Angela Merkel kauft ein. Na und?

Eine RTL-Journalistin hat Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Einkaufen gefilmt. Privat, nicht im Auftrag ihres Senders. Das Video hat sie auf Twitter veröffentlicht und dafür viel Kritik kassiert.

Angela Merkel bei der Arbeit. (Bild: Michael Kappeler / dpa)
Angela Merkel bei der Arbeit. (Bild: Michael Kappeler / dpa)

In dem 41-sekündigen Twitter-Video ist ein Supermarkt-Eingang zu sehen. Nach wenigen Sekunden, zu hören ist nur Windrauschen im Smartphone-Mikro, fährt eine dunkle Limousine ins Bild und stoppt mitten auf der Straße. Ein Mann im Anzug trägt Tüten und Wasserflaschen zum Kofferraum und verstaut alles darin. Dann verlässt eine Frau, Schutzmaske und grauer Blazer, den Supermarkt. Sie wird von mehreren Personenschützern begleitet. Die Frau hält noch ihr Portemonnaie in Händen, vermutlich weil sie gerade bezahlt hat. Sie läuft zum Auto und setzt sich auf die Rückbank. Dann ist das Video vorbei.

Veröffentlicht hat es am Freitag die RTL-Politikreporterin Franca Lehfeldt. Und damit einige Kritik auf sich gezogen. Denn das Video, das sie privat aufgenommen und nicht als Beitrag für RTL produziert hat, zeigt die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nicht bei einem öffentlichen Termin, sondern in ihrer Freizeit. In der auch die Bundeskanzlerin ein Recht auf Privatsphäre besitzt.

Privatsphäre ist Privatsphäre

Zu dem Video hat Lehfeldt geschrieben: „Die Bundeskanzlerin beim Wochenendeinkauf. Etwa 25 Minuten vergehen, bis die Security ihre vollbepackten Tüten ins Auto trägt und Angela Merkel (wohl) nach Hause fährt. Schönes Wochenende!“

Im Kommentarbereich, der Beitrag wurde über 1.300 Mal kommentiert, fragen viele nach der journalistischen Relevanz.

Andere sehen sogar eine Gefährdung darin, Orte zu zeigen, die Merkel in ihrer Freizeit aufsucht. Immerhin gibt es neben einigen alten Fotos von Merkel im Wanderurlaub keine Berichterstattung über ihr Privatleben.

Auch bekannte Persönlichkeiten schalten sich bald ein, darunter der Autor Ralph Ruthe. Er schreibt:

Unter dem Ruthe-Tweet weist zudem ein Nutzer darauf hin, dass die Journalistin Lehfeldt „die aktuelle Freundin von Herrn Lindner“ ist.

Am Samstag reagiert Lehfeldt auf die Kritik und schreibt: „Aufregung wegen des Videos der Bundeskanzlerin beim Einkauf? Es ist journalistisch relevant, wenn die Regierungschefin sich beim Einkauf zeigt. Mutmaßlich beabsichtigte sie sogar die Botschaft, sich zuhause zu versorgen und nicht am Wochenende vor dem Teillockdown rauszugehen.“

Fehler eingestehen, entschuldigen, fertig

Ob Lehfeldt hier nur eine „mutmaßliche“ Relevanz vorgaukelt, wo keine ist? Immerhin hält Bundeskanzlerin Merkel ihr Privatleben ausnahmslos aus den Medien heraus. Ob sie nun wirklich eine Ausnahme gemacht hat, um mit ihrem Einkauf ein gesellschaftliches Statement zu setzen? Das sehen die Kommentierenden – auch unter dem zweiten Tweet Lehfehldts – absolut nicht. Die überwiegende Mehrheit hält es stattdessen für den Versuch, eine alltägliche Banalität aufzubauschen. Lehfeldts WDR-Kollegin Georgine Kellermann schreibt:

„Sorry, mir fehlt jedes Verständnis. Und Ihre Verteidigung ist daneben. Ich denke, das wissen Sie selber. Sonst hätten Sie nicht versucht, sich zu verteidigen. In solchen Fällen hilft es, einfach ‚sorry‘ zu sagen. Und ‚ich habe einen Fehler gemacht‘. Denn das haben Sie.“

Im Video: Merkel zu Corona: Wir sind auf "das Mitmachen" der Menschen angewiesen