Alle schauen nach Bayern: Internationale Pressestimmen zur Wahl im Freistaat

Haben einen Grund zum Grübeln: Ministerpräsident Markus Söder (l.) und CSU-Chef Horst Seehofer. (Bild: Michael Kappeler/dpa)
Haben einen Grund zum Grübeln: Ministerpräsident Markus Söder (l.) und CSU-Chef Horst Seehofer. (Bild: Michael Kappeler/dpa)

Schelte für die CSU, Lob für die Grünen, Mitleid für die Sozialdemokraten. Die Aufmerksamkeit für die bayerische Landtagswahl im Ausland ist enorm – und sehr vielfältig.

Die Wahl des bayerischen Landtags beschäftigt am Tag danach nicht nur die Landes- und Bundespolitik, sondern auch viele internationale Zeitungen:

“Der Standard” (Österreich): “Sehr viele Wählerinnen und Wähler hatten die CSU einfach satt, obwohl das Land wirtschaftlich boomt. Doch das aktionistische Kreuzaufhängen in den Amtsstuben hing ihnen ebenso zum Hals heraus wie das umstrittene Polizeiaufgabengesetz. Unerträglich war das Schauspiel, das der neue Ministerpräsident Markus Söder und CSU-Chef Horst Seehofer aufführten: Sie kämpften gegeneinander und veranstalteten daneben peinliche Schmuseshows. (…) Ein Gutteil dieser gewaltigen Wahlniederlage ist auf das Auftreten in Berlin zurückzuführen. Mal hü in der Asylpolitik, mal hott, und das über Jahre – es war einfach unerträglich.”

“Jyllands-Posten” (Dänemark): “Tatsächlich hat die CSU seit mehr als 60 Jahren nicht so wenige Stimmen erhalten. Bislang war die Partei nahezu ohne Einmischung in Deutschlands ältestem, größten und reichsten Staat, Bayern, an der Macht. Diese Ära ist allem Anschein nach nun vorbei. Damit schwindet wahrscheinlich auch die bundesweite Bedeutung der Partei.”

“El Mundo” (Spanien): “Ein neues politisches Erdbeben – wie viele hat es bereits gegeben? – erschüttert die Europäische Union. (…) Es ist naiv zu glauben, dass das, was in der Lokomotive der EU passiert, den Fortschritt bei der Integration nicht bremsen wird. Der Absturz der CSU (…) geht mit dem beunruhigenden Aufstieg der extremen Rechten in diesem Bundesland einher, die ein großartiges Ergebnis erzielt. Und nicht weniger wichtig ist der Untergang der SPD, die fast in die Irrelevanz stürzt und einen historischen Schlag erleidet.”

“Dagens Nyheter” (Schweden): “Die deutschen Sozialdemokraten SPD haben es historisch gesehen in Bayern schon immer schwer gehabt. Aber dass sie nun bei voraussichtlich knapp zehn Prozent landen, ist schlimmer, als es sich irgendjemand auch nur vorzustellen gewagt hätte. Wenn die Partei bei der Wahl in Hessen in zwei Wochen ähnlich schlecht abschneidet, dürfte das den Gegnern der großen Koalition weiter Aufwind verschaffen. Für den Fortbestand der Regierung kann das gefährlich werden.”

“La Repubblica” (Italien): “Die Sozialdemokraten haben nach der Wahlschlappe vor einem Jahr Europa zum Programm gemacht. Aber auf die großen Ankündigungen im Koalitionsvertrag mit Kanzlerin Merkel sind keinerlei Fakten gefolgt. Diese deutsche Regierung war mit Blick auf Europa noch zurückhaltender und noch visionsloser als die letzte. Und so haben die Wähler den Grünen ihre Stimme gegeben, die wirklich Pro-Europäer sind, die noch in der Lage sind, eine wahre Alternative aufzuzeigen. Und die nie davon abgewichen sind, die Menschenrechte der Flüchtlinge in Deutschland und Europa zu verteidigen.”

Haben einen Grund zum Feiern: Katharina Schulze (l.) und Ludwig Hartmann, Spitzenkandidaten der Grünen. (Bild: Sven Hoppe/dpa)
Haben einen Grund zum Feiern: Katharina Schulze (l.) und Ludwig Hartmann, Spitzenkandidaten der Grünen. (Bild: Sven Hoppe/dpa)

“Gazeta Wyborcza” (Polen): “Die bayerischen Grünen sind stärker geworden. Es ist der Verdienst der 33-jährigen Katharina Schulze, der Wahllokomotive der Partei. Die junge Politikerin hat nach 13 Jahren starrer Politik Angela Merkels die Chance, die deutsche politische Szene zu verjüngen. Schulze schaffte es, der AfD die Stirn bieten und zeitgleich zu traditionellen Wählern durchzudringen.”

“Corriere della Sera” (Italien): “Ist es der letzte Akt der Volksparteien in Deutschland? Von der Wahl in Bayern geht die unmissverständliche Warnung aus, dass es große Umbrüche in der politischen Welt in Deutschland geben wird – sie ist nicht mehr der starre Motor auf der europäischen Bühne. (…) Kanzlerin (Angela) Merkel ist geschwächt (…). Jetzt kommt Hessen dran, wo die CDU ironischerweise mit den Grünen regiert. Und in Umfragen sieht es nicht gut aus für (CDU)-Ministerpräsident Volker Bouffier. Wenn er verliert, wird der Druck auf Merkel steigen.”

“Kurier” (Österreich): “Zur Zeit könnte in München auch bloß eine Weißwurst platzen, schon würden atemlose Medien eine Beschleunigung der Merkel-Dämmerung konstatieren. Nein, das Platzen der CSU-Allmacht ist zunächst eine rein bayerische Angelegenheit. Und dann eine, die weit über Deutschland und Frau Merkel hinaus geht. (…) Die Regierenden verlieren, auch wenn es den Regierten gut geht. Bayern hat die besten Wirtschaftsdaten, hat Wachstum, praktisch Vollbeschäftigung, blühende Unternehmen – und trotzdem sagt der Wähler denen, die die Weichen dafür gestellt haben: trollt euch.”

“Lidové noviny” (Tschechien): “Es ist zu erwarten, dass wegen des schlechten Wahlergebnisses der Druck auf Seehofer wächst, den Parteivorsitz abzutreten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder scheint indes fest im Sattel zu sitzen, denn er hat die Parlamentsfraktion und wichtige Vertreter der CSU hinter sich.”

“Tages-Anzeiger” (Schweiz): “Ob Seehofer künftig noch eine Rolle spielt, ist allerdings mindestens offen. Attacke oder Anpassung – die Frage der Fragen ist für die CSU noch nicht entschieden.”

“Neue Zürcher Zeitung” (Schweiz): “Ohne personelle Konsequenzen kann eine solche Niederlage nicht bleiben. Ministerpräsident Markus Söder gilt zwar als unpopulär, doch Bundesinnenminister Horst Seehofer, der Chef der CSU, stand bei sämtlichen Streitereien, welche die große Koalition in den vergangenen Monaten erschütterten, im Zentrum des Geschehens. Seine Zeit als Minister könnte bald schon zu Ende sein.”

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