"Die Akte General": Wer war Fritz Bauer wirklich?

"Die Akte General": Ulrich Noethen als Fritz Bauer, hessischer Generalstaatsanwalt und Kämpfer gegen die Vertuschung nationalsozialistischer Verbrechen.

"Ich bin von Gott und der Welt verlassen", schreibt Fritz Bauer an Thomas Harlan. Es ist ein seltsamer Briefwechsel zwischen dem hessischen Generalstaatsanwalt und dem 26 Jahre jüngeren Theater- und Filmemacher. Bauer entstammt einem jüdischen Elternhaus und gilt als unerbittlicher Nazijäger. Harlan ist der Sohn von Goebbels antisemitischem Hetzfilmer Veit Harlan, er versucht auf eigene Faust NS-Größen vor Gericht zu bringen.

Im Spielfilm "Die Akte General" schildert das Erste am heutigen Mittwoch (20:15 Uhr) Leben und Wirken des Mannes, der in den 50er und 60er Jahren als der meist gehasste Jurist Deutschlands galt, weil er "der Stachel im System des immer noch tiefbraunen Justizapparats" ("Süddeutsche Zeitung") war. Bauer, im ARD-Film brillant von Ulrich Noethen gespielt, war der Chefankläger des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses. Und er sorgte für die Ergreifung des SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann, der für die Ermordung von sechs Millionen Menschen mitverantwortlich war.

Schon mehrere Filme

Schon 2014 und 2015 wurde Fritz Bauers Leben in den Kinofilmen "Im Labyrinth des Schweigens" und "Der Staat gegen Fritz Bauer" geschildert. Aber wer war dieser Mann wirklich?

Er wurde 1903 in Stuttgart geboren und studierte in Heidelberg, München und Tübingen Jura. Nach seiner Promotion zum Dr. jur. arbeitete er ab 1928 als Gerichtsassessor beim Amtsgericht Stuttgart. Bauer trat bereits 1920 der SPD bei und bekannte sich trotz seines jüdischen Elternhauses als Atheist.

1936 emigrierte er nach Dänemark, das 1940 von deutschen Truppen besetzt wurde. Bauer kam für drei Monate in ein Lager und konnte 1943, als die Deutschen mit der Deportation dänischer Juden begannen, ins neutrale Schweden fliehen, wo er als Archivgehilfe arbeitete und u.a. mit Willy Brandt die Zeitschrift "Sozialistische Tribüne" gründete.

Rückkehr nach Deutschland

1949 kehrte Fritz Bauer nach Deutschland zurück. Er wurde zunächst Landgerichtsdirektor am Landgericht Braunschweig und 1950 Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht. 1956 wurde er in das Amt des hessischen Generalstaatsanwalts mit Sitz in Frankfurt berufen.

Bauer hatte sich von Anfang an hartnäckig für die Ergreifung von NS-Mördern und die Rehabilitierung von Widerstandskämpfern eingesetzt. Von ihm stammt der Satz: "Ein Unrechtsstaat, der täglich Zehntausende Morde begeht, berechtigt jedermann zur Notwehr."

Sein leidenschaftliches Engagement machte ihn bei zahlreichen Kollegen - damals hatten die meisten Juristen zuvor den Nazis gedient - zur verhassten Figur. "In der Justiz lebe ich wie im Exil", soll er gesagt haben. Und: "Wenn ich mein (Dienst)Zimmer verlasse, betrete ich feindliches Ausland." Es gab wüste Beschimpfungen, zahlreiche Intrigen, ja selbst Brandanschläge und anonyme Morddrohungen gegen ihn. Dennoch ließ Fritz Bauer nicht locker.

Zusammenarbeit mit dem Mossad

1957 erhielt er von einem ehemaligen KZ-Häftling den Hinweis, dass Adolf Eichmann die Flucht nach Argentinien gelungen sei und er in Buenos Aires lebe. Bauers Antrag, die deutsche Regierung möge sich um seine Auslieferung nach Deutschland bemühen, wurde von Bonn abgelehnt. Dazu muss man wissen, dass der damalige Kanzleramtsminister Hans Maria Globke ein Mann war, der 1935 "aufs Widerwärtigste die Nürnberger Rassengesetze kommentiert hatte" ("Süddeutsche Zeitung").

In diesen Staatsapparat hatte Bauer nur wenig Vertrauen. Er sah die Gefahr, dass Altnazis, die sich in Wirtschaft, Verwaltung und der Regierung Adenauer breit gemacht hatten, Eichmann warnen könnten. Deshalb arbeitete der deutsche Generalstaatsanwalt mit dem israelischen Geheimdienst Mossad zusammen. Er brach also das Recht, damit Recht geschehe.

1960 wurde Eichmann von israelischen Agenten entführt und nach Israel gebracht. Beim Prozess vor dem Bezirksgericht Jerusalem wurde er zum Tode verurteilt und 1962 gehängt.

Was wäre eigentlich geschehen, wenn Eichmann tatsächlich in die Bundesrepublik ausgeliefert worden wäre? Im Film sagt Bauer den beklemmenden Satz: "Bei einem Prozess in Deutschland hätte er vielleicht Freispruch bekommen."

Am 1. Juli 1968 wurde Fritz Bauer im Alter von 64 Jahren tot in der Badewanne seiner Frankfurter Wohnung aufgefunden. Man stellte bei dem passionierten Raucher eine Herzvorschädigung sowie eine schwere akute Bronchitis und die Einnahme eines Schlafmittels fest. Ein Mediziner ging von Selbstmord aus, für diese These gab es jedoch in Bauers direkter Umgebung keinerlei Hinweise. Die Anweisung einer gerichtlichen Leichenöffnung missachtete die Frankfurter Staatsanwaltschaft - und gab den Leichnam zur Feuerbestattung frei.

Foto(s): SWR/UFA FICTION/Hardy Brackmann