete er laut „Huffington Post“.

Auch der Antisemitismus-Experte Jan Riebe glaubt, dass es in der AfD eine breite judenfeindliche Strömung gibt. „Die Partei ist einerseits radikaler geworden. Andererseits sind gemäßigte Leute ausgetreten“, erklärte der Sozialwissenschaftler gegenüber der Online-Zeitung.

Antisemitismus: Diese AfD-Politiker fielen bereits öffentlich auf

Bereits in der Vergangenheit fielen einige AfD-Mitglieder mit antisemitischen Tendenzen und kontroversen Aussagen auf. Der Landeschef der Partei in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, forderte 2014 via Facebook die Ausweisung des jüdischen Moderators Michel Friedman. Der Berliner Kommunalpolitiker Bernd Pachal lobte im Internet die „kluge Politik“ Reinhard Heydrichs, der als maßgeblicher Organisator des Holocaust gilt. Björn Höcke bezeichnete das Berliner Holocaust-Mahnmal in einer Rede als „Denkmal der Schande“.

Während solche und ähnliche Äußerungen für Politiker anderer Parteien sicherlich das Karriere-Aus bedeuten würden, gab es in der AfD bisher praktisch keine klar erkennbaren Konsequenzen. Parteiausschlüsse aufgrund derartiger Entgleisungen seien in der AfD „auch nicht gewollt“, vermutet Sozialwissenschaftler Riebe, und erkennt eine Doppelstrategie in deren Vorgehen: „Die Partei spielt sich als Vorkämpfer gegen Antisemitismus auf, wenn dieser von Muslimen kommt – in den eigenen Reihen unternimmt man dagegen nur wenig.“

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