Anne Will über Sexismus: Wo Debattenmeister auf Showbizgirls treffen

#metoo nun endlich mal Thema bei Anne Will. Die Meinungen sind unterschiedlicher als gedacht.
#metoo nun endlich mal Thema bei Anne Will. Die Meinungen sind unterschiedlicher als gedacht.

In der Talkrunde von Anne Will ging es diesmal um Sexismus. Und obwohl man es nicht glauben mag: Einig waren sich die Gäste bei diesem Thema keineswegs.

Bei Moderatorin Anne Will heißt das Thema am Sonntagabend: „Die Sexismus-Debatte – Ändert sich jetzt etwas?“ Es geht um #metoo – eine weltweite Solidaritätsbekundung, die in den sozialen Netzwerken millionenfach verwendet wird, um darauf aufmerksam zu machen, dass man selbst Opfer von Sexismus oder sexuellen Übergriffen geworden ist.

Dass die Sendung so heißt, ist erfreulich. Vor vier Jahren als der Hashtag #aufschrei eine ähnliche, wenn auch nur deutschlandweite, Debatte auslöste, hieß die Leitfrage der Sendung zu Sexismus noch: „Hysterisch oder notwendig?“ Nun, die Frage stellt heute keiner mehr. Gott sei Dank. Auch in vier Jahren hat sich an der gesellschaftlichen Vorstellung von Gleichberechtigung etwas getan.

Das sieht auch Laura Himmelreich so. Die junge Journalistin hatte 2013 die Debatte mit ihrem Text „Der Herrenwitz“ über den damaligen Spitzenkandidaten der FDP Rainer Brüderle angeregt. Heute ist sie Chefredakteurin der deutschen Ausgabe von vice.com und sitzt bei Anne Will.

Einordnende Worte von Ursula Schele

Mit ihr sind auch dabei Verona Pooth, als Moderatorin und Entertainerin vorgestellt, soll sie dem Zuschauer als Inkarnation eines schönen Showbizgirls mal erzählen, wie das da so abläuft. Viel zu Wort kommt sie nicht, wird sie doch häufiger von Ursula Schele übertönt. Sie ist Vorsitzende des Bundesverbands für Frauenberatungen und Frauennotrufe.

Schele ist auf die Sendung schon von Berufs wegen gut vorbereitet. Das ist einerseits angenehm, da sie die manchmal schwammig werdende Diskussion wieder neu ordnet, indem sie Sex, Sexualität und Sexismus klar voneinander abgrenzt. Auf der anderen Seite scheint sie eben jener geübte Talkgast zu sein, der den Löwenanteil einer Gesprächsrunde an sich nimmt und dadurch das ganze etwas langweilig macht.

Künstleragentin gibt Kontra

Mit von der Partie ist außerdem noch Heike-Melba Fendel, Künstleragentin, die unter anderem die Journalistin Dunja Hayali und die Schauspielerin Maria Furtwängler vertritt. Sie sorgt dafür, dass die Diskussion gleich zu Beginn Fahrt aufnimmt.

Es habe für sie nicht viel mit Mut zu tun, dass die Frauen sich scharenweise gegen den Produzenten Harvey Weinstein äußerten. Viel mehr sieht sie darin Kalkül. Weinstein war von mehreren Größen Hollywoods der sexuellen Belästigung und auch der Vergewaltigung bezichtigt worden. So erst waren die Solidaritätsbekundungen durch den Hashtag metoo in Gang gekommen.

Kalkül? Daran will Ursula Schele nicht glauben. Dass die Frauen ihre Erfahrungen mit Weinstein über Jahre für sich behalten hätten, habe vielmehr etwas mit dem Abhängigkeitsverhältnis zu tun, indem sie gestanden hätte und dem tiefsitzenden Trauma, dass sie durch die Handlungen erlebt hätten.

Ja, man kann sagen Schele und Fendel werden in dieser Will-Sendung keine Freunde mehr. Zumal Fendel immer wieder betont, dass Hollywood seine eigenen Regeln habe, während Fendel darauf pocht, dass es ähnliche Strukturen auch in anderen Institutionen gebe: Polizei, Bundeswehr, Kirche, Schule, Bundestag.

Früher war es auch nicht besser

Apropos Bundestag. Ein Mann ist ebenfalls Teil der Sendung. Gerhart Baum, FDPler und Bundesinnenminister außer Dienst. Er, so hat man das Gefühl, ist dafür da, immer wieder zu betonen, wie weit die Debatte doch schon gediehen sei.

1983 habe Waltraud Schoppe eine Rede im Bundestag gehalten und gesagt: „Ihr hier – befasst euch mal mit eurem Sexismus.“ Empörung habe sie geerntet. „Aber sie hatte Recht. Im ersten Entwurf des Grundgesetzes war eine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau noch gar nicht festgehalten“, sagt Baum. Und welche Debatten er während seiner Zeit als Politiker schon alles geführt habe: über Schwangerschaftsabbruch, Vergewaltigung in der Ehe und vieles mehr. Da sei man doch jetzt schon viel weiter fortgeschritten. So gesehen hat er Recht. Vor 50 Jahren sah die Welt noch anders aus.

Viel Neues brachte die Sendung von Anne Will nicht zutage, doch auf eine Übereinstimmung konnten sich alle Gäste am Ende einigen: Es sind schon manche Schritte getan, aber wir sind noch nicht am Ziel. Dann auf die nächsten vier Jahre.

Foto: Screenshot / ARD