Anke Engelke ist auf der Suche nach "Sowas wie Angst"

Anke Engelke liest gedruckte Tweets der ganzen Welt, die die Buchstabenfolge A-N-G-S-T beinhalten.
Anke Engelke liest gedruckte Tweets der ganzen Welt, die die Buchstabenfolge A-N-G-S-T beinhalten.

Nach ihren Spurensuchen in den Dokumentationen “Sowas wie perfekt” und “Sowas wie Glück” beschäftigt sich Moderatorin und Comedian Anke Engelke nun ganz ernsthaft mit dem Thema Angst. In der 75-minütigen Dokumentation des WDR besucht sie viele Orte in Deutschland, um Angst zu verstehen.

Angst ist etwas subjektives. Besonders deutlich wird das auf dem Berliner Platz in Wuppertal. Ein so genannter Angstort für viele Einwohner, obwohl hier, rein statistisch betrachtet nicht mehr und nicht weniger geschieht als an anderen Orten Wuppertals. Warum haben hier so viele Menschen Angst?, fragt Engelke. “Weil hier häufig Betrunkene sind”, antwortet eine junge Frau. “Weil hier viele komische Menschen rumlaufen”, antwortet ein Anderer.

“Subjektiv unerwünschte Personen” – so heißen Grüppchen, die von anderen als störend, als unangenehm oder angstmachend empfunden werden. Engelke fragt die Gruppe älterer Männer, die für die Passanten so beängstigend sind, ob sie das nachvollziehen können. Einer sagt: “Wenn hier eine Oma umfällt, dann helfen wir. Andere gehen vorbei.” Angst zu erklären, ist nahezu unmöglich. Trotzdem versucht die Dokumentation es.

Drei Mal mehr Anmeldung zur Selbstverteidigung

So reist Engelke auch nach Köln. Hier, wo in der Silvesternacht mehrere Menschen von Übergriffen betroffen waren, hat sich in einem Krafmaga-Studio die Anmeldezahl für einen Kurs zur Selbstverteidigung verdreifacht. Auch Engelke besucht probeweise den Kurs. Sie lernt, ihren potenziellen Angreifer in die Eier zu treten und sich aus einer brenzligen Situation in der Bahn zu befreien.

Engelke ist kein lauter Typ, sie will niemandem in die Eier treten und Bahn fahren war für sie bisher immer eine recht unbeschwerte Reiseart. Man merkt ihr an, dass es ihr unangenehm ist, so wachsam denken zu sollen. Engelke als Journalistin unterwegs und fragt häufig erfrischend naiv nach. Sie nimmt die Antworten ernst und bringt auch ihre eigene Vorstellung mit in die Recherche.

In Bochum testet Anke Engelke mit einem Psychologen gleich ihre Höhenangst im Kirchturm.
In Bochum testet Anke Engelke mit einem Psychologen gleich ihre Höhenangst im Kirchturm.

Die Ansätze der Doku über die Angst sind vielfältig. So fährt Engelke auch in die Uniklinik in Bochum, die sich auf die Behandlung von Angststörungen spezialisiert hat. 95 Prozent aller Deutschen leiden unter einer, wenn auch vielleicht geringen, Angststörung. Jedes sechste Kind wird mal an einer ernsthaften Angst erkranken. Ein Psychologe stellt fest, dass Anke Engelke unter einer kleinen Höhenangst leidet. Prompt geht er mit ihr auf einen Bochumer Kirchturm.

Worte schüren Angst

Engelke trifft auch einen Künstler, der ein Gerät entworfen hat, dass alle eine Minute bei Twitter nach neuen Tweets sucht, die die Buchstabenfolge “A-N-G-S-T” beinhalten. Ein kurioses Design, das Engelke schon nach kurzer Zeit in unzählige Angst-besessene Papierschnipsel einhüllt.

Und so zeigt die Reportagen viele Facetten. Engelke spricht mit der deutschen Wissenschaftlerin Elisabeth Wehling von der Universität Berkeley darüber, dass 30 Prozent der Menschen sich leichter durch Worte beeinflussen lassen. Zum Beispiel wenn Politiker über Flüchtlingswellen, Flüchtlingsflut oder Flüchtlingsstrom sprechen. Dann löst das in eben diesen 30 Prozent eine Konnotation zum Thema Naturkatastrophe aus, folglich wird mit Flüchtlingen nichts positives verbunden.

Angst bleibt subjektiv

Engelke spricht auch mit einem Risikoexperten, der erklärt, dass die Deutschen viel mehr Angst vor Feinstaub oder Krankenhauskeimen haben müssten, denn davon sterben Zehntausende mehr Menschen als durch Terror. Engelke trifft eine Siebzehnjährige, die gerade im Begriff ist auszuziehen, obwohl sie intensiv wegen einer Angststörung behandelt wurde. Sie übernachtet mit so genannten Preppern im Wald. Also Menschen, die sich auf etwaige Katastrophen vorbereiten und Survival-Trainings mitmachen. Engelke geht auch in die Grundschule und malt dort mit Kindern Bilder wovor sie Angst haben. Das sind meist Monster.

Die Doku findet viele interessante Ansätze zum Thema Angst, beleuchtet es von vielen Seiten und auch Anke Engelkes intensive Nachfrage bei den Interviewpartnern lassen ein ehrliches Interesse am Thema erkennen. Doch ein Gedanke vom Anfang bleibt: Wenn Angst doch etwas subjektives ist, dann lässt sie sich nicht nur nicht fassen, sie lässt sich auch schwer beenden.

Foto: Screenshot / ARD