Warum Lidl das Discounterduell gegen Aldi verliert

Das Phantom des deutschen Handels zeigte sich an einem späten Freitagabend Mitte März. Dieter Schwarz, Herr über die Handelsketten Lidl und Kaufland, einer der reichsten und zugleich öffentlichkeitsscheusten deutschen Unternehmer, stand andächtig auf einer Großbaustelle in Heilbronn. Zusammen mit Gattin Franziska verfolgte der Milliardär, wie ein Autokran das 25 Meter lange Verbindungsstück einer Brücke zentimetergenau einpasste.

Applaus brandete auf, als ein Arbeiter schließlich die geschwungene Brücke überquerte, die jetzt die verschiedenen Einrichtungen des Heilbronner Bildungscampus verbindet. Ohne die Dieter Schwarz Stiftung gäbe es die Hochschule nicht.

Sie gilt als eine Art Vermächtnis des Milliardärs, ein Lebenstraum, der sich durch den Brückenschlag nun seiner Vollendung nähert.

Es war einer der wenigen Momente, in denen sich Schwarz der Öffentlichkeit präsentierte. So wie einst die Albrecht-Brüder im Verborgenen Aldi hochzogen, arbeitet Schwarz im Verborgenen daran, eben jenen Erzrivalen vom Discounterthron zu stoßen.

Doch das gestaltet sich offenbar schwieriger als gedacht: Eigentlich wollten die Lidl-Manager spätestens im kommenden Jahr die Nummer eins sein. Aktuellen Prognosen zufolge werden sie dieses Ziel aber wohl frühestens in fünf Jahren erreichen. „Zwar wird Lidl in den kommenden Jahren stärker wachsen als Aldi Nord und Süd“, sagt Discountexperte Boris Planer vom Brancheninformationsdienst Planet Retail. „Doch Aldi wird die Position als globale Nummer eins noch über Jahre verteidigen.“

Laut den Prognosen von Planet Retail, die der WirtschaftsWoche vorliegen, dürften Aldi Nord und Aldi Süd ihren Bruttoumsatz in den kommenden Jahren jeweils um einen Milliardenbetrag steigern. Zusammen bringen die beiden schon heute knapp 83,3 Milliarden Euro auf die Waage, rund sieben Milliarden Euro mehr als Lidl. Erst in fünf Jahren soll der Discounter demnach die beiden Aldi-Ketten mit einem weltweiten Bruttoumsatz von rund 105 Milliarden Euro nahezu eingeholt haben (siehe Grafik).

2023 – und damit exakt 50 Jahre nachdem Schwarz seinen ersten Lidl-Markt eröffnete – könnte schließlich das große Finale im Wettstreit der Discountsysteme folgen.


"Rückbesinnung auf die alten Discount-Tugenden"

Vor allem Aldis starke Stellung in den USA verhindert vorerst die Zeitenwende. Aldi eröffnet dort neue Läden wie am Fließband. Dabei kommen den Albrechts Wechselkurseffekte zugute. „Aldi profitiert derzeit vom starken Dollar“, sagt Planer, das treibe auf Euro-Basis die Erlöse.

Nicht allein der Kampf gegen Aldis Bollwerk in den USA hält die Schwarz-Truppe auf Trab. Konzernchef Klaus Gehrig, ein 1,90-Meter-Mann von robustem Auftritt, der zu den engsten Vertrauten von Schwarz gehört, habe dem Billigreich gerade einen Kurswechsel verordnet, heißt es in der Branche. Das bringt Unruhe ins Unternehmen. Gehrig hätte registriert, dass das jahrelange Wachstum Lidl zu stark aufgebläht habe, die Kosten liefen aus dem Ruder.

In der Heimat hat sich der Billigheimer mit einer neuen Generation von Läden samt lichten Glasfronten, Backstationen und ausufernden Weinabteilungen tatsächlich weit vom ursprünglichen Discountansatz entfernt.

Gehrig strebe nun eine „Rückbesinnung auf die alten Discount-Tugenden“ an, vermeldete jüngst das Fachblatt „Lebensmittelzeitung“.

Anfang Februar entsorgte er mit Sven Seidel den Chef für das operative Geschäft bei Lidl. Ein von Seidel entwickeltes Format namens Lidl Express, bei dem Kunden Brot und Butter im Netz bestellen und anschließend in der Filiale abholen sollten, ließ Gehrig noch vor dem Start einmotten.

Auch für die kostspielige Modernisierung vieler Märkte werde nach günstigeren Alternativen gesucht, heißt es intern.

Ein Projekt genießt bei den Lidl-Granden allerdings weiter höchste Priorität: die Eroberung des US-Marktes. Mit zunächst 120 bis 150 Märkten will Lidl dort 2018 starten, wo Aldi sich schon erfolgreich breitgemacht hat. Spätestens zur Eröffnung der ersten Filiale wird sich das Phantom des deutschen Handels, Dieter Schwarz, wohl auch mal in den USA blicken lassen müssen.

KONTEXT

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

Platz 10

Bartells-Langness

Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 3,09 Milliarden Euro (Schätzung)

Platz 9

Globus

Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 3,23 Milliarden Euro

Platz 8

Rossmann

Umsatzmit Lebensmitteln in Deutschland: 5,18 Milliarden Euro

Platz 7

dm

Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 6,33 Milliarden Euro

Platz 6

Lekkerland

Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 8,98 Milliarden Euro

Platz 5

Metro (Real, Cash & Carry)

Umsatzmit Lebensmitteln 2015: 10,27 Milliarden Euro (Schätzung)

Platz 4

Aldi (Nord und Süd)

Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 22,79 Milliarden Euro (Schätzung)

Platz 3

Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland)

Umsatzmit Lebensmitteln 2015: 28,05 Milliarden Euro (Schätzung)

Platz 2

Rewe-Gruppe

Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 28,57 Milliarden Euro (Schätzung)

Platz 1

Edeka (inkl. Netto)

Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 48,27 Milliarden Euro

Quelle: TradeDimensions / Statista